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„Pena, verschwinde“

Nach der mutmaßlichen Ermordung von 43 Studenten in Mexiko haben rund 2.000 Studenten und Lehrer am Dienstag (Ortszeit) in der Provinzhauptstadt Chilpancingo den Regionalsitz der Regierungspartei PRI in Brand gesteckt. In der Hafenstadt Acapulco wurde ein Flughafen besetzt. Die Wut richtet sich vor allem gegen Präsident Enrique Pena Nieto.

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Bei den Zusammenstößen im Südwesten des Landes warfen die Demonstranten Steine und Feuerwerkskörper auf die Polizisten. Die Beamten nahmen drei Lehrer fest, die Demonstranten brachten ihrerseits einen ranghohen Polizeioffizier in ihre Gewalt. Nach mehrstündigen Verhandlungen wurde der Mann freigelassen.

Ausschreitungen bei bei Demonstration in Mexiko

Reuters/Daniel Becerril

Mit Steinen und Stangen gingen die Demonstranten auf Polizisten los

Angehörige zweifeln Ermittlungen an

Die Demonstranten forderten Aufklärung über das Schicksal der 43 Studenten, die Ende September im Bundesstaat Guerrero von der Polizei verschleppt und der kriminellen Organisation Guerreros Unidos übergeben worden waren. Zwei Bandenmitglieder hatten kürzlich gestanden, die jungen Leute getötet und verbrannt zu haben. Die Familien der Opfer weisen die Ermittlungsergebnisse jedoch zurück. Sie gehen davon aus, dass die jungen Leute noch am Leben sind.

Menschenrechtsaktivist Pater Alejandro Solalinde sagte am Dienstag im Radiosender MVS, die Behörden versuchten, den Fall als reine Tat der organisierten Kriminalität darzustellen. Es handle sich aber vielmehr um ein Staatsverbrechen. Zeugenaussagen zufolge hatte der Bürgermeister der Stadt Iguala den Angriff auf die Studenten angeordnet. Der Fall legt so deutlich wie selten die enge Kooperation zwischen Politikern, Sicherheitskräften und Drogenkartellen offen.

Präsident als „Mörder“ beschimpft

Die Proteste könnten eine schwere politische Krise auslösen. Dutzende Studenten besetzten am Dienstag den Flughafen der Hafenstadt Acapulco. Sie sprühten am Montag Graffiti gegen den Präsidenten an die Wände wie „Pena, verschwinde“ und „Pena, Mörder“. Zuvor hatten bewaffnete Vermummte der Polizei gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Dabei wurden 18 Beamte und neun Demonstranten verletzt.

Ausschreitungen bei bei Demonstration in Mexiko

Reuters/Daniel Becerril

Der Regierungspartei wird Mitschuld am Mord der Studenten gegeben

In Morelia im Bundesstaat Michoacan griffen Vermummte die regionalen Zentralen der Parteien PAN (konservativ) und Nueva Alianza (Zentrum) an. Auch dort hinterließen sie an den Wänden eine Nachricht: „Uns fehlen 43“. Am Wochenende hatten aufgebrachte Studenten in Mexiko-Stadt versucht, den Nationalpalast zu stürmen, und Feuer an einem der Tore gelegt. Pena selbst befindet sich nicht im Land. Er brach auf dem Höhepunkt der Proteste zu einer einwöchigen Reise zum APEC-Treffen in China und zum G-20-Gipfel in Australien auf. „Die Eltern haben das Gefühl, dass der Staat der Angelegenheit nicht die angemessene Bedeutung beimisst“, sagte Maria Luisa Aguilar von der Menschenrechtsorganisation Tlachinollan in der Nachrichtensendung Democracy Now.

Knochenreste nach Innsbruck gebracht

Generalstaatsanwalt Jesus Murillo Karam und Innenminister Miguel Angel Osorio Chong trafen sich am Dienstabend (Ortszeit) erneut mit Angehörigen der Opfer. Es werde weiterhin mehreren Ermittlungssträngen gefolgt, teilte das Innenministerium nach der Zusammenkunft mit. Eine Sonderkommission werde die Familien zudem über alle neuen Erkenntnisse unterrichten.

Ob die Tat jemals vollständig aufgeklärt werden kann, ist allerdings fraglich. Nur zwei am Tatort gefundene Knochen seien in einem Zustand, der eine DNA-Probe zulasse, sagte Generalstaatsanwalt Karam. Sie würden nun an der Universität Innsbruck untersucht. Die Leichen wurden mit Benzin übergossen und sollen 14 Stunden lang gebrannt haben. Nach Einschätzung der Ermittler herrschten dabei Temperaturen bis zu 1.600 Grad. Das macht die meisten Überreste für die Analyse unbrauchbar.

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