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Fan des „einseitigen Informationsflusses“

In Demokratien muss sich die Regierung eigentlich ständig kritische Fragen gefallen lassen. Doch in Indien geht Premier Narendra Modi neue Wege. Er nutzt vor allem die Social-Media-Kanäle des Internets und Livereden bewusst, um die aus seiner Sicht nervenden Medien zu umgehen.

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Der indische Regierungschef ist ein Facebook-Guru, er füttert seine Website ständig, twittert und schreibt einen Blog. Außerdem fasziniert er die Menschen als Redner bei pompösen Auftritten, wöchentlich spricht er im Radio, und für Fotos und Nachrichtenvideos setzt er sich mit Designerkleidung in Szene. Narendra Modi bringt seine Botschaften auf allen verfügbaren Kanälen direkt zum Volk. Der Clou dabei: Kritischen Fragen von Journalisten muss er sich so nicht stellen.

Nutzer der Macht des Web 2.0

Statt Interviews zu geben, lädt er jene Menschen zu sich, die ihn bei seinem einseitigen Informationsfluss unterstützen können: Nach Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg und Amazon-Chef Jeff Bezos traf er im Oktober auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in Neu-Delhi. IT-Minister Ravi Shankar Prasad meint, die Zusammenarbeit habe „enormes Ausbaupotenzial“.

„Modi ist ein riesiger Fan der Sozialen Medien“, sagte die politische Kommentatorin Arati Radhika Jerath. „Er ist daran interessiert, die Macht und den Nutzen der verschiedenen Plattformen noch besser zu verstehen.“ Modi wisse um den Effekt, den eine einzige, ganz von ihm kontrollierte Nachricht über Facebook oder Twitter haben könne. Schon per Oktober hatte Modi mehr als 22 Millionen Facebook-Anhänger, fast zehn Millionen folgten seinen Twitter-Accounts. Nur US-Präsident Barack Obama hat da mehr.

Nur willfährige Presse gern gesehen

Den klassischen Medien hingegen misstraue Modi, sagt Nilanjan Mukhopadhyay, der die Biografie „Narendra Modi: The Man. The Times“ schrieb. Die Feindseligkeit sei auf das Jahr 2002 zurückzuführen, als Modi Regierungschef im indischen Unionsstaat Gujarat war, und unter seinen Augen Massaker mit Hunderten Toten verübt wurden. Journalisten zahlreicher Medienhäuser machten Modi dafür mitverantwortlich - und er fühlte sich dämonisiert. Bis heute weist er jede Schuld von sich.

„Modi umgeht die Medien und baut sich alternative Kommunikationswege zu den Menschen“, sagt Mukhopadhyay. Diese könnten ihrerseits Ideen und Anmerkungen auf Websites loswerden. Die Medien hingegen hätten nach Ansicht des Premierministers lediglich die Aufgabe, Nachrichten von ihm anzunehmen und in die Welt zu tragen. „Die Presse ist für ihn ein Instrument, mit dem er für sich werben kann - und nicht eines, das ihn kontrolliert und prüft.“

Medienhäuser mucken nicht auf

Folgerichtig beschneidet Modi den Zugang zur Regierung. Journalisten in der Hauptstadt erzählen, sie dürften nicht mehr mit dem Flugzeug des Premierministers mitfliegen, und es gebe auch keine Hintergrundgespräche mehr mit Ministern. Pressekonferenzen sind rar geworden, erlaubte Fragen eine Seltenheit. Hinzu kommt, dass die meisten Medienhäuser in Indien Großunternehmern gehören, die auf ein gutes Verhältnis mit der politischen Führung angewiesen sind. Einige kritische Journalisten nahmen in den vergangenen Monaten ihren Hut.

„Die Medien sind eine zentrale Säule der Demokratie, die Brücke zwischen der Regierung und den Menschen, ja sogar die vierte Macht im Staat“, sagt Kommentatorin Jerath. Gerade in Indien - der größten Demokratie der Welt - hätten Journalisten immer wieder eine wichtige Rolle gespielt, wenn es um das Aufdecken von Korruption ging. „Es ist verstörend, dass Modi uns jetzt alle auf Abstand hält.“ Aber sie glaubt, dass sich die Journalisten nicht so einfach geschlagen geben werden. „Wir wissen, wie Medien eine Person hochjubeln, aber auch dann genauso schnell wieder stürzen können.“

Doreen Fiedler, dpa

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