„Zeit für eine Kehrtwende“
Die US-Bürger - jene, die wählen gegangen sind - haben die Kongresswahlen dazu genutzt, den Demokraten eine schallende Ohrfeige zu versetzen. Sie zielten damit aber vor allem auf Präsident Barack Obama, der selbst nicht zur Wahl stand, aber mit dessen Politik die Wähler nun abrechneten - so, wie das die Republikaner im Wahlkampf getrommelt und die Demokraten befürchtet hatten.
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Noch sind die USA weit von einem offiziellen Ergebnis der Kongresswahlen entfernt. Doch schon seit Mittwochfrüh ist klar, dass die schlimmsten Befürchtungen der Demokraten noch übertroffen wurden: Sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus ist den Republikanern die Mehrheit nicht mehr zu nehmen. Entscheidend für den Wahlausgang war wohl die Wahlbeteiligung: Hier dürfte es den Republikanern deutlich besser gelungen sein, ihre Anhänger zu mobilisieren, während zahlreiche frühere Obama-Wähler zu Hause blieben.
„Lame Duck“
Dem 2008 von einer Welle der Euphorie ins Weiße Haus getragenen Obama steht nun zur Mitte seiner zweiten Amtszeit das Schicksal einer „Lame Duck“ („lahme Ente“) bevor. „Es ist Zeit für eine Kehrtwende in diesem Land“: Mit diesen Worten kündigte etwa der republikanische Senatsführer Mitch McConnell in seiner Siegesrede harte Auseinandersetzungen mit Obama und den Demokraten, aber auch Kompromissbereitschaft an.

APA/EPA/Mark Lyons
McConnell in der Wahlnacht vor jubelnden Anhängern
Neue Rolle für Republikaner
Die Republikaner sind nun allerdings in einer neuen Rolle, die für sie selbst parteiintern - sprich: Auseinandersetzung mit den „Tea-Party“-Anhängern - eigene Schwierigkeiten mit sich bringen könnte. Denn mit der Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses sind die Republikaner viel stärker zu einer konstruktiven Politik verpflichtet als in den letzten Jahren, da sie sich vor allem als Radikalopposition definierten und sich in den großen Fragen - Gesundheitsreform und Zuwanderung - völlig kompromisslos zeigten. Das könnte die intern gespaltene Partei in neue Turbulenzen stürzen.
Midterm-Wahlen
Jeder der 50 US-Bundesstaaten stellt zwei Senatoren, die in der Regel auf sechs Jahre direkt gewählt werden. Alle zwei Jahre wird etwa ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Im Repräsentantenhaus mit 435 Sitzen sind die Bundesstaaten gemäß ihrer Bevölkerungszahl vertreten. Es wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt.
Das sprach auch der neue starke Mann der Republikaner, McConnell, noch in der Wahlnacht an: Zwar würden die politischen Differenzen zwischen dem Präsidenten und den Republikanern nicht über Nacht verschwinden. „Aber wir haben die Verpflichtung zu einer Zusammenarbeit in Fragen, in denen eine Einigung möglich ist“, so McConnell.
Auch Obama reagierte bereits und lud die Kongressspitzen beider Parteien für Freitag zu einem Treffen im Weißen Haus ein. Zuvor hatte er den sich abzeichnenden Wahlausgang im Radiosender WNPR als „schlimmstmögliche“ Situation für seine Partei seit der Zeit von Präsident Dwight Eisenhower in den 1950er Jahren bezeichnet. Will Obama versuchen, mit dem Kongress Gesetze zu verabschieden, wird er sich in der Sache viel kompromissbereiter geben müssen, als bisher. Bei Themen wie Klimaschutz und Einwanderung könnte Obama auch handeln, indem er mit Gesetzeserlässen den Kongress umgeht.
Eindeutige Hochrechnungen
Laut übereinstimmenden Hochrechnungen aller großen TV-Sender nahmen die Republikaner den Demokraten mindestens sieben Senatssitze ab und übertrafen damit sogar die nötige Mehrheit von 51 von 100 Mandaten im Senat um zumindest einen Abgeordneten. Zusätzlich zum umkämpften Senatssitz im US-Bundesstaat Iowa errangen die Republikaner auch einen überraschenden Sieg in North Carolina, wo sich Herausforderer Thom Tillis in einem knappen Rennen gegen die demokratische Amtsinhaberin Kay Hagan durchsetzte.
Die Entscheidung hatte zuvor bereits Iowa gebracht, wo sich laut den Hochrechnungen von CNN, NBC, ABC und Fox News die Republikanerin Joni Ernst knapp gegen ihren demokratischen Gegner Bruce Braley durchsetzte. Der bisherige Senator stand nicht zur Wiederwahl. Im Abgeordnetenhaus erhöhten die Republikaner ihre Mehrheit von 234 auf mindestens 244 Sitze, so jüngste Hochrechnungen. 36 der 100 Senatorensitze, alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 36 Gouverneure standen zur Wahl.
Bisher teuerste Kongresswahl
Der Kongresswahlkampf war der bisher teuerste aller Zeiten. Nach Berechnungen des unabhängigen Center for Responsive Politics kostete der Wahlkampf aller Kandidaten insgesamt rund 3,67 Milliarden Dollar (2,94 Mrd. Euro). In vielen Wahlwerbespots ging es darum, den politischen Gegner zu diskreditieren. Außer den Senatoren, den Abgeordneten und zahlreichen Gouverneuren wurden Bürgermeister in 172 Städten gewählt. Darüber hinaus gab es in vielen Bundesstaaten Referenden zu sachpolitischen Fragen.
Endgültiges Ergebnis erst am 6. Dezember
Wegen eines „toten Rennens“ im US-Bundesstaat Louisiana wird das endgültige Ergebnis der Senatswahl erst am 6. Dezember feststehen. Da laut Hochrechnungen keiner der Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit erreichte, muss es dort am 6. Dezember eine Stichwahl geben. Weder der Republikaner Bill Cassidy noch die amtierende demokratische Senatorin Mary Landrieu oder einer der sechs anderen Kandidaten kamen auf die erforderliche Zahl der Stimmen. Die Republikaner könnten ihren Vorsprung damit noch ausbauen.
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