Irreführende Maximalwerte
Die vierte Mobilfunkgeneration Long Term Evolution (kurz LTE oder 4G) ermöglicht eine wesentlich höhere mobile Internetgeschwindigkeit - so weit die technischen Tatsachen. Doch was bekommen Kunden aktuell beim Kauf eines LTE-Pakets tatsächlich? Kann LTE-Internet für zu Hause mit der DSL-, Kabel- und Glasfaserkonkurrenz mithalten? Wie steht es um Empfang und Verfügbarkeit? ORF.at hat recherchiert, was die Mobilfunker gerne für sich behalten.
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Der Datenkonsum via Smartphone nimmt stark zu, vor allem das Schauen von YouTube-Videos und auch die Nutzung von Videostreamingdiensten wird den Traffic in den nächsten Jahren weiter in die Höhe treiben. Die Mobilfunkbetreiber müssen ihre Netze entsprechend ausbauen, um ihren Kunden hohe Geschwindigkeit und geringe Downloadzeit zu ermöglichen. Österreichs Mobilfunkbranche investiert daher Milliarden in den Auf- und Ausbau des neuen Standards LTE, der eine wesentlich schnellere Datenübertragung ermöglicht. Derzeit sind Übertragungsraten von 150 Megabit pro Sekunde möglich, in der weiteren Ausbaustufe 300 Megabit pro Sekunde.
LTE als Internet für zu Hause
Neben der Nutzung als Datenturbo am Handy, hat LTE den Vorteil, dass es dank der hohen Geschwindigkeit auch als Internetvollanschluss zu Hause genutzt werden kann. Besonders praktisch scheint diese Möglichkeit, wenn man zwischen zwei Wohnsitzen pendelt. Statt zwei Breitbandanschlüsse zu bezahlen, bietet es sich an, das LTE-Modem einfach mit ins Wochenendhaus zu nehmen - mit einer wesentlichen Einschränkung: Der Empfang muss an beiden Standorten gegeben sein.
Schwierige Suche nach bestem Empfang
Den Kunden wird es dabei nicht einfach gemacht. Wer das viel beworbene schnelle Internet als Alternative zu einem ADSL-, Kabel- oder Glasfaseranschluss bei sich zu Hause nutzen will, steht schon bei der Wahl des Betreibers mit dem besten Empfang vor einem Problem. Die Mobilfunker bieten zwar allesamt Onlinelandkarten mit farblich markierter Netzabdeckung an, bei denen die Adresse eingegeben werden kann und so ermittelt wird, ob ein LTE-Netz an dem Standort verfügbar ist.
Doch besonders aussagekräftig ist diese Information nicht. „Der Empfang hängt immer davon ab, wo man sich aufhält,“ so Konsumentenschützerin Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer (AK) Wien. „Vor allem im Indoorbereich können Wände Barrieren darstellen, die den Empfang schmälern oder ganz verhindern.“ Gerade wenn man LTE vorwiegend zu Hause nutzen will, ist das ein echtes Hindernis.
„Illusorische Maximalwerte“
Auch die beworbene Internetgeschwindigkeit ist laut der AK-Expertin als illusorisch anzusehen. Die heimischen Betreiber versprechen allesamt LTE-Übertragungsraten von derzeit bis zu maximal 150 Mbit/s (Megabits pro Sekunde). Knackpunkt ist hier der Zusatz „bis zu“. Denn erreicht werden solche Geschwindigkeiten nur unter theoretischen Optimalbedingungen, in Wirklichkeit liegen sie weit davon entfernt.
Neben dem genauen Standort (im Freien oder drinnen) spielt auch eine Rolle, ob der Nutzer in Bewegung ist oder an einem Platz bleibt. Zudem nimmt die Geschwindigkeit ab, je mehr Nutzer gerade in der jeweiligen LTE-Mobilfunkzelle eingebucht sind. „Wir wünschen uns hier deutlich mehr Transparenz von den Anbietern. Statt illusorischer Maximalwerte ist es an der Zeit aussagekräftige Mindest- oder tatsächlich erzielte Durchschnittswerte zu nennen,“ so Zimmer.
Wie viel von 150 Mbit/s bleibt
Während „3“ und T-Mobile auf Anfrage von ORF.at keine Angaben zur üblichen LTE-Durchschnittsgeschwindigkeit in ihren Netzen machen wollten, gab A1 als einziger Betreiber Auskunft und bezifferte diese mit 30 bis 80 Mbit/s. Bei Nutzern von Onlineforen wie etwa LTEforum.at ist allerdings teils von einer viel geringeren Geschwindigkeit die Rede. Einen Eindruck kann hier auch der Netztest der Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde (RTR) geben, die in unregelmäßigen Abständen Messungen sämtlicher Betreiber durchführt. Die kompletten Datensätze des Netztests sind auch als „Open Data“ abrufbar. Die Benutzerfreundlichkeit der RTR-Onlinekarte ließ im ORF.at-Test allerdings zu wünschen übrig und verwirrte mit Fachausdrücken und komplizierten Filtereinstellungen.
50 Euro für „bis zu“ 150 Mbit/s Download
Ein LTE-Tarif mit einer Geschwindigkeit von „bis zu“ 20 Mbit/s Down- und fünf Mbit/s Upload kostet bei allen drei Betreibern 20 Euro im Monat. Bei A1 wird das Datenvolumen dabei auf zehn Gigabyte begrenzt, danach wird gedrosselt, bei T-Mobile gibt es 40 GB inklusive, „3“ verzichtet als einziger Anbieter auf eine Datenvolumenbegrenzung und bietet eine Flatrate.
Der teuerste Tarif mit „bis zu“ 150 Mbit/s Down- und 50 Mbit/s Upload kostet bei A1 mit 30 GB Datenvolumen 50 Euro im Monat, bei T-Mobile mit 100 GB Datenvolumen 50 Euro im Monat und bei „3“ mit unlimitierter Flatrate 45 Euro monatlich. Zudem fällt bei allen Betreibern eine jährliche Basisgebühr von 20 Euro an.
Weniger Geschwindigkeit bei „3“ ab 2015
„3“-Kunden droht jedoch eine Geschwindigkeitseinbuße ab Juni 2015. Dann will der Betreiber „Leistungsklassen“ einführen, welche bei hoher Netzauslastung die Nutzer verschieden priorisieren. Bis zu 15 Prozent der verfügbaren Bandbreite können nicht bevorzugte Nutzer dadurch verlieren. Die Intransparenz wird damit auf die Spitze getrieben. „Hier ist der Regulator aufgerufen, gesetzliche Beschränkungen für eine solche Priorisierung und Regeln für eine Überprüfbarkeit festzulegen,“ sagt AK-Expertin Zimmer. Die Leistungsklassen laufen auch dem Prinzip der Netzneutralität zuwider, das eine Gleichbehandlung aller Internetinhalte bezeichnet.
Drei Viertel mit Bandbreite von zwei bis 30 Mbit/s
Zum Vergleich: Laut RTR machen Anschlüsse mit Bandbreiten zwischen zwei und 30 Mbit/s derzeit rund drei Viertel aller Breitbandanschlüsse in Österreich aus. Höhere Bandbreiten (über 30 Mbit/s) machen etwa 14,8 Prozent aus, Anschlüsse mit niedrigen Bandbreiten (unter zwei Mbit/s) bildeen die übrigen 10,1 Prozent. Im Gegensatz zu den LTE-Paketen sind die ADSL-, Kabel- und Glasfaseranschlüsse allerdings unlimitiert und erreichen üblicherweise ihre versprochenen Geschwindigkeiten.
Tipp: Testgerät und Rückgaberecht einfordern
Dem Kunden bleibt derzeit eigentlich nur der Kauf der „Katze im Sack“, um das LTE-Netz daheim ausprobieren zu können. Doch was tun, wenn der Empfang enttäuscht, aber der Vertrag bereits abgeschlossen ist? Auf Anfrage von ORF.at gab T-Mobile an, seinen Kunden ein 14-tägiges Rückgaberecht einzuräumen. In diesen zwei Wochen kann das LTE-Gerät zu Hause getestet werden. Ist der Kunde mit der erreichten Geschwindigkeit nicht zufrieden, kann er es wieder retournieren, und es fallen keine Kosten an. „3“ gewährt das ebenfalls, allerdings nur bei Onlineneuanmeldung. LTE-Zusatzpakete für das Smartphone können bei „3“ frühestens nach dem ersten Monat gekündigt werden.
Bei A1 können Interessierte einen A1 LTE-Router ausborgen und so den Empfang am geplanten Nutzungsort testen. Auch hier übt Konsumentenschützerin Zimmer Kritik und sieht einen klaren Aufholbedarf: „Derzeit müssen die Kunden selber daran denken, ein Testgerät einzufordern. Die Mitarbeiter in den Handyshops bieten das nicht von allein an.“ Auch über das zweiwöchige Rückgaberecht werde man meist nicht ausreichend informiert. Zimmer fordert eine umfassendere Aufklärung der Kunden in den Handyshops.
Nach Datentransfer kommt Sprachtelefonie
Die Betreiber bauen unterdessen weiter aus. Bis Jahresende soll das LTE-Netz von „3“ laut eigenen Angaben sämtliche größere Städte inklusive Umland und damit mehr als 50 Prozent der Bevölkerung erreichen. Im Laufe des Jahres 2015 peilt der Betreiber eine 4G-Versorgung von 98 Prozent an. Bei T-Mobile sieht man derzeit rund 30 Prozent der Bevölkerung mit LTE versorgt. In drei Jahren sollen etwa 95 Prozent der Bevölkerung LTE von T-Mobile zur Verfügung stehen. Marktführer A1 versorgt schon jetzt laut Eigenangaben die Hälfte der österreichischen Bevölkerung mit 4G/LTE und beansprucht damit derzeit das größte LTE-Netz des Landes für sich. Bisher werden hierzulande ausschließlich Daten über LTE übertragen, in weiterer Folge soll die Technik der vierten Generation das aktuelle 3G-Netz ablösen und auch Sprachtelefonie (Voice over LTE, VoLTE) ermöglichen.
Beate Macura, ORF.at
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