Bald neue Sanktionen gegen Russland?
Kiew hat sich entschlossen gezeigt, die von Separatisten gehaltenen Gebiete in der Ostukraine wieder in den Staatsverband einzugliedern. „Tatsächlich sind einige Regionen der Ostukraine unter Kontrolle von prorussischen Terroristen und russischen Truppen. Das sind aber ukrainische Regionen und wir werden sie uns zurückholen“, sagte Außenminister Pawel Klimkin der deutschen „Bild“-Zeitung.
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Klimkin warnte nach den umstrittenen Wahlen in den selbst proklamierten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk vor einem Zerfall der Ukraine. Kiew werde die Ostukraine wieder voll in seinen Machtbereich aufnehmen.
Poroschenko schickt weitere Soldaten
Präsident Petro Poroschenko kündigte am Dienstag im nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat an, weitere Soldaten in den Osten des Landes zu schicken. Sie sollten mögliche Angriffe auf Städte wie Mariupol, Charkiw und den Norden von Lugansk abwehren, sagte Poroschenko laut Interfax.
Am Montagabend hatte Poroschenko außerdem den Separatisten in ihren Hochburgen mit der Aufkündigung des Friedensprozesses gedroht. Er erwägt insbesondere, ein Gesetz zurückzunehmen, das den Separatisten für drei Jahre eine Teilautonomie und Amnestie gewährt. Das Gesetz habe darauf gezielt, Unterstützung für den Frieden zu mobilisieren, sagte er. Doch hätten die Wahlen am Sonntag „den gesamten Friedensprozess in Gefahr gebracht“.
„Mehr Druck auf Kreml“
Klimkin forderte den Westen zu einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland auf. „Wenn die westliche Welt es will, dass Russland auf ihre Meinung Wert legt und die gemeinüblichen internationalen Regeln einhält, wäre ein logischer weiterer Schritt, mehr Druck auf den Kreml mit allen möglichen Mitteln auszuüben. Dazu gehören auch Sanktionsverschärfungen.“
Der in Minsk vereinbarte Friedensprozess sei durch die Abstimmungen in der Ostukraine vom Sonntag ins Wanken geraten, so der ukrainische Politiker: „Ich weiß nicht, ob wir hier von einem vollen Scheitern sprechen können. Aber die Anerkennung der Wahlen von Russland erschwert die weitere Erfüllung der Minsker Vereinbarungen erheblich.“
USA warnen Moskau vor weiterer Isolierung
Nach der Europäischen Union verurteilten auch die USA die in der Ostukraine abgehaltenen Wahlen als illegal und wollen sie ebenfalls nicht anerkennen. Die Abstimmungen seien „Scheinwahlen“ und widersprächen der ukrainischen Verfassung und sämtlichen Wahlnormen, erklärte der Nationale Sicherheitsrat.
Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, rief Russland dazu auf, die Wahlen nicht zu respektieren, und warnte Moskau vor einer weiteren Isolierung. Noch deutlicher wurde eine US-Präsidialamtssprecherin: Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland würden erneut verschärft, sollte die Regierung in Moskau weiterhin ihre Zusagen aus dem Minsker Friedensplan missachten.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte sich beunruhigt, dass erneut russische Truppen an die Grenze zur Ukraine herangerückt seien. Russland unterstütze die Separatisten zudem weiter durch Ausbildung und Material, erklärte Stoltenberg. Außerdem seien russische Spezialeinheiten im Osten der Ukraine aktiv.
EU-Kommission berät über Sanktionen
Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel drohte Russland mit einer neuen EU-Sanktionsrunde. „Wenn sich die Lage verschärft, kann es auch erforderlich werden, über eine erneute Verschärfung der Sanktionen nachzudenken“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte Moskau davor, die Separatisten weiter zu ermuntern. „Ich hoffe, dass Russland jenseits der öffentlichen Erklärungen nichts unternimmt, um das Wahlergebnis zum Anlass zu nehmen, die Separatisten in der Ostukraine zu ermuntern, ihren Weg in die Unabhängigkeit tatsächlich fortzusetzen“, so Steinmeier.
Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini äußerte allerdings Zweifel an der Wirksamkeit von Strafmaßnahmen. Diese wirkten sich zwar spürbar auf die russische Wirtschaft aus, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). „Aber die offene Frage ist immer noch, ob Moskau seine Politik deshalb ändern wird.“ Festhalten will Mogherini an den Strafmaßnahmen trotzdem. Die EU-Kommission werde in den kommenden Tagen über weitere Maßnahmen beraten.
Moskau sieht Separatisten mit Kiew „gleichberechtigt“
Russland hatte die Führung in Kiew zuvor zu sofortigen Verhandlungen mit den Separatisten aufgefordert. Die ukrainische Regierung müsse ihre militärische „Anti-Terror-Aktion“ für beendet erklären und mit den Anführern der „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk einen „gleichberechtigten“ Dialog beginnen, so Vizeaußenminister Grigori Karassin am Montag.

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Rebellenführer Alexander Sachartschenko mit Bodyguards in Donezk
Die Wahlen hätten den Vertretern der Unruheregionen das Mandat für breite Verhandlungen mit der prowestlichen Zentralregierung gegeben. Karassin bekräftigte der Nachrichtenagentur TASS zufolge, dass Moskau die Abstimmung der prorussischen Aufständischen anerkenne. Sollten die EU und die USA auf diese Haltung mit weiteren Sanktionen gegen Russland reagieren, wäre das ein großer Fehler. Nur ein Dialog könne helfen, die Krise zu lösen, so der Außenpolitiker Andrej Klimow in Moskau. Moskau erwarte nun, dass Kiew den Urnengang im Donbass anerkenne und die „Republikchefs“ Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki als vollwertige Verhandlungspartner akzeptiere.
Sachartschenko legte Eid als „Präsident“ ab
Sachartschenko legte am Dienstag einen Eid als „Präsident“ der „Volksrepublik“ Donezk ab. Er schwöre, dass er den Menschen der dort proklamierten „Republik“ dienen werde, sagte der 38-Jährige bei einer Zeremonie im zentralen Theater von Donezk.
Die prorussischen Separatisten sahen sich nach den umstrittenen Wahlen in ihrem Konflikt mit der Führung in Kiew gestärkt. „Wir haben jetzt eine legitime Führung. Der Donbass gehört nicht mehr zur Ukraine - ob das jemandem nun gefällt oder nicht“, sagte „Wahlleiter“ Roman Ljagin am Montag in Donezk. In den nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk ließen sich Sachartschenko und Plotnizki als Wahlsieger bestätigen. Nach Auszählung aller Wahlzettel kam Plotnizki in Lugansk auf 440.613 Stimmen oder 63,8 Prozent und lag damit vor seinen drei Mitbewerbern. Sachartschenko wurden 75,6 Prozent beziehungsweise 765.340 Stimmen zugesprochen. Er hatte zwei Gegenkandidaten.

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Zivilistin in einem zerbombten Dorf in der Nähe von Donezk
NATO will Truppen in Osteuropa aufstocken
Angesichts der Lage bat der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, Philip Breedlove, das US-Verteidigungsministerium um mehr Truppen und Ausrüstung. Wegen des zunehmenden Drucks in Osteuropa und der im Baltikum, in Polen und in Rumänien getroffenen Sicherheitsmaßnahmen seien zusätzliche rotierende Truppen nötig, sagte Breedlove am Montag laut einem Bericht des Magazins „Defense News“. Er warnte, dass sich die Allianz in der Ukraine-Krise einem „strategischen Wendepunkt“ mit Moskau nähere. Die sieben russischen Brigaden hätten die Grenze zu ihrem westlich gelegenen Nachbarland teils nahezu beseitigt.
Angriff auf zwei OSZE-Drohnen
Unterdessen wurde bekannt, dass zwei Drohnen, die von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Osten der Ukraine zur Überwachung des Minsker Waffenstillstandsabkommens eingesetzt werden, in den vergangenen Tagen attackiert wurden. Zu einem Absturz sei es jedoch in beiden Fällen nicht gekommen, sagte eine Sprecherin der OSZE-Sonderüberwachungsmission gegenüber der APA.
Die Attacken auf die Drohnen des österreichischen Herstellers Schiebel wurden am Montag durch eine Wortmeldung von OSZE-Chefüberwacher Ertugrul Apakan in Wien bekannt. Am Mittwoch sei eine Drohne während eines Angriffs prorussischer Rebellen auf einen ukrainischen Checkpoint nördlich der ukrainischen Stadt Mariupol attackiert worden. „Die Funkverbindung wurde blockiert. Mit der Drohne ist aber alles in Ordnung, sie ist zur Basis zurückgekehrt“, sagte eine OSZE-Sprecherin der APA. Am Sonntag sei es 17 Kilometer östlich der Hafenstadt zu Raketenbeschuss gekommen, sagte die Sprecherin weiter. Auch in diesem Fall sei die Drohne nicht beschädigt worden.
Bei den Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungstruppen und den Separatisten starben seit April mehr als 4.000 Menschen. Trotz einer Waffenruhe kommt es fast täglich zu neuem Blutvergießen.
Ukraine zahlte erste Rate von Gasschulden
Die Ukraine bezahlte indes eine erste Rate ihrer Gasschulden an Russland. Es seien 1,45 Milliarden Dollar (etwa 1,16 Milliarden Euro) überwiesen worden, teilte der ukrainische Energiekonzern Naftogas am Dienstag mit. Insgesamt sollen bis zum Jahresende 3,1 Milliarden Dollar bezahlt werden.
Kiew und Moskau hatten am Donnerstag ihren monatelangen Gasstreit beigelegt und in Brüssel ein unter EU-Vermittlung zustande gekommenes Abkommen unterzeichnet. Dieses sieht die Bezahlung ukrainischer Schulden sowie russische Gaslieferungen bis mindestens März gegen Vorkasse vor.
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