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Über ein Dutzend Fälle

Irgendjemand lässt - soweit bekannt - seit spätestens dem 5. Oktober in relativ regelmäßigen Abständen Drohnen über Atomkraftanlagen in Frankreich aufsteigen. Wer und warum, ist die Frage, die derzeit das ganze Land nicht nur beschäftigt, sondern auch beunruhigt. Am Samstag wurden mindestens fünf weitere Vorfälle bekannt.

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Freitagnacht überflogen unbemannte Flugobjekte fünf Nuklearanlagen im Norden sowie in Mittelfrankreich. Wie der Nachrichtenagentur dpa am Samstag aus der Atomindustrie bestätigt wurde, war darunter auch das umstrittene Kraftwerk Fessenheim nahe der deutschen Grenze.

Am Vortag waren die Nuklearanlagen Penly am Ärmelkanal im Westen und Golftech im Südwesten des Landes betroffen. Die Tageszeitung „Le Monde“ zählte am Freitag die gesamte Serie auf: Begonnen habe diese am 5. Oktober über dem stillgelegten AKW Creys-Malville („Superphenix“) an der Rhone in Ostfrankreich.

Das stillgelegte AKW Creys-Malville

Reuters

Serie begann vor über drei Wochen am stillgelegten Standort Creys-Malville

Über mindestens sechs weiteren Nuklearanlagen im ganzen Land seien dann zwischen dem 13. und 20. Oktober die mysteriösen Drohnen aufgetaucht, über manchen gleich mehrfach: Blayais (Westküste nahe Bordeaux), Nogent-sur-Seine (Region Champagne-Ardenne), Cattenom nahe der deutschen Grenze, Chooz unmittelbar an der Grenze zu Belgien, Gravelines am Ärmelkanal und Le Bugey (Region Rhone-Alpes).

Heißt „neutralisieren“ Abschuss?

Der Nukleartechnikkonzern Areva erklärte laut „Le Monde“, es habe „nie eine Bedrohung der Sicherheit“ der Anlagen bestanden. EDF erstattete Anzeige, Innenminister Bernard Cazeneuve kündigte an, es würden Maßnahmen ergriffen, die Fluggeräte unbekannter Herkunft zu „identifizieren“ und zu „neutralisieren“. Der „Figaro“ interpretierte das als Radikalmaßnahme: ihren Abschuss.

Die unheimliche Serie habe die Behörden vor eine bisher nie da gewesene Situation gestellt. Der Sprecher der französischen Luftwaffe, Oberst Jean-Pascal Breton, relativierte die Gefährlichkeit der Flugkörper. Diese seien sehr klein, Minidrohnen nannte sie Breton.

Fehlen von Forderungen „beunruhigend“

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die in Verdacht geraten war, in irgendeiner Form für eine Anti-AKW-Kampagne mit der Sache zu tun zu haben, wies jede Verantwortung dafür zurück und schätzte die Causa laut „Le Monde“ als Teil „irgendeiner Operation großen Ausmaßes“ ein. Gegenüber dem „Figaro“ kritisierte die Umweltschutzorganisation die EDF und die Behörden zugleich, da man offensichtlich nicht imstande war, die Drohnen abzufangen.

Kraftwerk "Nogent-sur-Seine"

Reuters/Jacky Naegelen

Rund um die AKWs (im Bild: Negent-sur-Seine) gilt ein Sicherheitsradius

Nicht zuletzt ist natürlich auch in Frankreich die Terrorangst präsent, insbesondere wegen der zahlreichen Warnungen vor möglichen Anschlagsplänen der Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS). Normalerweise würden mit derartigen Aktionen Forderungen einhergehen, sagte die Sprecherin der Anti-Atomkraft-Organisation Burestop 55, Nadine Schneider, gegenüber dem Figaro. Gerade deren Fehlen sei „bedenklich und beunruhigend“.

„Art der Bedrohung nicht ins Auge gefasst“

Ähnlich sieht das die Umweltschutzorganisation Sortir du nucleaire, die für einen Atomausstieg eintritt. Auch dort glaubt man nicht, dass die Verantwortlichen unter Nukleargegnern zu suchen seien. Es sei außerdem „noch beunruhigender, dass sie (die Aktionen, Anm.) anscheinend sehr stark koordiniert sind“. Von einer weiteren französischen Umweltschutzorganisation, Robins des Bois, hieß es im „Figaro“, „diese Art der Bedrohung“ sei offenbar nicht ins Auge gefasst worden, als man die französischen AKWs baute.

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