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Die Schattenseite des Ruhms

Drogen, Alkohol und ein Leben mit viel Stress und wenig Grenzen: Das oft als glamourös angesehene Leben als Rock- und Popstar hat für viele Künstler auch viele Schattenseiten. Die australische Psychologieprofessorin Diana Kenny will mit einer Studie an der Universität von Sydney nun belegt haben, dass das Leben auf der Überholspur sein Tribut fordert. Popstars leben im Schnitt 25 Jahre weniger als die US-amerikanische Durchschnittsbevölkerung.

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Wie Kenny im Wissenschaftsportal The Conversation berichtete, untersuchte die Forscherin für ihre Studie Biografien von über 12.600 Popmusikern aller Genres, die zwischen 1950 und 2014 verstorben sind. Sie teilte die Todesursachen in drei Kategorien - Suizid, Mord und Unfall - und verglich deren Häufigkeit mit jenen der entsprechenden Durchschnittsbevölkerung, im jeweils selben Alter und in der entsprechenden Dekade.

Statistische Daten für Forscherin „verstörend“

Die Ergebnisse bezeichnet Kenny als „verstörend“. Über sieben Jahrzehnte hinweg haben erfolgreiche Popmusiker der Studie zufolge eine Lebenserwartung, die bis zu 25 Jahre kürzer ist als jene der Vergleichsgruppe. Das Unfallrisiko ist demnach fünf- bis zehnmal, die Suizidrate zwei- bis siebenmal so hoch. Aber auch die Gefahr, Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, ist für prominente Musiker signifikant größer - nämlich bis zu achtmal.

Buddy Holly mit seinem Bassisten Joe B.Mauldin

Corbis/Sunset Boulevard

Auch die Gefahr, zu verunglücken, ist für Musiker laut Studie größer: Buddy Holly kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben

Betrachtet man das von Kenny erhobene Datenmaterial genauer, dann gibt es aber auch positive Neuigkeiten: Die Unterschiede zwischen Popstars und Normalbevölkerung werden kontinuierlich weniger (bei ungefähr gleichbleibenden Werten unter der Vergleichsgruppe). Sind die 1950er und 1960er Jahre noch jene Dekade, in der tragische Flugzeugabstürze und Autounfälle zu einem zu frühen Tod von Musikern führten - man denke an Patsy Cline und Buddy Holly -, sind in den 1990er Jahren ein auffälliger Anstieg von Suiziden und vermehrte Tode durch Gewaltverbrechen zu beobachten.

„Club 27“ nur zufällige Häufung früher Tode

Der legendäre „Club 27“, dem u. a. Kurt Cobain, Jimi Hendrix, Jim Morrison, Janis Joplin und Amy Winehouse angehören, ist - zu diesem Schluss kommt nun auch Kelly - nur ein Mythos. Ein Forscherteam unter Leitung von Adrian Barnett von der Universität Queensland in Australien hat das Phänomen bereits einige Jahre zuvor untersucht und festgestellt, dass es exakt im Alter von 27 Jahren keine signifikante Häufung gibt.

Jimi Hendrix

AP/Bruce Fleming

Jimi Hendrix ist nur einer von vielen Stars, die zum „Club 27“ gezählt werden

Die Autoren der im „British Medical Journal“ veröffentlichten Studie hatten die Sterblichkeit von mehr als 1.000 Musikern analysiert, die von 1956 bis 2007 mindestens ein Nummer-eins-Album in Großbritannien hatten. Insbesondere betrachteten sie diejenigen 522 Musiker, die bereits vor ihrem 27. Geburtstag berühmt waren und daher nach Forscherangaben ein erhöhtes Todesrisiko hatten. Das Ergebnis: Von 100 dieser Musiker starben statistisch gesehen 0,56 im Alter von 25 Jahren, 0,57 mit 27 und 0,54 mit 32 Jahren. Ein signifikanter Ausschlag bei 27-jährigen Künstlern lasse sich daraus nicht ableiten, schreiben die Forscher.

Interessanterweise gab es viel weniger frühe Todesfälle in den späten 1980er Jahren. Die Wissenschaftler nennen dafür zwei mögliche Gründe: Es könnte an besseren Behandlungsmethoden für die Folgen von Heroinmissbrauch liegen - oder an der Tatsache, dass die Musikszene sich vom Hardrock der 1970er zum Pop der 1980er Jahre wandelte.

Bandmitglieder weniger gefährdet

Andere Forscher haben vor zwei Jahren herausgefunden, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob die Musiker als Solisten oder als Teil einer Band zu Ruhm kamen. Laut einer in der medizinischen Fachzeitschrift „BMJ Open“ veröffentlichten Studie ist der Anteil der frühzeitig verstorbenen Solomusiker doppelt so hoch wie der jener Rockstars, die zu einer berühmten Gruppe gehörten.

Die Wissenschaftler untersuchten das Schicksal von knapp 1.500 Rock- und Popstars, die zwischen 1956 und 2006 berühmt wurden. Rund neun Prozent von ihnen verstarben vorzeitig, in Nordamerika mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren und in Europa im Durchschnittsalter von knapp 40 Jahren. In fast 40 Prozent der Fälle waren Drogenkonsum und Autounfälle die Todesursache. Während in den USA aber 23 Prozent der verstorbenen Solomusiker die durchschnittliche Lebenserwartung nicht erreichten, waren es bei Musikern in Bands nur zehn Prozent. In Europa betrug der Anteil knapp zehn Prozent gegen fünf Prozent.

Musikindustrie muss Künstler unterstützen

Über die Gründe für das statistisch gesehen kürzere Leben von Musikern schreibt Kenny nun jedoch auch nur sehr vage. „Die Popmusikszene scheitert daran, Grenzen aufzuzeigen“, fasst sie zusammen. Skandalträchtige Biografien seien nach wie vor eher erwünscht denn verpönt.

Die Studienergebnisse würden aufzeigen, dass die Musikindustrie umdenken und vor allem Wege finden müsse, wie Newcomer Depressionen und Suchtverhalten - ausgelöst durch Stress und die permanente Ausnahmesituation eines anstrengenden Tourlebens - vermeiden könnten.

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