Engagement, „das nicht immer reichte“
Die große Liebe wurde es auch zum Abschluss nicht: Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso hat sich am Dienstag mit einer Rede vom Europaparlament verabschiedet. Der Rückblick auf seine zehn Jahre im Amt geriet dabei im Wesentlichen zu einer Verteidigungsrede. „Anstelle einer Rede dachte ich, ich teile mit Ihnen meine Gefühle und Emotionen“, eröffnete Barroso seinen Vortrag.
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„Vergessen Sie bitte nicht, wo wir standen“, appellierte der Kommissionschef an die Mandatare, die er als „Kollegen“ ansprach. Schließlich hätten Kommission und Parlament meist Seite an Seite für die Integration Europas gekämpft. Man habe zehn Jahre an Krisen und deren Lösungen hinter sich gebracht - von der Verfassungskrise zu Beginn über die Finanzkrise bis zur Russland-Ukraine-Thematik. Und heute stünde die EU entgegen aller Unkenrufe durch die Erweiterung nicht handlungsunfähig da.
„Außergewöhnliche und herausfordernde Zeiten“
Er habe sich dabei immer gegen den „internationalen Glamour des Pessimismus“ gestellt, versicherte Barroso: „Heute würde niemand in der Welt mehr auf ein Ende des Euro wetten.“ Es habe Momente der Unsicherheit und des Zweifels gegeben, aber die EU habe ihre Prinzipien gewahrt. „Es waren außergewöhnliche und herausfordernde Zeiten“, so der Noch-Kommissionschef. Er und seine Kommissare hätten hinter den Kulissen gekämpft wie Löwen und hätten nicht in die öffentliche Kakofonie eingestimmt: „Wahrscheinlich ist diese Kommission diskreter als andere.“
Versöhnlich zeigte sich Parlamentspräsident Martin Schulz, der den Energieaufwand Barrosos unbeschadet aller Differenzen würdigte - für eine Arbeit, die oft zu Unrecht geschmäht werde: „Und die Zusammenarbeit zwischen einem Parlament und einer Exekutive ist immer von großen Spannungen geprägt.“ Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen EVP, konzedierte: „Manche hätten sich manchmal einen lauteren, aggressiveren, pointierten Kommissionspräsident in der öffentlichen Debatte gewünscht.“ Aber der ruhige Teamansatz sei richtig und die Bilanz beeindruckend gewesen. „Wir Europäer schaffen das“ - dies sei das Vermächtnis Barrosos.
Kritik an Barrosos Führungsqualitäten
Kritik kam hingegen von den anderen Fraktionen des Hauses. „Ich will ganz offen sagen, dass die Bilanz, die meine Fraktion von Ihrer Amtszeit zieht, durchaus kritisch ausfällt“, vermisste der Sozialdemokrat Gianni Pittella Impulse für Wachstum und Arbeitsplätze. Er habe immerhin „Achtung“ für das Engagement Barrosos, das leider nicht immer gereicht habe.
Syed Kamall von der Tory-Fraktion ECR kritisierte, dass Barroso trotz Ablehnung der EU-Verfassung nicht die richtigen Schlussfolgerungen in Richtung Dezentralisierung gezogen habe: „Europa könnte besser dastehen, wenn Sie offener gewesen wäre.“ Pavel Telicka, Vize der liberalen ALDE, beklagte: „Es gab einen wirklichen Mangel an Führungsqualität.“ Die Kommission habe es an Initiative vermissen lassen. Barroso habe immer nur von sich selbst gesprochen und die Menschen vergessen, warf ihm Patrick Le Hyaric von der Vereinigten Linken vor: „Sie haben alles für den privaten Sektor geöffnet und sind dabei vor nichts zurückgeschreckt.“
UKIP verlässt Parlamentssaal
Der Kofraktionschef der Grünen, Philippe Lamberts, erinnerte an Barrosos Zustimmung zum Irak-Krieg und ausbleibende Umsetzung der verkündeten Ziele: „Wo ist das Wirtschaftswachstum geblieben?“ Und schließlich wünschte der Anti-Europa-Populist Nigel Farage von der britischen UKIP Barroso eine angenehme Pension, habe der doch immer ehrlicherweise von der EU als Imperium gesprochen. Dass die außertourliche Einbringung einer Resolution, mit der Barroso für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht wurde, von Parlamentspräsident Schulz als zu spät abgelehnt wurde, sorgte zum Abschluss für den Auszug der UKIP aus dem Parlamentssaal.
Das Parlament hatte Barroso am 16. September 2009 für eine zweite Amtszeit gewählt und die gesamte Kommission im Februar 2010 bestätigt. Der neuen EU-Kommission unter dem Luxemburger Jean-Claude Juncker erteilte das Parlament am Mittwoch die Zustimmung - sie soll damit ihre Arbeit am 1. November aufnehmen.
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