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Gezielter politischer Schritt?

Die Vereinigten Staaten werfen der rechtskonservativen ungarischen Regierung Korruption vor und haben deswegen über mehrere Regierungsoffizielle und Geschäftsleute ein Einreiseverbot verhängt.

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Das bestätigte der amerikanische Geschäftsträger in Budapest, Andre Goodfriend, Freitagabend in einem Interview des staatlichen ungarischen Fernsehens. Der Diplomat nannte keine Namen.

Aus Orbans Umfeld?

In ungarischen Medien tauchten Berichte auf, wonach Personen aus dem Umfeld von Ministerpräsident Viktor Orban und führende Beamte der Steuerbehörde von dem Einreiseverbot betroffen sein könnten. Die ungarische Website 444.hu berichtete, auf der Liste befänden sich unter anderen der hochrangige Berater und Vertraute Orbans Arpad Habony und die Leiterin der Steuer- und Finanzbehörde Ildiko Vida. Auch der Leiter eines Wirtschaftsforschungsinstituts, das Orbans Fidesz-Partei nahesteht, Peter Heim, sei betroffen.

Die besagten Personen dementierten das oder äußerten sich nicht dazu. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto forderte Washington dazu auf, umgehend die Beweise vorzulegen, aufgrund derer es die Korruptionsvorwürfe erhoben hat.

„Glaubhafte Informationen“

In der Aussendung der US-Botschaft hieß es, man habe „glaubhafte Informationen, dass diese Personen sich der Korruption schuldig machen oder davon profitieren“. Goodfriend nannte zwar keine Namen, betonte aber, dass es sich um weniger als zehn Personen handle. Einige von ihnen seien Vertreter des Staates.

„Niemand steht über dem Gesetz“, zitierte das „Wall Street Journal“ („WSJ“) die US-Botschaft. Die USA und Ungarn seien sich einig bezüglich einer Nulltoleranzpolitik gegenüber Korruption. Um Korruption bekämpfen zu können, sei ein gesundes System von gegenseitiger institutioneller Kontrolle und Transparenz nötig.

Illegale Deals rund um EU-finanzierte Projekte?

Die ungarische Nachrichtenwebsite 444.hu berichtete unter Berufung auf nicht namentlich genannten Quellen, dass mehreren US-Firmen, die in Ungarn tätig sind, die Teilnahme an öffentlich ausgeschriebenen Aufträgen, die von der EU kofinanziert werden, angeboten worden sei. Bedingung sei demnach aber gewesen, dass bestimmte Berater angestellt oder ungarische Unternehmen als Subunternehmer engagiert werden.

Die Website Hungarian Voice berichtete unter Berufung auf die Zeitung „Napi Gazdasag“, die ungarische Steuer- und Zollbehörde führe Ermittlungen gegen einige US-Unternehmen durch. Hungarian Voice spekulierte, dass die von den USA verhängten Einreiseverbote entweder eine Reaktion auf diese Ermittlungen oder auf Orbans Annäherung an Russland sein könnten.

Die ungarische Website Index.hu berichtete, in den vergangenen eineinhalb Jahren hätten regierungsnahe oder direkt für die Regierung arbeitende Personen versucht, Schmiergelder von US-Unternehmen zu fordern. Die US-Botschaft betonte, die Maßnahme richte sich nicht speziell gegen Ungarn, sondern sei Teil eines verschärften Kampfs der USA gegen Korruption, die Transparenz und demokratische Werte behindere.

Opposition wird aktiv

Am Montag soll auf Initiative der oppositionellen Sozialisten (MSZP) der Parlamentsausschuss für Nationale Sicherheit wegen der Korruptionsvorwürfe und der Einreiseverbote einberufen werden. Dabei soll es laut der Nachrichtenagentur MTI nach Forderungen der MSZP auch zu einer Anhörung des Außenministers hinsichtlich der mit einem Einreiseverbot belegten Regierungsmitglieder und der Regierung nahestehenden Geschäftsleute kommen.

Deutliche Kritik an Orban

Die USA hatten zuletzt die Politik des rechtsgerichteten Premiers Orban wiederholt kritisiert. Dieser hatte etwa in jüngerer Vergangenheit gesagt, die Türkei oder Singapur seien in seinen Augen ein Vorbild, da sie autokratisch, aber auf ihre eigene Weise erfolgreich seien. Insbesondere stößt den USA aber Orbans Russland-freundliche und EU- und US-kritische Haltung im Ukraine-Streit und seine wiederholte öffentliche Kritik an den Sanktionen gegen Moskau auf.

Victoria Nuland, die Europaverantwortliche im US-Außenministerium, hatte erst vor wenigen Tagen Orban indirekt für den „Krebs“ des „demokratischen Rückfalls“ kritisiert. „Obwohl sie von den Vorteilen der NATO- und der EU-Mitgliedschaft profitieren, finden wir Regierungschefs in der Region, die offenbar die Werte, die die Basis für diese Institution sind, vergessen haben“, so Nuland.

Ende September hatte US-Präsident Barack Obama selbst Ungarn in einen Topf mit Russland geworfen - in Bezug auf die Beschränkungen und die Gefahren für die Zivilgesellschaft: „Von Russland bis China und Venezuela sehen wir unablässig das harte Vorgehen und das Verunglimpfen legitimen Protests als subversiv. In Gegenden wie Aserbaidschan macht es die Gesetzeslage NGOs fast unmöglich, überhaupt tätig zu werden. Von Ungarn bis Ägpyten wird die Zivilgesellschaft durch zahllose Regulierungen und offene Einschüchterung immer stärker ins Visier genommen“, so Obama damals.

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