Jeder prozessiert gegen jeden
Der Beinahe-Zusammenbruch der österreichischen Bank Hypo Alpe-Adria hat die Republik Österreich - und auch den Freistaat Bayern - Milliarden gekostet. Die Bayerische Landesbank (BayernLB) gab das marode Institut 2009, zweieinhalb Jahre nach dem Kauf, in einer Notaktion an die Republik ab.
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Wer ist schuld an dem Desaster und wer muss zahlen? Der Streit über diese Fragen beschäftigt Scharen von Juristen vor mehreren Gerichten und gipfelt nun darin, dass die BayernLB den österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) anruft. Nachfolgend ein Überblick über die zahlreichen Verfahren:
BayernLB gegen Republik Österreich
Die Landesbank legte beim VfGH in Wien Beschwerde gegen ein österreichisches Hypo-Sondergesetz ein. Die im Sommer von Österreich beschlossene Bestimmung sieht einen Schuldenschnitt der Hypo vor. Demzufolge sollen bei der Abwicklung des maroden Instituts auch der ehemalige Hypo-Mehrheitseigner BayernLB und die Inhaber von Hypo-Anleihen, die vom Land Kärnten garantiert waren, bluten. Bayern und seine Landesbank kritisieren das als „Enteignung“. Die Beschwerde ist die erste gegen das auch in Österreich umstrittene Gesetz.
BayernLB und Hypo gegeneinander
Die BayernLB und die Hypo streiten sich um mittlerweile rund sechs Milliarden Euro, weil das deutsche Institut seine damalige Tochter mit Krediten gestützt hatte. Die Streitfrage: Muss die Hypo diese Kredite zurückzahlen oder darf sie das Geld wegen ihrer Krise als Eigenkapitalzuschuss behalten? Kompliziert wird die Auseinandersetzung dadurch, dass die Hypo bereits einen Teil der Summe nach München zurücküberwiesen hat und dann ihre Meinung änderte.
Nun will sie nicht weiter zahlen und das überwiesene Geld wiederhaben. Die BayernLB klagt deshalb auf Zahlung des Restbetrags von 2,3 Milliarden Euro. Die Hypo fordert ihrerseits die bereits überwiesenen 2,3 Milliarden Euro zurück. Der Prozess soll am 25. November am Landgericht München I fortgesetzt werden.
Republik gegen EU-Kommission
Um einen Großteil der Milliarden, um die BayernLB und Hypo kämpfen, geht es auch in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Der Grund: Beim Ausstieg aus der Hypo 2009 ließ die BayernLB ein Darlehen von 2,6 Milliarden Euro in der Bank, um deren Fortbestand zu sichern - und erhielt dafür vom österreichischen Staat eine Garantie.
Die EU-Kommission segnete diese im Rahmen ihres Beihilfeverfahrens um die BayernLB ab. Mit diesem Prüfsiegel aus Brüssel fürchtet Österreich nun allerdings, für den Milliardenbetrag geradestehen zu müssen. Denn mittlerweile vertritt man in Wien ja die Ansicht, dass die Hypo das Geld nicht an die BayernLB zurückzahlen müsse. Deshalb klagt Österreich die EU-Kommission, um diesen Abschnitt aus dem Beihilfebeschluss zu streichen. Verhandlungstermine liegen bisher nicht vor.
Freistaat gegen Ex-Bayern-LB-Chefs
Wegen des Kaufs der Hypo mussten sich der frühere BayernLB-Chef Werner Schmidt und ein weiterer Ex-Vorstand in einem Strafprozess in München verantworten. Die Vorwürfe lauteten auf Untreue zulasten der BayernLB und Bestechung des früheren Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider, der sich für den Verkauf der landeseigenen Hypo-Anteile starkgemacht hatte. Ende Oktober nahm Schmidt das Angebot von Richter und Staatsanwaltschaft an: Er gestand die Bestechung Haiders - im Gegenzug ließ die Staatsanwaltschaft den Untreuevorwurf fallen. Schmidt kam mit einer Bewährungsstrafe davon.
Bereits zuvor hatten Gericht und Staatsanwaltschaft fünf mitangeklagte Ex-Vorstände gegen Geldauflagen laufen lassen, weil sich bei ihnen in dem Prozess keine Anhaltspunkte für Straftaten erhärtet hatten. Darunter war auch der heutige Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer. Die Ex-Vorstände räumten eine wirtschaftliche Fehlentscheidung ein, wiesen eine rechtliche Verantwortung aber zurück.
BayernLB gegen Ex-Vorstände
Die BayernLB prozessiert gegen acht Ex-Vorstände, um 200 Millionen Euro Schadenersatz zu bekommen. Die Manager hätten beim Kauf der Hypo fahrlässig gehandelt. Doch selbst dann könnten sie aus dem Schneider sein: Einige von ihnen befreite die BayernLB bei ihrem Abschied pauschal von der Verantwortung für mögliche Schnitzer. Zudem schloss die Bank für ihre Vorstände wie in der Branche üblich eine Haftpflichtversicherung ab, die in bestimmten Fällen einspringt. Die Beteiligten warten auf ein Gutachten, das das Gericht in Auftrag gegeben hat.
BayernLB gegen Ex-Verwaltungsräte
Auch von ihren früheren Chefaufsehern will die BayernLB Schadenersatz wegen angeblicher Fahrlässigkeit. Sie klagte den Ex-Chef des bayrischen Sparkassenverbandes und ehemaligen BayernLB-Verwaltungsratschef Siegfried Naser sowie dessen damaligen Stellvertreter Kurt Faltlhauser, der als bayrischer Finanzminister in dem Gremium saß.
Die Hürden dürften höher sein als im Schadenersatzprozess gegen die Vorstände, weil die Verwaltungsräte nicht für das operative Geschäft zuständig waren. Die beiden getrennten Verfahren gegen Naser und Faltlhauser ruhen, da die Gerichte den Ausgang der übrigen Prozesse abwarten wollen.
BayernLB gegen Hypo-Verkäufer
Einen vierten Schadenersatzprozess führt die BayernLB in Wien gegen einen der früheren Hypo-Eigentümer, dessen Anteile sie bei der Übernahme des Instituts 2007 erwarb. Der Vorwurf: Die Mitarbeiter-Privatstiftung (MAPS) der Hypo habe beim Verkauf ihrer Beteiligung die BayernLB übers Ohr gehauen. Angaben zur Bilanz und zum Kernkapital seien falsch gewesen.
Die MAPS war der kleinste von mehreren Verkäufern - die Schadenersatzforderung ist mit zehn Millionen Euro vergleichsweise gering. Doch wenn dieses Pilotverfahren im Sinne der BayernLB ausgeht, wird eine weitaus größere Schadenersatzklage gegen das Bundesland Kärnten als Hauptverkäufer erwartet. Mit einem Urteil wird bis Jahresende gerechnet.
Republik gegen Ex-Hypo-Vorstände
Vor dem Landesgericht Klagenfurt wurden im ersten Halbjahr vier ehemalige Hypo-Manager der Untreue schuldig gesprochen, darunter Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer und Tilo Berlin. Ihnen wird vorgeworfen, beim Verkauf der Kärntner Bank an die BayernLB wichtige Informationen über die Kapitalausstattung des österreichischen Instituts verschwiegen zu haben: Die Hypo hatte vor dem Verkauf an die BayernLB Vorzugsaktien begeben, um ihre dünne Kapitaldecke aufzupolstern.
Damit sich diese Vorzugsaktien leichter verkaufen, hatte die Kärntner Bank den Investoren Put-Optionen eingeräumt. Sie konnten die Papiere jederzeit wieder an die Bank zurückverkaufen. Diese Nebenabsprache sei jedoch geheim gehalten worden, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Vorstände erhielten teils mehrjährige Haftstrafen.
Jörn Poltz und Angelika Gruber, Reuters
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