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Deutschland und Frankreich am Pranger

Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem hat Deutschland mangelnden Reformeifer vorgeworfen. Deutschland dürfe sich nicht auf seinen Reformen ausruhen. „Strukturreformen sind nicht etwas, was man alle zehn oder 20 Jahre macht“, sagte Dijsselbloem, Vorsitzender der Euro-Gruppe und niederländischer Finanzminister, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“).

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„Deutschland muss wachsam sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Man kann nicht selbstzufrieden auf Reformen schauen, die Jahre zurückliegen“, sagte er der „FAZ“ zufolge. Der Euro-Gruppe-Chef spiele mit seiner Kritik darauf an, dass die Hartz-IV-Arbeitsmarktreform in Deutschland - Grundstein der soliden Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auch in der Finanzkrise - ein Jahrzehnt zurückliege, schreibt die Zeitung.

Lob für Spanien, Portugal, Irland

Dijsselbloem lobte beispielsweise die einstigen Krisenländer Spanien, Portugal und Irland, die in den vergangenen Jahren große Reformen durchgesetzt hätten und alle zu Wachstum zurückgekehrt seien. Einige große Länder hätten aber nicht reformiert. „Offensichtliche Beispiele sind Frankreich und Italien, aber auch Deutschland muss darüber nachdenken, wie es seine Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhält“, sagte er der „FAZ“.

Reformen mit mehr Zeit beim Sparen belohnen

Dijsselbloem kündigte an, reformwillige Mitgliedstaaten mit mehr Spielraum beim Abbau ihrer Schulden belohnen zu wollen. Es brauche einen „neuen Wachstumspakt“, der Reformen mit der Haushaltssanierung und Investitionen verbinde, sagte er am Montag in Luxemburg nach einem Treffen der Euro-Finanzminister. Für das massiv in der Kritik stehende Frankreich kommen diese Vorschläge aber zu spät.

„Es ist entscheidend, dass wir die Investitionen ebenso stärken wie die Reformagenda“, so Dijsselbloem weiter. „Wir können solche Länder unterstützen, die zusätzliche Reformanstrengungen unternehmen, indem wir Investitionen in diesen Ländern fördern“, sagte der Niederländer, „und indem wir Strukturreformen ernsthaft einbeziehen, wenn wir die Haushaltspolitik prüfen.“

Balance zwischen Sparen und Investieren gesucht

Die EU diskutiert derzeit intensiv über die richtige Balance zwischen Spar- und Wachstumspolitik. Während Deutschland auf Reformen als Voraussetzung für Wachstum pocht, fordern wirtschaftlich unter Druck stehende Staaten wie Frankreich und Italien mehr Spielraum beim Defizitabbau zugunsten von wachstumsfördernden Investitionen. Dijsselbloem will nun beide Seiten durch seinen Vorschlag verbinden.

Für das mit seinem anhaltend hohen Defizit kämpfende Frankreich kommen solche Pläne aber zu spät: Die Euro-Länder müssen am Mittwoch ihre Haushaltspläne für 2015 in Brüssel einreichen. Die EU-Kommission hat dann bis Monatsende Zeit, die Pläne durchzurechnen. Angesichts der von Paris bereits angekündigten Zahlen droht dem Land, dass die EU-Kommission das Budget zurückweist.

Frankreichs Budget in der Kritik

Frankreichs Haushaltsentwurf für 2015 sieht vor, dass das Defizit leicht auf 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung sinkt. Damit liegt es jedoch noch immer deutlich über dem EU-Grenzwert von drei Prozent, den die mit massiven wirtschaftlichen und finanziellen Problemen kämpfende sozialistische Regierung in Paris nach einem bereits gewährten Aufschub eigentlich im kommenden Jahr wieder einhalten soll.

Probleme gibt es dem Vernehmen nach auch mit dem hoch verschuldeten Italien. Rom ist jedoch in einer anderen Lage, da es - anders als Paris - die Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einhält und deshalb nicht von Geldstrafen bedroht ist. Defizitsündern der Euro-Zone drohen in letzter Konsequenz Milliardenbußen, die in der Praxis jedoch noch nie verhängt wurden.

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