Personenkreis auf zehn reduziert
Der Verhetzungsparagraf wird verschärft. Konkret wird er künftig schon wirksam, wenn vor nur zehn Personen gehetzt wird, bisher waren es mindestens 150. Zusätzlich wird der Strafrahmen von zwei auf drei Jahre erhöht, im Extremfall bei erfolgreicher Anstiftung sogar noch weiter nach oben, erklärte ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter bei einem „Gipfel gegen Hass und Hetze“ Dienstagvormittag.
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Im Ö1-Morgenjournal hatte der Ressortchef von einer maximalen Strafandrohung von bis zu fünf Jahren gesprochen - mehr dazu in oe1.ORF.at. Beim Gipfel wenige Stunden später folgte dazu Kritik. Die Strafrechtlerin Susanne Reindl-Krauskopf zeigte sich bei ihrem Vortrag als „große Skeptikerin“ bezüglich einer Anhebung der Strafandrohung. Denn empirisch sei nicht nachgewiesen, dass diese Täter abschrecke.
Höherer Strafrahmen in Ausnahmefällen
Anlassfall für die Novelle ist laut Brandstetter der antisemitische Angriff einer teils türkischstämmigen Gruppe auf Fußballer von Maccabi Haifa bei einem Spiel in Bischofshofen. Gegen die Angreifer konnte nicht wegen Verhetzung vorgegangen werden, weil die Öffentlichkeit zu gering war. Daher wird nun der Personenkreis, vor dem die Verhetzung begangen wird, auf im Extremfall nur zehn Personen reduziert.
Der Strafrahmen an sich bleibt gleich bei zwei Jahren. Allerdings drohen drei Jahre, wenn die Tat vor einer breiteren Öffentlichkeit begangen wird. Darunter wird beispielsweise verstanden, dass die Verhetzung in einem Druckwerk, über Internetvideos oder im Fernsehen verbreitet wird. Sogar bis zu fünf Jahre geht künftig der Strafrahmen, wenn die Verhetzung erfolgreich ist, also die verhetzten Personen zu Gewalttaten gegen die angegriffene Gruppe schreiten.
Verhetzung auch am Stammtisch?
Der Justizminister selbst hatte vor einigen Tagen in einem Interview mit dem „Standard“ eingeräumt, dass die Verschärfung des Gesetzes eine Gratwanderung sei. Man müsse die Regelung „treffsicher“ formulieren, sonst wäre „auch gleich jedes dumme Gerede am Stammtisch vom Verhetzungstatbestand erfasst“.
Brandstetter selbst betonte, ihm sei klar, dass man mit dem Strafrecht natürlich nicht alle Probleme lösen könne, auch nicht bei islamistischem Terror. Dort wo man es brauche, müsse man das Strafrecht aber auch einsetzen.
Kein „Grundverdacht“ gegen Islam
Wie Brandstetter bemühten sich auch die beiden anderen anwesenden Minister, eine klare Trennlinie zwischen Islam und dschihadistischem Terror zu ziehen. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) wandte sich gegen einen Grundverdacht gegenüber Muslimen, würde sich doch die überwiegende Mehrheit nichts zuschulden kommen lassen, und man brauche auch die Islamische Glaubensgemeinschaft, um positiv wirksam zu werden. Als gutes Zeichen befand Kurz, dass sich zum Gipfel der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), Fuat Sanac, gleich neben dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, eingefunden hatte.
Gar keine Frage der Religion?
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) betonte in ihrem Referat, dass es bei den Dschihadisten gar nicht um den tiefen Glauben gehe, sondern um das Dazugehören zu einer radikalen Subkultur. Für Brandstetter steht gar nicht die Religion im Zentrum, sondern der Missbrauch der Religion.
Passend dazu der Vortrag des deutschen Islamexperten Olaf Farschid, der forderte, die Propaganda des Dschihadismus zu dekodieren. Denn die islamistischen Kämpfer würden den eigenen religiösen Vorschriften nicht folgen, sondern sich ganz im Gegenteil gegen das islamische Kriegsrecht schuldig machen.
Nur begrenzte Handlungsfähigkeit
Allgemein als Problem erkannt wurde bei dem Gipfel die Rekrutierung Jugendlicher über das Internet, wobei der Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker hier Grenzen für den Staat sieht. Wirksam könnten Gegeninitiativen nur von den Usern selbst sein, indem sie über die Besetzung von Hashtags und Ähnlichem die Deutungshoheit der Terrororganisation IS brechen. Die Medienarbeit der IS selbst bezeichnete der Experte jedenfalls als „sehr effizient“.
Kritik von der Opposition
Kritik setzte es von der Opposition: FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl warnte davor, dass ein Feld der Justiz „Werkzeug und Waffe in der politischen Auseinandersetzung“ werden könnte. „Es muss einen wesentlichen Unterschied zwischen einer verbalen Äußerung und einer konkreten Tat geben“, so Kickl. „Linke Weltverbesserungsphantasien“ dürften nicht „den Einzug ins Strafrecht finden, denn das würde die freie Meinungsäußerung massiv einschränken“, so der FPÖ-Generalsekretär.
Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser sieht den Zweck des Gipfels verfehlt. „Massiv feindselige Herabwürdigungen und Verächtlichmachungen gegen geschützte Gruppen“ könnten auch „durch eine präzisere Formulierung der Strafbestimmung erfasst werden“. Den Hasspostings, die einer der Ausgangspunkte für den Gipfel gewesen seien, könne man auch mit den neuen Regelungen nicht beikommen, so Steinhauser.
ÖVP zufrieden, SPÖ für Reform
ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel sieht im Gipfel hingegen wichtige Schritte und starke Signale seiner Partei „gegen die immer stärker werdenden Radikalisierungstendenzen“. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach sich prinzipiell für eine Reform aus, gab aber zu bedenken, "dass dummes Stammtischgerede nicht zu schweren Freiheitsstrafen führen dürfe. Hetze gegen Ausländer im Allgemeinen solle aber künftig vom Strafrecht erfasst werden.
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