Vom Symbol der Stärke zur Bürde
Seit jeher ist mit der chinesischen Kultur Landwirtschaft integral verbunden. Viele Mythen und Legenden ranken sich um die Bedeutung von Ackerbau und erzählen, wie kampfstark die Heere der herrschenden Dynastien durch die gesicherte Lebensmittelversorgung wurden. Doch das ist Geschichte - die Entwicklung Chinas hin zur globalen Wirtschaftsmacht hat für den Landbau schwere Folgen.
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Von einem Fundament traditioneller chinesischer Kultur und einem Motor des Wirtschaftsbooms in den 1980er Jahren wurde der Landbau faktisch zu einer Bürde für die Volksrepublik. Zwar sind die Erträge noch immer sehr hoch, doch Probleme gibt es trotzdem in Hülle und Fülle - allen voran ein sozioökonomisches: Während immer mehr Menschen in die Metropolen des Landes ziehen, um dort zu arbeiten, wirkte sich diese Entwicklung auch auf die Zurückgebliebenen aus.
Soziale Schieflage
Verglichen mit der Situation in urbanen Gebieten sank der Lebensstandard in ländlichen Gegenden teilweise drastisch. Die aktuellsten offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2013 weisen eine sozioökonomische Schieflage zwischen Stadt und Land aus. Eine tiefe Kluft zwischen den Löhnen, die in Städten im Schnitt dreimal so hoch sind, macht China in der Gegenwart zu einem der sozial am wenigsten ausgeglichenen Länder, wie ein Bericht der „PNAS“, einer US-Fachzeitschrift der Akademie der Wissenschaften, belegt.
Dass diese Situation kurz- und mittelfristig ein Problem für den sozialen Frieden darstellt, hat auch die Führung in Peking längst erkannt. So wurde im vergangenen Jahr ein Reformpapier für die Wirtschaft Chinas ausgearbeitet, das den Landbau besonders berücksichtigt und diesen auf neue Beine stellen soll. Doch so einfach, wie es in Vorhabensberichten zu lesen ist, lässt sich den Problemen nicht beikommen.
Struktur als Problem
Das hängt maßgeblich mit der Organisation des Ackerbaus in China zusammen: Die Struktur der Landwirtschaftsbetriebe ist sehr kleinteilig aufgestellt, hohe Profite können pro Einheit aufgrund dieser Limitierung nicht eingefahren werden. Ein Betrieb ist im Schnitt 1,6 Hektar groß, in den USA liegt dieser mit 400 Hektar beim 250-Fachen, wie es in der „New York Times“ („NYT“) heißt. Auch eine Zusammenlegung auf größere Einheiten ist nicht so einfach, da die Bauern ihr bewirtschaftetes Land nicht besitzen, sondern es von der Volksrepublik verpachtet bekommen.
Nur eine Privatisierung des Ackerlandes würde es ohne Folgen möglich machen, größere Einheiten zu schaffen. Doch eine solche Veränderung wäre eine schwere Zäsur für die herrschende Kommunistische Partei Chinas (KPCh). Dieser Schritt wäre mit schweren sozialen Folgen verbunden, schließlich würden viele Bauernfamilien ihre Existenzgrundlage verlieren. „All diese Probleme sind ineinander verschränkt, es braucht eine Reihe von Reformen, um diese zu lösen“, meint Luo Jianchao, Professor an der Northwest A&F University in Yangling (Provinz Shaanxi) gegenüber der „NYT“. „Dafür gibt es kein Wundermittel“, so Jianchao.
Weiterer Anlauf der Regierung
Erst unlängst unternahm die Führung in Peking einen weiteren Versuch, um die schwierige Situation in den Griff zu bekommen. Im Zuge eines Probelaufs wurde Bauern erlaubt, ihre Nutzungsrechte für Land gegen die Entrichtung einer Leihgebühr zu überlassen - das alles mit dem Ziel, einen privaten Grundstücksmarkt zu simulieren und die Familienbetriebe in größere Einheiten zusammenzuführen, um auf diese Weise einen Großbetrieb entstehen zu lassen, ohne Bauern aus dem Sicherheitsnetz zu nehmen.
Die Maßnahme wurde von Premierminister Xi Jinping als für die Wirtschaft „entscheidend“ bezeichnet, doch sind viele Beobachter der Ansicht, dass sich die KPCh wohl nicht breitflächig dazu durchringen wird können, die Verteilung von Land de facto in die private Hand zu überführen. Chinesische Experten halten die Privatisierung von Land zwar für ein wichtiges Ziel, jedoch gleichsam für ein völliges Tabu. Zudem sind die sozialen Folgen nicht ganz vorhersehbar - vor allem wäre aber der politische Einfluss reduziert.
Noch weniger Spielraum
Doch würden sich infolge der „künstlichen Privatisierung“ auch für die Bauern Probleme ergeben. Denn alle Vorteile, die sie hätten, würde ihnen das Land tatsächlich gehören, können sie mit diesem Modell nicht für sich beanspruchen. Vielmehr würde der Handlungsspielraum der Bauern noch zusätzlich eingeschränkt. Ein weiteres Problem besteht in der Festlegung der Nutzungsrechte hinsichtlich finanzieller Kriterien. So drohen die anfallenden Kosten für Nutzungsrechte derart kostspielig zu werden, dass diese eine Bewirtschaftung mit steigender Größe des Landes immer unrentabler machen.
Experten glauben, dass die Nutzungsgebühren durch eine ähnliche Spekulationsdynamik wie bei den Immobilienpreisen in den chinesischen Großstädten nach oben geschossen sind - wenn auch auf niedrigerem Niveau. Solange der Hektarpreis für rurales Land derart hoch ist und die Einnahmen für immer höhere Erträge im Verhältnis zu niedrig sind, ist das Konzept also mit vielen Risiken und Problemen für die Bauern verbunden.
Viele Systemverlierer
Letztlich läuft es darauf hinaus, dass die Regierungsstrategien es auch darauf anlegen, mehr Anreize zu schaffen, dass sich Bauern in Großstädten bzw. den vorgelagerten Vorstädten ansiedeln. Die ländliche Struktur soll generell grobteiliger werden, weniger Bauern sollen für die Bewirtschaftung größerer Flächen zuständig sein. Insgesamt soll dadurch der Verwaltungsaufwand in der Volksrepublik sinken - doch abgesehen von einigen Gewinnern gibt es dadurch auch viele Systemverlierer.
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