Jury vergibt Preis an französischen Autor
Der Literaturnobelpreis 2014 geht an den Franzosen Patrick Modiano. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm bekannt. Modiano ist 69 Jahre alt. Die wichtigste Literaturauszeichnung der Welt ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (rund 880.000 Euro) dotiert. Verliehen wird sie traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in der schwedischen Hauptstadt.
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„Ich würde gerne wissen, wie sie ihre Wahl begründet haben“, sagte der 69-Jährige am Donnerstag in Paris über die Entscheidung der Schwedischen Akademie in Stockholm. „Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, was ihre Gründe dafür waren, mich auszuwählen.“
„Ein bisschen unwirklich“
Die Auszeichnung lasse „Kindheitserinnerungen“ in ihm wach werden, etwa die Verleihung des Literaturnobelpreises an seinen Landsmann Albert Camus 1957, sagte Modiano weiter. Es erscheine ihm „ein bisschen unwirklich“, nun zum Kreise dieser Menschen zu gehören, „die ich bewundert habe“. Den Nobelpreis widmete er seinem schwedischen Enkel: „Mein Enkel ist Schwede. Ich widme ihm diesen Preis, denn es ist sein Land.“

APA/EPA/Anders Wiklund
Peter Englund bei der Verkündung der Akademieentscheidung in Stockholm
Als der Verleger Antoine Gallimard seinem Autor Modiano telefonisch zum Literaturnobelpreis gratulierte, sei der Autor „sehr glücklich“ gewesen, habe aber „mit seiner üblichen Bescheidenheit“ geantwortet: „Das ist bizarr.“ Der französische Präsident Francois Holland sprach Modiano „seine wärmsten Glückwünsche“ aus und würdigte „sein namhaftes Werk“, das „die Feinheiten der Erinnerung und die Komplexität der Identität erkundet“.
Für die Jury ein „Marcel Proust unserer Zeit“
Laut Peter Englund, dem ständigen Sekretär der Schwedischen Akademie, ist der 111. Literaturnobelpreisträger „ein Marcel Proust unserer Zeit“. Er schreibe „sehr elegante Bücher, aber sie sind nicht schwierig zu lesen“. Er sei in Frankreich sehr bekannt und viel gelesen, „aber darüber hinaus nicht sehr“. Zuletzt hatte 2008 ein Franzose den Nobelpreis für Literatur bekommen: der heute 74-jährige Jean-Marie Gustave Le Clezio.
Englund erläuterte die Entscheidung für Modianos Arbeit: „Ein großes Werk. Er hat insgesamt um die 30 Bücher geschrieben, hauptsächlich Romane, aber auch Kinderbücher, Drehbücher.“ Es seien kleine Bücher, „die immer Variationen desselben Themas sind: die Erinnerung an Verlust“.
Erfreut, aber nicht überrascht reagierte Modianos deutscher Verleger auf die Auszeichnung des Autors. In den vergangenen zwei Wochen sei Modiano ein heißer Kandidat gewesen, sagte Hanser-Verleger Jo Lendle am Donnerstag auf der Frankfurter Buchmesse. „Es ist für jeden Verlag eine besondere Auszeichnung“, meinte Lendle zum Nobelpreis weiter. Er kündigte zugleich an, dass Modianos neuer Roman vorgezogen und bereits in den kommenden Tagen auf den deutschen Markt kommen werde.
Was Modiano auszeichne, sei „die Kompromisslosigkeit seiner Sprache und die Schönheit seines Französisch“. Besonders politisch sei er nicht. „Man kann nicht mit dem Literaturnobelpreis immer nur aktuell auf Krisensituationen reagieren. Es ist auch wichtig, dass die Literatur der Autoren, die nicht aus einem Krisengebiet kommen, gewürdigt wird.“
Fast ein halbes Jahrhundert schriftstellerisch tätig
Geboren wurde Modiano am 30. Juli 1945 bei Paris, wo er seit 1967 als Schriftsteller tätig ist. Peter Handke entdeckte Modiano endgültig für das deutschsprachige Publikum und übertrug 1985 seinen Roman „Eine Jugend“ ins Deutsche. Nach und nach erschienen fast alle seiner Bücher auf Deutsch - so auch das Erstlingswerk „La Place de l’etoile“ über das von den Deutschen besetzte Paris aus 1968. Dieser Roman wurde - erst 42 Jahre nach seinem Erscheinen - in einer Übersetzung von Elisabeth Edl veröffentlicht.
In Frankreich wurde Modiano mit nahezu jedem nennenswerten Preis geehrt: So erhielt er 1968 den Prix Roger Nimier, 1972 den Grand Prix du Roman de l’Academie francaise und 1978 den Prix Goncourt. Überdies ist Modiano auch Chevalier des Arts et des Lettres und wurde 2012 mit dem Österreichischen Staatspreises für Europäische Literatur ausgezeichnet.
Die Jury des Österreichischen Staatspreises begründete die Zuerkennung der Auszeichnung an Modiano so: „Es sind scheinbar kleine Geschichten, die einen so selbstverständlich wie Traumwandler in Momente leiten, in denen Privates, Historisches und Politisches plötzlich durchlässig und begreifbar wird. An einem Ort, an dem das Fremde und das Bekannte als solch untrennbare Doppelgänger zu Hause sind, dass es kein Widerspruch ist, wenn einer, dessen Erinnern immer Vergegenwärtigung ist, aus tiefstem Vergessen erzählt.“
Literaturnobelpreis seit 1901
Der Nobelpreis für Literatur gilt als weltweit bedeutendste literarische Auszeichnung. Der Preis wird von der Schwedischen Akademie seit 1901 fast jährlich vergeben. Stifter ist der schwedische Industrielle Alfred Nobel (1833 bis 1896). Nach dem Willen des auch literarisch interessierten Unternehmers soll ihn derjenige erhalten, „der in der Literatur das Ausgezeichnetste in idealistischer Richtung hervorgebracht hat“. Das Werk soll von hohem literarischem Rang sein und dem Wohl der Menschheit dienen.
Die Auswahl der Kandidaten verläuft jedes Jahr streng nach traditionellen Regeln. Zuerst lädt das fünfköpfige Nobelkomitee 600 bis 700 Personen oder Organisationen per Brief dazu ein, geeignete Literaten für das kommende Jahr vorzuschlagen. Empfehlungen können auch ehemalige Preisträger, Sprach- und Literaturwissenschaftler, wissenschaftliche Einrichtungen und Autorenverbände abgeben. Niemand kann sich aber selbst benennen.
Das Prozedere im Komitee
Das Komitee erstellt Namenslisten, die in der Akademie auf fünf Kandidaten reduziert werden. Die Sitzungen des für drei Jahre gewählten Nobelkomitees sind streng geheim. Über die Beratungen für den Nobelpreis muss 50 Jahre lang Stillschweigen gewahrt werden. Spätestens bis zum 31. Jänner müssen die Vorschläge in Stockholm vorliegen.
Jedes der 18 auf Lebenszeit gewählten Akademiemitglieder beschäftigt sich dann mit dem Werk der Nominierten und erstellt Berichte. Anfang Oktober wird der Preisträger durch Wahl bestimmt. Er muss mehr als die Hälfte der Stimmen aller Mitglieder bekommen.
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