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Nur Seniorenvertreter zufrieden

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist mit seinen Plänen zur Pflegegeldreform auf heftige Ablehnung gestoßen. Er will die Hürde für den Erhalt des Pflegegeldes ab 2015 anheben. Die ebenfalls geplante Erhöhung der finanziellen Leistung soll erst ein Jahr später kommen. Das stieß Hilfsorganisationen und der Opposition ebenso bitter auf wie dem SPÖ-Volksanwalt.

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Den Reigen der Kritik eröffnete am Dienstag auch Hundstorfers Parteikollege, Volksanwalt Günther Kräuter. Für ihn ist nicht verständlich, dass der Zugang schon 2015 eingeschränkt werden soll, die Anhebung des Pflegegeldes aber erst 2016 kommt. „Genau umgekehrt muss die Formel lauten: Valorisierung jetzt, Stufenanpassung später“, forderte Kräuter.

Mehr Geld bei höheren Hürden

Laut den Plänen des Sozialministers sollen ab kommendem Jahr neue Stundenwerte für die untersten Stufen des Pflegegeldes gelten: Bei Stufe eins erhielte man die Leistung bei mehr als 65 Stunden Pflegebedarf (bisher 60 Stunden), bei Stufe zwei ab mehr als 95 Stunden (bisher 85). Personen, die sich bereits im alten System befinden, soll die Änderung nicht betreffen, versicherte Hundstorfer. Bei ihnen würde die derzeit geltende Regelung weiter greifen. Die Änderungen sollen mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) abgesprochen sein.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer

ORF.at/Carina Kainz

Hundstorfer wies am Dienstag Kritik an seiner Pflegegeldreform zurück

Das Sozialministerium plant auch eine Valorisierung des Pflegegeldes um zwei Prozent für alle Stufen, das allerdings erst ab 2016. Warum das nicht parallel zur Anhebung der Hürden geschieht, begründete man dort mit der Finanzierbarkeit. Durchschnittlich 111 Euro mehr im Jahr würde Beziehern dann jedenfalls zustehen, hieß es aus dem Sozialministerium. Für den Bund seien das 50 Mio. Euro mehr an Ausschüttungen. Hundstorfer verteidigte am Dienstag auch die geplanten Änderungen. Niemandem werde etwas „weggenommen“, sagte er vor dem Ministerrat auf eine entsprechende Journalistenfrage. Das System in Österreich funktioniere, aber von Zeit zu Zeit seien eben „Dämpfungsmaßnahmen“ nötig.

FPÖ fordert Einsparungen im Gesundheitssystem

Für die FPÖ reichen diese Maßnahmen nicht aus. Pflegesprecher Norbert Hofer verwies in einer Aussendung darauf, dass Österreich relativ geringe Mittel (1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung) in Langzeitpflege investiere, sich gleichzeitig aber „suboptimale Organisationsstrukturen“ im Gesundheitswesen leiste. Er forderte daher Einsparungen im Gesundheitswesen und eine Umschichtung der frei werdenden Mittel in die Pflege. Die angedachten Pläne würden die Situation nicht entschärfen, so Hofer.

Kürzungen für Grüne nicht akzeptabel

Die Grünen lehnen die geplante Pflegegeldkürzung rundweg ab. Sozialsprecherin Judith Schwentner kritisierte die geplante Verschärfung des Zugangs zu den Pflegestufen eins und zwei als „Budgetsanierung zulasten von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen“. „Nicht einzusehen“ ist für sie auch, dass die Einschnitte 2015 und die Anhebung erst 2016 erfolgt: „Hundstorfer soll so ehrlich sein und den Menschen sagen, dass sich Pflegebedürftige in Österreich eine Erhöhung offensichtlich selber finanzieren müssen.“

NEOS und Team Stronach wollen sichere Finanzierung

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker vermisst Langzeitstrategien für die Pflegefinanzierung. Derzeit seien weder die Planung der nötigen Heimplätze und ambulanten Angebote noch die Transparenz der Leistungen und deren Kosten sichergestellt. „Österreich braucht enkelfitte Sozialsysteme, dazu gehört ein Pflegesystem, das langfristig finanzierbar ist“, so Loacker.

„Löchriges Flickwerk“ ist die Pflegegeldnovelle für das Team Stronach (TS). Sozialsprecherin Waltraud Dietrich will die Sozialversicherung daher um eine gesetzliche Pflegeversicherung erweitern. Derzeit sei eine nachhaltige Finanzierung der Pflege bei gleich bleibendem Leistungsniveau nämlich nicht mehr möglich.

Zugang bereits 2011 erschwert

Auch abseits der Parteienlandschaft stieß der Vorschlag des Sozialministeriums auf wenig Gegenliebe. Die „Reform verschlägt Menschen mit Behinderungen den Atem“, sagte Klaus Voget von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR) am Dienstag in einer Aussendung. Voget erinnerte daran, dass die Zugangskriterien für die Pflegestufen eins und zwei schon 2011 erschwert wurden.

„Damit wurden bereits vor drei Jahren viele Menschen vom Anspruch auf Pflegegeld ausgeschlossen. Jetzt werden die Daumenschrauben noch mehr angezogen“, kritisierte der Behindertenvertreter, der außerdem darauf verwies, dass 55 Prozent der Pflegegeldbezieher in die ersten beiden Pflegestufen fallen.

Hilfsorganisationen gegen Sparmaßnahmen

Auf eine deutlich stärkere Anhebung des Pflegegeldes pochte indessen die Caritas. „Die Erhöhung des Pflegegeldes ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber angesichts des Wertverlusts von rund 30 Prozent viel zu niedrig“, so Generalsekretär Bernd Wachter. Auch er sieht durch die Einschränkung der Stufen eins und zwei vor allem Menschen mit beginnender Demenz sowie mit Lernschwierigkeiten betroffen. Zudem sei auch die Heimhilfe erst mit Bewilligung des Pflegegeldes möglich.

Das Rote Kreuz lehnte die geplanten Einschränkungen ebenfalls ab. „Bei allem Verständnis für die angespannte Budgetsituation - Sparmaßnahmen auf Kosten von Schwachen halte ich für keine gute Idee“, so Vizegeneralsekretär Michael Opriesnig. Bei den Hilfsorganisationen zeigte einzig der Arbeiter-Samariter-Bund Österreich (ASBÖ) Verständnis für die Reform. Österreich habe im weltweiten Vergleich immer noch den niedrigsten Zugang, wurde ASBÖ-Pflegeexpertin Christine Egger im Ö1-Mittagsjournal zitiert. „Hier wird versucht, sich international anzupassen“, so Egger - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Seniorenvertreter zufrieden

Zufrieden gaben sich hingegen die Seniorenvertreter der beiden Regierungsparteien. Der Präsident des SPÖ-Pensionistenverbands, Karl Blecha, betonte am Dienstag in einer Aussendung die Notwendigkeit, das Pflegesystem langfristig abzusichern und eine Kostenexplosion zu verhindern. Kritik an Hundstorfer wies Blecha zurück und betonte, dass die Pflegeleistungen in den vergangenen Jahren stark ausgebaut wurden.

Ebenfalls kein Widerstand gegen die Reformpläne kam vom ÖVP-Seniorenbund. Obmann-Stellvertreterin Ingrid Korosec zeigte sich am Dienstag in einer Aussendung „froh“ über die 2016 geplante Anhebung des Pflegegeldes. Die ÖVP-Politikerin forderte nun aber auch eine Harmonisierung der Pflegesachleistungen in den Ländern. Entsprechende Schritte seien bereits 2012 vereinbart worden, und das Geld dürfe nicht länger in den Strukturen versickern.

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