Entscheidung in drei Wochen
Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff hat die absolute Mehrheit bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag verpasst und muss erwartungsgemäß in die Stichwahl. Dort trifft die 66-jährige Politikerin der links-zentristischen Arbeiterpartei (PT) in drei Wochen auf Ex-Gouverneur Aecio Neves von den Sozialdemokraten.
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Nach Auszählung von über 80 Prozent der elektronischen Wahlurnen im Land kommt die 66-jährige Rousseff auf 40,4 Prozent der gültigen Stimmen. Überraschend stark schnitt Neves ab, der danach auf 35,04 Prozent der Stimmen kommt. Abgeschlagen auf Platz drei liegt die frühere Umweltministerin Marina Silva von der sozialistischen PSB mit nur 20,9 Prozent. Damit stünden einander am 26. Oktober Rousseff und Neves in der Stichwahl gegenüber.
Silva lag in vergangenen Umfragen stets vor Neves, hatte aber zuletzt sukzessive an Zustimmung verloren. Beobachtern zufolge dürfte das auch an der Ablehnung etwa der Homosexuellenehe durch die bekennende evangelikale Christin liegen. Schon 2010 hatte sie den Einzug in die zweite Runde verpasst.
Abgeordnete, Senatoren und Gouverneure
Die knapp 143 Millionen Wahlberechtigten waren am Sonntag auch aufgerufen, ein Drittel der Senatorenposten, die Gouverneure der 26 Bundesstaaten und des Hauptstadt-Distrikts Brasilia sowie die Sitze im Abgeordnetenhaus zu wählen. Die Wahlen wurden von starken Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Allein in Rio waren nach mehreren Gewalttaten in Armensiedlungen 30.000 Polizisten auf der Straße. In der Stadt am Zuckerhut trat der Ex-Fußballstar und derzeitige Abgeordnete Romario als Kandidat für den Senat an.
„Rousselfies“ reichten nicht
Rousseff verdankt ihre Popularität bei der armen Bevölkerung primär den Errungenschaften ihres Vorgängers und politischen Ziehvaters Luiz Inacio Lula da Silva, der während seiner achtjährigen Präsidentschaft Einnahmen aus dem Rohstoffboom erstmals über Sozialprogramme auch an die Armen verteilte und dadurch trotz Wirtschaftskrise die Armutsrate deutlich senken konnte. Rousseff, die sich anders als Lula da Silva bisher wenig volksnah zeigte, versucht sich nun durch breite Social-Media-Kampagnen zugänglich zu zeigen. Dazu gehört etwa der Aufruf an die Fans, „Rousselfies“ - Selfies mit der Präsidentin, für die sie sich bei Auftritten bereitwillig zur Verfügung stellt - zu twittern.

Reuters/Ricardo Moraes
„Rousselfie“: Rousseff setzt im Endspurt ganz auf Social Media
Wahlkampf ohne erhofften WM-Schub
Rousseff hatte sich von der Fußball-WM im eigenen Land einen Schub erwartet, der angesichts der massiven Proteste aber ausblieb bzw. ihre Popularität eher beschädigte. Die zahlreichen Demonstrationen, deren Initiatoren die mediale Öffentlichkeit nutzten, richteten sich gegen die gigantisch hohen Investitionen für den Bau von Stadien bei gleichzeitiger Vernachlässigung der sozialen Probleme im Land.
Doch homogen war die Protestbewegung nicht - ihr gehörten nach Meinung von Experten auch Menschen aus der Mittelschicht an, die mit dem sozialen Aufstieg der unteren Klassen unzufrieden sind. Die Enttäuschung, die Rousseff entgegenschlägt, ist also breit gestreut. Auf der anderen Seite stehen jene, die seit dem Amtseintritt von Rousseffs Vorgänger und Mentor Lula da Silva den Aufstieg aus bitterer Armut in die untere Mittelklasse geschafft haben - auch von vielen dieser deshalb noch immer treuen PT-Wähler konnte sich Rousseff fixe Stimmen erwarten.
Doch die PT ist seit dem Amtsantritt von Lula da Silva immer wieder in große Skandale verwickelt. Zwar versuchte sich Rousseff immer wieder von den Skandalen zu distanzieren, aber ihre Nähe zu Lula da Silva, als dessen engste Mitarbeiterin sie jahrelang fungierte, lässt diese Beteuerungen kaum glaubwürdig erscheinen.
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