Hoffnung auf Richtungswechsel
Ministerpräsident Nawaz Sharif sieht sich seit Monaten schweren Protesten der Opposition ausgesetzt, die Sicherheitslage im Land ist katastrophal und das Militär kocht traditionell ihr eigenes Süppchen: Die Atommacht Pakistan ist seit Jahren am Rande der Unregierbarkeit. Seit Mittwoch hat nun der mächtige Militärgeheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI) einen neuen Chef. Und der Ruf, der ihm vorauseilt, nährt große Hoffnungen.
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Generalleutnant Rizwan Akhtar trat am Mittwoch die Nachfolge des aus Altersgründen ausscheidenden bisherigen ISI-Direktors Zaheer-ul-Islam an. Akhtar kommandierte bisher eine paramilitärische Einheit in der südlichen Provinz Sindh. In der Küstenmetropole Karachi leitete er eine großangelegte Operation gegen kriminelle Gruppierungen der Taliban-Rebellen.
Hartes Vorgehen gegen Extremisten
Infolge des Einsatzes sank die Kriminalität in der Stadt. Menschenrechtler werfen dem Militär jedoch vor, Folter und außergerichtliche Morde verübt zu haben. Zuvor war Akhtar in den unruhigen Stammesgebieten von Südwaziristan postiert, die als Rückzugsgebiet von islamistischen Rebellen aus Afghanistan gelten.
Sein Einsatz gegen Dschihadisten war es, der nun Hoffnung nährt, spielte doch der Militärgeheimdienst ISI eine mehr als zwielichtige Rolle in den vergangenen Jahrzehnten.
Mit der CIA Taliban unterstützt
In den 80er Jahren soll ISI von den USA finanzierte Waffen an islamische Kämpfer in Afghanistan geliefert haben. Damit unterstützten die USA die afghanischen Mudschaheddin im Kampf gegen die sowjetischen Truppen. ISI galt als verlängerter Arm der CIA. Einige der damals von der CIA unterstützten Kriegsherren sind heute noch aktiv - allerdings im Kampf gegen den Westen. Von 1996, als die Taliban die Macht übernahmen, bis 2001 unterstützte ISI genauso wie die pakistanische Regierung die Talibanherrschaft.
Nicht alle machten Politschwenk mit
Spätestens mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 musste Islamabad seine Politik ändern. Offiziell reihte sich Pakistan in die Koalition gegen den Terrorismus ein. Inoffiziell gewährte es aus Afghanistan fliehenden Talibankämpfern und Al-Kaida-Angehörigen Zufluchtsorte.
Allerdings zeigte sich US-Verteidigungsminister Robert Gates noch im März 2009 besorgt: „Die Kontakte des ISI (mit extremistischen Gruppen, Anm.) machen uns echte Sorgen, und wir haben das den Pakistanern direkt mitgeteilt.“ Immer wieder drängten die USA Pakistan, militante Gruppen zu bekämpfen - auch diejenigen, die vom ISI auch strategisch gegen den Rivalen Indien unterstützt wurden.
Schwere Vorwürfe der USA
Erst als die Anschläge in Pakistan selbst zunahmen, startete das Regime besonders in der Grenzregion Militäreinsätze gegen Extremisten. Dass Aufständische in Afghanistan weiter operativ und strategisch „bis hinein in die höchste Führungsebene“ von ISI unterstützt werden, zeigte eine Studie der London School of Economics.
Und 2011 beschuldigte US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen Pakistan, Terror zum Nachbarn Afghanistan „zu exportieren“. Mullen warf dem pakistanischen Militärgeheimdienst auch eine Beteiligung an einem Angriff von Extremisten auf die US-Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul vor. Das Aufständischennetzwerk Haqqani agiere wie ein „Arm“ des ISI, so Mullen.
Mitstreiter streuen Akhtar Rosen
Mit Akhtar könnte sich das nun ändern. Ehemalige Mitstreiter wie auch Experten streuen dem neuen ISI-Chef Rosen: In Karachi habe er die Autorität der Sicherheitskräfte wiederhergestellt, heißt es etwa in Aussagen in BBC, „Guardian“ und in der „New York Times“. Er habe sich dabei weder von korrupten Politikern noch von Drohungen krimineller Gangs beeindrucken lassen.
Ein Terrorist sei für ihn ein Terrorist, egal, welche politischen Ziele er verfolge, sagte ein ehemaliger Polizist dem „Guardian“. Ein Zeitungskommentar beschreibt ihn als „professionellen Soldaten“ mit einer Eigenschaft, die die pakistanische Führung besonders schätzt: Er habe keinerlei persönliche politische Ambitionen.
Premier im Clinch mit Geheimdienst
Tatsächlich kommt für Premier Nawaz so ein Mann derzeit gerade richtig. Mit ihrem Marsch auf die Hauptstadt hatte die Opposition dem Premier vor einigen Wochen schon zum Rande der Abdankung geführt. Das Militär drohte bereits mit einem Eingreifen. Schafft der Militärgeheimdienst unter Akhtar es, die Sicherheitslage im Land zu verbessern, wäre das für Nawaz ein enormer Gewinn.
Und der Ministerpräsident musste auch zuletzt immer wieder gegen ISI ankämpfen. Im April wurde auf den Journalisten Hamid Mir des pakistanischen Fernsehsenders Geo News ein Mordanschlag verübt. Der Moderator überlebte - und behauptete, wie auch Amnesty International, ISI-Chef Zaheer ul-Islam stecke hinter der Tat. Nawaz besuchte Mir demonstrativ am Krankenbett - musste wenig später aber auf Druck des Militärs dem Sender Geo News, der die Vorwürfe groß trommelte, zwei Wochen die Lizenz entziehen.
General der neuen Schule?
Akthar gilt hingegen als General der neuen Schule: Er sieht die Rolle des Militärs tatsächlich in der Verteidigung der Gesellschaft, in der die Armee nicht in der Politik mitmischen sollte, heißt es in Porträts pakistanischer Medien.
Dabei stützen sie sich vor allem auf eine Abschlussarbeit, die Akthar 2008 zum Abschluss eines Kurses an einer US-Militärakademie verfasst hat. Der islamische Extremismus müsse zugunsten einer toleranten Gesellschaft bekämpft und geschlagen werden, heißt es darin. Und er bekennt sich auch zu einem besseren Verhältnis zu den USA und insbesondere zum alten Erzfeind Indien.
Macht korrumpiert
Kritiker merken allerdings an, dass es nicht zum ersten Mal wäre, dass Pakistan einen neuen Hoffnungsträger hat, dem zunächst mit sehr viel Optimismus begegnet wird. Die Hoffnungen würden allerdings immer wieder entweder enttäuscht - oder es kommt gar schlimmer: An den Hebeln der Macht gab es in Pakistan nämlich kaum Personen, die nach einiger Zeit etwas anderes im Sinn hatten, als ihre Machtfülle auszubauen und abzusichern und wenn möglich dabei noch ein Vermögen anzusammeln.
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