Schockierende Gewalt
Die am Wochenende bekanntgewordenen Misshandlungsvorwürfe gegen private Sicherheitskräfte in deutschen Flüchtlingsheimen weiten sich aus. Die Täter filmten und fotografierten sich dabei teils per Handy. Ein Foto gaben die Ermittler am Sonntag an die Medien frei.
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Die Ermittler zeigten ein Handyfoto aus der Einrichtung in Burbach im Siegerland, auf dem ein gefesselt auf dem Boden liegender Mann und zwei uniformierte Sicherheitsmänner zu sehen sind. Einer der beiden stellt dem Opfer, einem etwa 20 Jahre alten Algerier, seinen Fuß in den Nacken. Laut Polizei grinsen die Sicherheitsleute auf dem Foto. „Das sind Bilder, die man sonst nur aus Guantanamo kennt“, sagte der Hagener Polizeipräsident Frank Richter unter Verweis auf das US-Gefangenenlager.
Die demütigende Darstellung weckt bei Kommentatoren auch Erinnerungen an die schockierenden Bilder aus dem US-Militärgefängnis Abu Ghoraib im Irak, die 2004 um die Welt gingen. Sie zeigen etwa, wie eine US-Soldatin mit einem wie ein Tier angeleinten Gefangenen posiert und ein Häftling offensichtlich mit Elektroschocks gefoltert wird.
Video hält weiteren Übergriff fest
Seit Freitag laufen die Ermittlungen. Seither mehren sich die Hinweise auf weitere Körperverletzungsdelikte, an denen zum Teil Mitarbeiter des Wachdienstes beteiligt gewesen sein könnten. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten am Freitag ein Video erhalten, das einen anderen Übergriff auf einen Flüchtling in der Einrichtung zeigt.
Das Video war offenbar einem Journalisten zugespielt worden, der sich an die Polizei wandte. Die etwa zehn- bis 15-sekündige Sequenz zeigt nach Angaben der Polizei einen Mann, der neben Erbrochenem auf einer Matratze sitzt und unter Androhung von Schlägen gezwungen wird, sich hinzulegen. Bei anschließenden Durchsuchungen fanden die Ermittler auf dem Handy eines der Verdächtigen das Foto, das den auf dem Boden liegenden Mann in Fesseln zeigt, dem ein Wachmann den Fuß in den Nacken setzt.
Verbotene Waffen gefunden
Mittlerweile habe man anhand ihrer Stimmen die beiden Wachleute gefunden und Ermittlungen eingeleitet, sagte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim am Montag. Von der Vernehmung der beiden erhoffe man sich auch, den Zeitraum eingrenzen zu können, in dem der Vorfall passierte. „Dann können wir hoffentlich auch das Opfer finden und vernehmen“, sagte Daheim. Außerdem stehen zwei weitere Wachleute im Fokus der Ermittler: Bei ihnen seien verbotene Waffen wie Schlagstöcke gefunden worden.
Im Fall Burbach lässt Richter auch den Staatsschutz ermitteln, weil ein fremdenfeindlicher Hintergrund zunächst nicht ausgeschlossen schien. „Wir haben aber bisher keine Erkenntnisse, dass die Tatverdächtigen der rechten Szene angehören“, sagte Richter. Möglicherweise seien die Männer überfordert gewesen oder einfach charakterlich ungeeignet für eine solche Aufgabe.
Ermittlungen in weiteren Städten
In Burbach wird mittlerweile gegen zwei weitere Wachmänner ermittelt, wie am Montag bekanntwurde. Damit ist die Zahl der Verdächtigen dort auf sechs gestiegen. Im siegerländischen Bad Berleburg sollen zudem zwei 30 und 37 Jahre alte Beschäftigte eines Sicherheitsunternehmens einen Flüchtling verletzt haben. Auch in Essen ermittelt die Polizei nun wegen des Verdachts der Körperverletzung in einer Unterkunft, die vom gleichen privaten Betreiber geführt wird wie die Unterkunft in Burbach im Siegerland.
Steigende Asylwerberzahlen
Stark steigende Asylwerberzahlen stellen die Behörden derzeit vor Herausforderungen. Viele Einrichtungen sind überbelegt. Bis August 2014 beantragten insgesamt 99.592 Menschen in Deutschland Asyl. Im Gesamtjahr erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 200.000 Bewerber.
Hier gaben Flüchtlinge laut Polizei an, nach Streitigkeiten geschlagen worden zu sein. „In den letzten 14 Tagen sind bei uns drei Anzeigen eingegangen“, sagte ein Sprecher am Montag. Die Ermittlungen dauerten an, zurzeit liefen Befragungen. Gegen die beiden Verdächtigen in Bad Berleburg wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Verstärkte Traumatisierung
In Burbach wurde die Befragung der dort lebenden Asylwerber am Montag fortgesetzt. Die Ermittler wollen klären, ob es weitere Übergriffe von Wachleuten gab. Am Wochenende seien zunächst 96 Flüchtlinge befragt worden, die das Heim im Laufe des Montags planmäßig verlassen sollten, sagte ein Polizeisprecher in Hagen. Inzwischen hätten die Ermittler weitere Asylbewerber befragt. In der Unterkunft leben rund 700 Flüchtlinge.
Er sei bestürzt gewesen, als er das Video gesehen habe, sagte Daheim. „Da sitzt ein Mann auf einer mit Erbrochenem verschmutzten Matratze und wird gezwungen, sich hinzulegen“, schildert er. „Es ist entsetzlich, wenn man sich vorstellt, dass zu uns Leute kommen aus anderen Ländern, die dort schon Gewalt erlitten haben und hier Schutz suchen und dann so einer Situation ausgesetzt werden. Das trägt dazu bei, die Traumatisierung noch zu verstärken.“
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