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Stadt Berlin reagiert kopflos

Berlin soll ein neues Museum bekommen, das sich den verschwundenen Monumenten der deutschen Hauptstadt widmet. Die Vorbereitungsarbeiten schreiten angesichts der notorischen Finanznöte Berlins zwar stockend, aber doch voran. Bis vor ein paar Wochen. Denn der Wunsch der Museumsmacher, dort auch Lenins Kopf herzuzeigen, machte die Berliner Stadtregierung einigermaßen kopflos.

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Das Berliner Lenin-Denkmal, obwohl 1991 zerstört, hat bis heute Ikonencharakter, und das weit über die Stadt hinaus: Nicht umsonst nehmen das Monument und seine Zerstörung in der Filmsatire „Goodbye Lenin“ eine ebenso zentrale wie symbolische Rolle ein. Genau diese Ikonenhaftigkeit war der Berliner Stadtregierung offenbar zu viel. Mit allen Mitteln und einigermaßen kreativen Begründungen wollte die Stadt über Wochen hinweg verhindern, dass Lenins Kopf wieder den Weg ans Licht der Öffentlichkeit findet.

Das Zentrum der „modernen DDR“

Das 19 Meter hohe Denkmal des sowjetischen Revolutionsbegründers Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, wurde 1970 in einer pompösen Zeremonie unter Anwesenheit zahlreicher kommunistischer Staatsführer enthüllt. Es war das optische und geografische Zentrum des damaligen Leninplatzes (heute Platz der Vereinten Nationen) mit einem bis heute unter Denkmalschutz stehenden Plattenbau-Ensemble, das symbolhaft für das „gute Leben“ in einer „modernen DDR“ stehen sollte und der am Reißbrett geplante neue Mittelpunkt von Ostberlin war.

Lenin-Statue in Berlin, 1990

AP/Peter Dejong

Die Lenin-Statue kurz vor ihrem Sturz 1991

Bis hin zu ihrem Abriss war die Statue Symbol: Im November 1991 wurde sie demontiert, auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Fall der Mauer, am Vorabend des 74. Jahrestages der Oktoberrevolution 1917. 200.000 Menschen schauten zu. Und schon damals machte der Koloss den Stadtvätern offenbar einige Angst: Entgegen den ursprünglichen Plänen wurde die Statue nicht möglichst unversehrt am Seddinsee gelagert, sondern im Wald in der Nähe des Müggelsees im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick vergraben - in 129 Einzelteilen.

Hoffnungen auf harmlose Ausstellung enttäuscht

Mit ihrem Wunsch, den Lenin-Kopf wieder herzuzeigen, stießen die Museumsmacher die Stadtregierung gehörig vor den Kopf. Im Berliner Rathaus hatte man die Schau offenbar nur als Depot für nutzlose wilhelminische Heldenbüsten geplant. Der Wunsch nach dem Lenin-Kopf wurde von der Stadt umgehend abgelehnt: Die Ausgrabung sei viel zu teuer. Die Museumsmacher konterten, um das Geld würden sie sich schon kümmern, und legten konkrete Finanzierungspläne und Sponsorenzusagen vor.

Daraufhin kam die Stadt mit dem wunderlichen Argument daher, das Herzeigen des Kopfes allein werde dem ursprünglich intendierten künstlerischen Gesamteindruck der Statue nicht gerecht. Das war der Zeitpunkt, zu dem den Berlinern die Argumentation offenbar zu hahnebüchen und, kampagnisiert von der „Berliner Zeitung“, der Ruf nach der Rückkehr des Lenin-Kopfes zum allgemeinen Thema wurde. Am Wochenende lenkte die Senatsverwaltung schließlich ein und sagte, man wolle „den Weg dafür frei machen“.

Internet half bereitwillig mit Ortsangaben

Die Sache ist damit aber noch nicht erledigt, denn laut der Berliner Stadtverwaltung muss man erst nach dem Kopf suchen - und es sei ungewiss, ob man ihn im Treptower Wald je wiederfinden werde. Das Internet half im Handumdrehen mit genauen Ortsangaben. Ein US-Filmemacher grub den Kopf sogar einmal auf eigene Faust aus und machte die Doku „The Book of Lenins“ daraus. Er wohnt noch heute in Berlin und verwies darauf, dass wie alles in Deutschland natürlich auch die Lage des Denkmals genau dokumentiert sei.

Es dürfte nicht der letzte Konflikt der Stadt mit den Verantwortlichen der künftigen Dauerausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ gewesen sein. Sie haben auch angekündigt, sich dem nationalsozialistischen Erbe der Stadt stellen zu wollen, und zwar mit der Zitadelle Spandau als Ausstellungsort, der unweit des früheren NS-Kriegsverbrechergefängnisses Spandau liegt. 2015 soll die Ausstellung eröffnet werden.

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