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„Lasst ihn doch stürzen“

Unter dem Jubel Tausender Menschen haben Aktivisten in der Nacht auf Montag in der ostukrainischen Stadt Charkiw die größte Lenin-Statue der Ex-Sowjetrepublik gestürzt. Die Skulptur des kommunistischen Revolutionsführers war vor 50 Jahren errichtet worden. Sie fiel auf den Platz der Freiheit von ihrem Sockel, als Ukrainer die an den Füßen angesägte Skulptur mit Seilen herunterzogen.

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Das mit dem Postament rund 20 Meter hohe Denkmal war das größte der Ukraine - und eines der wenigen dort verbliebenen: Schon im Zuge der proeuropäischen Revolution, die 2013 vom Maidan in der Hauptstadt Kiew ausging, hatten prowestliche Kräfte landesweit zahlreiche Lenin-Statuen gestürzt. Der Chef der Gebietsverwaltung von Charkiw, Igor Baluta, erließ eine Verordnung, um den eigentlich strafbaren Vandalismus nachträglich zu legalisieren.

Regierung ruft „Feiertag“ aus

Demnach wurde das Denkmal als Symbol des Totalitarismus aus dem Register für Kulturerbe der Stadt gestrichen und war damit von einem Moment auf den anderen ein unbewilligtes Bauwerk. Dieselbe bürokratische Taktik war schon vor Jahrzehnten im Zuge des Zerfalls des Ostblocks angewendet worden. Auch das Berliner Lenin-Denkmal, dessen Kopf nun wieder ausgestellt werden soll, wurde 1991 eilends von der Stadtverwaltung von der Denkmälerliste genommen und war damit rechtlich ab diesem Moment ein zu entferndender Haufen Baumaterial.

Die nunmehrige ukrainische Regierung machte angesichts des Konflikts mit Russland aus ihrer Freude über Lenins Sturz kein Hehl. „Lenin? Lasst ihn doch stürzen“, schrieb Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite. Solange dabei niemand verletzt werde und „diese verdammte Kommunisten-Ikone nicht noch weitere Opfer fordert“, sei an der Aktion nichts zu beanstanden. Sein Berater Anton Geraschtschenko berichtete, dass in der Stadt noch ein zweites Lenin-Denkmal gestürzt worden sei. „Das ist einfach ein Feiertag!“, schrieb er auf Facebook.

Ermittlungen wegen Sachbeschädigung eingestellt

Die 8,50 Meter hohe Statue wurde in der Nacht auf Montag auf Beinhöhe abgesägt und anschließend unter dem Jubel der Menge mit einem Seil vom Sockel gerissen. In der zweitgrößten Stadt der Ukraine hatten sich zuvor Tausende antirussische Demonstranten versammelt. Die Behörden der russischsprachigen Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern hatten die Entfernung der Lenin-Statue bereits zugesagt, den Vollzug wollten die Aktivisten aber offenkundig nicht abwarten. Einige nahmen Bruchstücke des Denkmals als Andenken mit nach Hause.

Die wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung eingeleiteten Ermittlungen wurden eingestellt, da laut dem Innenministerium niemand zu Schaden kam. Nach dem Zerfall der Sowjetunion waren in den Teilrepubliken viele Lenin-Statuen zu Fall gebracht worden, darunter in den 1990ern auch in Moskau, wo die Reste heute in einem Skulpturenpark stehen. In vielen Orten Russlands gehören die Denkmäler bis heute zum Stadtbild. Der Leichnam Lenins (1870-1924) liegt als Touristenattraktion im Mausoleum auf dem Roten Platz in Moskau.

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