Große Mehrheit im Parlament
Das britische Parlament hat am Freitag mit großer Mehrheit für Luftangriffe auf Stellungen der Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) im Irak gestimmt. Bei einer Sondersitzung billigten 524 Abgeordnete den Antrag der Regierung von Premierminister David Cameron, dass Großbritannien sich an der internationalen Allianz gegen den IS beteiligt. Lediglich 43 Parlamentarier stimmten dagegen.
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Damit kann sich die Royal Air Force der US-geführten Militäraktion mit sofortiger Wirkung anschließen. Erste britische Kampfjets wurden bereits in den vergangenen Tagen nach Zypern verlegt.

APA/EPA/CPL Neil Bryden/British Ministry of Defence
Kampfbereite Tornados wurden in den vergangenen Tagen nach Zypern verlegt
Mehrstündige Debatte
Die Abgeordneten wurden für die Abstimmung aus der Sommerpause zurückgeholt. Eine Mehrheit für den Regierungsantrag galt schon vor der Abstimmung als praktisch sicher, da sich neben den regierenden Konservativen und den Liberaldemokraten als kleinerem Koalitionspartner auch die oppositionelle Labour-Partei für die Beteiligung an Luftschlägen ausgesprochen hatte. Die Abgeordneten der Torys standen einem Bericht der BBC zufolge unter Fraktionszwang.
Der Abstimmung ging eine mehrstündige Debatte über den von Cameron geforderten Einstieg des Landes in die von den USA geführte „Allianz der Willigen“ voraus. Der IS sei „eine klare und erwiesene Bedrohung für das Leben von Briten“, so Cameron, demzufolge die Militäraktion „eher Jahre als Monate“ dauern werde.
„Gute Gründe“ für Einsatz in Syrien
Cameron und sein Kabinett hatten bereits am Vortag die rechtlichen Gegebenheiten geprüft und keine Hindernisse für ein Eingreifen erkannt. Die britische Beteiligung soll zunächst auf den Irak begrenzt bleiben. Cameron zufolge müsse aber auch in Syrien verstärkt die Terrormiliz vorgegangen und diese „zerstört“ werden.
„Ich glaube, es gibt gute Gründe für uns, mehr in Syrien zu tun.“ Jedoch müsse eine Entscheidung dieser Tragweite im Konsens der großen Parteien fallen. Britische Militärschläge auf Stellungen in Syrien müssten laut Cameron nun aber noch in einer getrennten Debatte vom Parlament beschlossen werden.
Großbritannien ist von den Gräueltaten des IS in besonderer Weise betroffen. Eine britische Geisel wurde enthauptet, das Leben zweier weiterer wird bedroht. Möglicherweise sind die Täter im Besitz britischer Pässe. Die britische Regierung geht davon aus, dass mindestens 500 Briten im Irak und in Syrien für den IS kämpfen.
US-Einsatz startete Anfang August
Andererseits herrschte in Bezug auf ein Eingreifen im Irak besondere Zurückhaltung. „Der Schatten des Irak ist lang“, hieß es aus der Downing Street im Vorfeld. Der Feldzug von US-Präsident George W. Bush gegen den irakischen Machthaber Saddam Hussein im Jahr 2003, an dem sich der damalige Premierminister Tony Blair auf der Grundlage falscher Informationen beteiligt hatte, wird in Großbritannien inzwischen parteiübergreifend als großer Fehler eingestuft.
Mit den nun beschlossenen Luftangriffen schließt sich Großbritannien den USA an, die bereits seit Anfang August Luftangriffe gegen IS-Stellungen im Irak und mittlerweile auch in Syrien fliegen. Laut dem US-Verteidigungsministerium zerstörte die Luftwaffe am Freitag vier IS-Panzer in Syrien sowie mehrere Fahrzeuge und Stellungen der Miliz im nordirakischen Kirkuk und westlich von Bagdad. Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte trafen Luftangriffe Donnerstagabend und Freitagfrüh außerdem Ölraffinerien und Kommandozentralen des IS in den syrischen Regionen Deir Essor und Hassaka.
Unterstützung auch aus Belgien und den Niederlanden
Bereits an den ersten Luftangriffen waren nach Angaben aus Washington neben den Vereinigten Arabischen Emiraten Saudi-Arabien, Bahrain und Jordanien beteiligt. Katar unterstützt den Einsatz zudem logistisch. Als erstes europäisches Land folgte Frankreich.
Am Freitag gab zuletzt auch Dänemark bekannt, sieben Militärjets zur Unterstützung des Kampfes gegen den IS in den Irak zu schicken. Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt sagte am Freitag bei einer Pressekonferenz in Kopenhagen, sie freue sich über die mittlerweile „breite Koalition“ gegen die Islamisten, zu der auch Länder der Region ihren Beitrag leisteten. Wie Großbritannien und Frankreich will auch Dänemark den Einsatz der sieben Kampfjets vom Typ F-16 zunächst auf den Irak beschränken. Auf Bitten der US-Regierung haben auch Belgien und die Niederlande kürzlich angekündigt, Kampfjets für den Einsatz gegen die Dschihadisten im Irak zu entsenden.
Erdogan fordert Flugverbotszone
Angesichts des IS-Vormarschs in Syrien sprach sich unterdessen der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für die Schaffung einer „Sicherheitszone“ im Nachbarland aus. Erdogan forderte am Freitag in Istanbul nach seiner Rückkehr von der UNO-Vollversammlung außerdem erneut eine Flugverbotszone über Syrien.
Zu Einzelheiten wolle er erst nach Diskussionen mit der Regierung öffentlich Stellung nehmen. Das Parlament in Ankara werde am Donnerstag über eine mögliche Unterstützung einer internationalen Militäroperation gegen den IS durch die Türkei beraten und die „notwendigen Schritte“ unternehmen. „Unsere Position hat sich nun geändert. Was folgt, ist etwas vollkommen anderes.“
Keine US-Jets auf türkischen Flughäfen
Die Türkei hatte sich beim internationalen Vorgehen gegen den IS bisher zurückgehalten. Erdogan verweigerte unter anderem den USA die Erlaubnis, für ihre Luftangriffe auf IS-Stellungen türkische Flughäfen zu benutzen. US-Außenminister John Kerry war eigens in die Türkei gereist, um Erdogan eine entsprechende Bitte vorzutragen. Die Zurückhaltung wurde auch damit erklärt worden, dass der IS 46 türkische Geiseln in ihrer Gewalt hatte.
Am vergangenen Wochenende erreichte die türkische Regierung unter nicht genannten Umständen die Freilassung ihrer Staatsbürger. Erdogan hatte nach der Freilassung der Geiseln eine Unterstützung der Türkei für eine internationale Militäroperation gegen den IS nicht mehr ausgeschlossen.
Kurden durchbrechen Grenzzaun
Immer mehr Kurden aus der Türkei wollen sich unterdessen am Kampf gegen IS beteiligten. Am Freitag haben Hunderte einen Grenzzaun zwischen der Türkei und Syrien niedergerissen. Sie passierten anschließend die Grenze im türkischen Mursitpinar, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Auf syrischer Seite wurden sie von kurdischen Kämpfern der Partei der Demokratischen Union (PYD) in Empfang genommen. Die türkischen Grenzschützer ließen sie gewähren. In den vergangenen Tagen war es bei ähnlichen Vorfällen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Sicherheitskräften gekommen.
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