Ratifizierung durch EU-Staaten?
Ungeachtet breiter Kritik haben die EU und Kanada am Freitag in Ottawa das gemeinsame Freihandelsabkommen (CETA) vorgestellt. Nach fünfjährigen Gesprächen seien die Verhandlungen abgeschlossen, sagte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy bei einer feierlichen Zeremonie. „Wir feiern das Ende der Verhandlungen.“
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Man habe die Zustimmung aller EU-Mitgliedsstaaten, so Van Rompuy. Ähnlich äußerte sich der scheidende EU-Kommissionschef Manuel Barroso. „Alle offiziellen Mitteilungen, die wir aus Deutschland erhalten haben, waren absolut dafür.“ Zugleich veröffentlichte die EU am Freitag den inklusive alle Anhänge 1.600 Seiten langen Vertragstext.
Viel Kritik an Geheimhaltung
CETA steht für Canada-EU Trade Agreement und soll den Handel zwischen Europa und Kanada ankurbeln. Dafür sollen Zölle gestrichen und gemeinsame Standards für Produkte und Dienstleistungen festgelegt werden. CETA gilt als Blaupause für das Handelsabkommen TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft). Beide Abkommen sehen einen Investorenschutz vor, der Firmen in Streitfragen den Gang vor internationale Schiedsgerichte ermöglichen soll. Kritiker fürchten, dass damit die nationale Justiz unterlaufen werden könnte.
Einer der zentralen Kritikpunkte bei CETA wie auch TTIP ist zudem, dass der Text abseits einer breiten Öffentlichkeit und damit ohne eine vielfach geforderte Transparenz ausgehandelt wurde. Allerdings ist CETA noch nicht endgültig beschlossen. Vorher müssen das Europaparlament und der EU-Ministerrat sowie Kanadas Parlament zustimmen. Das wird voraussichtlich nicht vor nächstem Sommer geschehen. Dabei kann der Text nach Angaben von EU-Beamten auch noch verändert werden.
Deutschland will Nachverhandlungen
Deutschland etwa bestand zuletzt auf einer Nachverhandlung. Vor allem das Investitionsschutzkapitel sei für Deutschland nicht zustimmungsfähig, so Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Weil nach Meinung der deutschen Regierung auch Bundestag und Bundesrat wie die anderen nationalen Parlamente dem Abkommen zustimmen müssen, sieht er einen politischen Hebel für die von der EU-Kommission bisher abgelehnten Nachverhandlungen.
Gabriel selbst rechnet aufgrund des Ratifizierungsprozesses nicht mit einem Inkrafttreten von CETA vor 2018, wie er in einem Brief an die Abgeordneten im deutschen Bundestag erklärte. Allerdings bezweifelt die EU-Kommission, dass die einzelnen Nationalstaaten zu CETA überhaupt zustimmen müssen. Das soll nun juristisch geprüft werden. Zudem erklärte die EU-Kommission Anfang der Woche, Deutschland hätte seine Bedenken in den vergangenen Jahren während der Verhandlungen vorbringen können.
Widerstand auch aus Österreich
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sprach sich in einer dringlichen Anfrage am Dienstag im Parlament gegen den zusätzlichen Investorenschutz für Konzerne aus. Diese Meinung wolle er auch im Europäischen Rat vertreten. Die Grünen zeigten sich damit nicht zufrieden, sie orten einen Widerspruch zu der von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) vertretenen Meinung. Dieser warnte im Ministerrat vor „Panikmache“, zudem habe Österreich von solchen Abkommen immer profitiert. Eine Aufweichung europäischer Standards lehnte er allerdings ab.
Neben Österreich und Deutschland gibt es auch starken Widerstand in Frankreich, Italien, Belgien und Luxemburg. Auch in Kanada selbst gibt es viel Kritik an dem Abkommen, unter anderem von den Grünen.
WIFO erwartet positive Effekte
Laut WIFO-Expertin Elisabeth Christen kann Österreich durch CETA mit positiven Effekten rechnen. Zwar sei es für eine genaue inhaltliche Beurteilung noch zu früh, sie habe aber den Eindruck, dass es nach dem öffentlichen Druck auch einige Nachbesserungen gegeben habe. Bei den Investitionsschutzklauseln seien etwa einige Passagen und Bestimmungen strenger formuliert und abgeändert worden. So sei jetzt genauer definiert, was ein Investor und was eine Investition sei.
Weiters habe die EU in CETA auch die UNCITRAL-Transparenzregeln einfließen lassen, wonach Schiedsgerichtsverhandlungen und ein Großteil der Dokumente auch der Öffentlichkeit zugänglich seien, sofern keine vertraulichen Informationen betroffen seien. Als wesentliches Ergebnis der Verhandlungen wertet die WIFO-Expertin auch Verschärfungen beim Urheberrecht und den verstärkten Schutz wesentlicher agrarischer geografischer Herkunftsbezeichnungen.
AK: Umfrage nicht eingeflossen
Die Arbeiterkammer (AK) hatte im Vorfeld der Vorstellung kritisiert, dass viele Bedenken der Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und der breiten Bevölkerung ignoriert wurden. So hätten etwa die Ergebnisse einer Umfrage zum Investitionsschutz von Mitte 2014 in die Verhandlungen nicht einfließen können, weil diese noch gar nicht ausgewertet seien, so AK-Präsident Rudolf Kaske in einer Aussendung. Über 150.000 Menschen und Organisationen hätten an der Konsultation zu diesem besonders umstrittenen Vertragsinhalt teilgenommen. Die AK fordert von der Bundesregierung und dem Wirtschaftsminister, dass diese ihre Zustimmung verweigern.
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