Themenüberblick

„Schlachtfeld“ eigene Partei

Seit seinem Amtsantritt im Februar eckt der als selbstverliebt geltende italienische Premier und Chef der Partito Democratico (PD), Matteo Renzi, auch im eigenen Lager an. Über sein Reformpaket ist nun auch ein parteiinterner Machtkampf entbrannt, der die PD zu spalten droht. Auf dem „Schlachtfeld PD“, so die Tageszeitung „La Repubblica“, schenken sich Renzi und die alte Parteigarde nichts.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Aktuell geht es in dem Streit um den Artikel 18 aus dem Arbeitsrecht, der Schutz gegen ungerechtfertigte Entlassungen bieten soll. Renzi meinte, der Artikel sei ein „Tabuthema“, an dem gerüttelt werden müsse, um die Beschäftigung wieder anzukurbeln. „Wir müssen neue Jobs schaffen und das Arbeitsstatut aus den 70er Jahren neu schreiben. Er muss für die Zukunft passen und darf nicht länger der Vergangenheit angehören“, so Renzi.

Gegner verlangen „Respekt“

Die Aufweichung des Kündigungsschutzes wiederum erzürnt Renzis Parteigenossen. Spitzenpolitiker der PD, der Linkspartei SEL und Gewerkschafter sprachen sich offen gegen die Abschaffung des Artikels 18 aus. PD-Präsident Matteo Orfini verlangte radikale Änderungen zum Reformtext, den die Regierung dem Parlament vorgelegt hatte. Auf Orfinis Seite stellte sich eine Schar Gleichgesinnter, darunter der ehemalige PD-Vorsitzende Pierluigi Bersani.

„Artikel 18 hat einen gewissen symbolischen Aspekt, und Sie können ihn nicht einfach wegwerfen“, appellierte Bersani in einem Interview mit dem TV-Sender La 7 an Renzi und erinnerte diesen daran, „mit meinen 25 Prozent“ zu regieren. Er erwarte sich „nicht Dankbarkeit, aber Respekt“, fügte Bersani hinzu. Ihm wie dem linken Flügel der PD geht es um die linken Werte und Ziele der Partei. Der alten Garde ist Renzi zu laut, zu eitel, zu selbstverliebt und zu wenig links. Er habe Reformen im Kopf, wie einst die rechte britische Premierministerin Margaret Thatcher.

Renzi: „Euch geht es um Ideologie“

Aber auch für Renzi kommt der innerparteiliche Kampf um den Artikel 18 nicht ungelegen: „Euch geht es um Ideologie, nicht um die Arbeiter“, kontert er der alten PD-Generation und droht, die Partei „entrümpeln“ zu wollen. Seine Idee ist eine „post-ideologische, post-berlusconianische oder ganz generelle ’Post-Partei“, zitiert der „Spiegel“ den Politikwissenschaftler und Wahlforscher Ilvo Diamanti. Oder einfach eine „Renzi-Partei“, die sich nicht länger um rechts oder links schert.

Damit bringe er seine innerparteilichen Gegner ins Dilemma, schreibt die Tageszeitung „Corriere della Sera“: Spalten sie sich ab, geraten sie ins politische Out - bleiben sie, müssen sie den Kurs der Parteimehrheit mittragen. Das wiederum treibt die zur Verzweiflung, die wie Bersani aus einer der ehemals kommunistischen Parteien zur PD gekommen sind. Zugleich will Renzi in jenen Lagern Stimmen fischen, die sich traditionell die Forza Italia des Ex-Premiers Silvio Berlusconi, die Lega Nord und die Bewegung Fünf Sterne des Ex-Komikers Beppe Grillo holen.

„Letzte Chance für Italien“

Der Regierungschef verschärfte unterdessen den Druck auf das Parlament für eine rasche Umsetzung seiner Arbeitsrechtsreform. In einem eindringlichen Appell mahnte Renzi vergangene Woche vor dem Parlament, dass Reformen die „letzte Chance für Italien“ seien, sich zu retten. Er erwarte sich vom Parlament Kooperation, um die Reformen in akzeptabler Zeit durchzubringen.

Er sei bestrebt, bis Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2018 im Sattel zu bleiben und notfalls auch gegen Widerstand in den Kammern sein Reformprogramm per Dekret durchzusetzen. „Entweder wir bringen die Reformen gemeinsam auf den Weg oder wir machen in dem Schneckentempo weiter, das unser Wachstum seit 20 Jahren hemmt“, sagte Renzi und drohte auch mit Neuwahlen.

Gewerkschaften rufen Streik aus

Der Beschluss seines Kabinetts, auch 2015 die Beamtengehälter einzufrieren, und massive Kürzungen in der öffentlichen Verwaltung sorgen bereits für handfeste Proteste. Dadurch werde die schwere Krise im Land verschärft, warnten die Arbeitnehmerverbände und Lehrer, Universitätsprofessoren, Ärzte und Beamte kündigten einen Streik für den 8. November an. Politische Beobachter warnen vor einem „heißen Herbst“ mit weiteren Streiks und massiven Demonstrationen gegen den Regierungskurs.

Trübe Aussichten

Für die italienische Wirtschaft gibt es indes kaum Hoffnung auf Aufschwung in den kommenden Monaten. Eine kalte Dusche musste die Regierung Renzi unlängst hinnehmen: Sowohl die Organisation für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als auch die Ratingagentur Standard & Poor’s rechnen, dass Italien bis Ende 2014 in der Rezession stecken wird.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird im Gesamtjahr 2014 um 0,4 Prozent schrumpfen, nachdem es bereits 2013 um 1,8 Prozent zurückgegangen ist. Das bringt die Regierung Renzi unter Zugzwang: Nicht nur die OECD, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF), auch die EU-Kommission hat Italien mehrmals aufgefordert, den Reformkurs zu beschleunigen.

Links: