Studium im Libanon und den USA
Glatt rasiert und im Anzug - so trat Aschraf Ghani noch auf, als er Kandidat bei der Präsidentenwahl in Afghanistan 2009 war. Keine drei Prozent der Afghanen stimmten damals für den früheren Finanzminister und Weltbank-Experten, der alles andere als Volksnähe verkörperte.
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Auf den Plakaten bei der diesjährigen Präsidentenwahl war ein gewandelter Aschraf Ghani zu sehen: Mit Bart, Turban und in traditionellem afghanischem Gewand blickte er gütig auf die Wähler - die er letztlich überzeugen konnte. Fünf Jahre nach dem Wahldebakel 2009 wird Ghani nun doch noch Präsident Afghanistans.
Damit krönt der 65-jährige Technokrat eine politische Karriere, auf die vor ein paar Jahren niemand mehr gewettet hätte. Der Paschtune konnte vor allem auf die Stimmen der größten afghanischen Bevölkerungsgruppe bauen, die zu mobilisieren ihm bei der Stichwahl gelang. Und Ghani - der schon beim Wahlkampf 2009 auf Soziale Medien gesetzt hatte und seiner Zeit in dem rückständigen Land damit weit voraus war - konnte auch junge und gebildete Afghanen überzeugen.
Vater der neuen Währung Afghani
Ghani wurde 1949 in Kabul geboren, er studierte im Libanon - wo er seine Ehefrau Rula kennenlernte - und in den USA. Nach seiner Promotion arbeitete der Anthropologe von 1991 an mehr als zehn Jahre bei der Weltbank. In seine Heimat kehrte Ghani nach jahrelanger Abwesenheit erst nach dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 zurück.
Zunächst war er in Kabul Berater des UNO-Sondergesandten Lakhdar Brahimi. In der Übergangsregierung von Präsident Hamid Karzai - dem Ghani nun nachfolgt - war er dann bis 2004 Finanzminister. Ghani verdiente sich internationalen Respekt unter anderem damit, dass er die neue Währung Afghani aus dem Boden stampfte.
Versprechungen an Karzai
Als Kanzler führte Ghani danach die Universität Kabul, was er heute als sein „bestes Jahr“ bezeichnete. Karzai betraute ihn ab 2011 damit, die Übernahme der Verantwortung durch die afghanischen Sicherheitskräfte von den internationalen Truppen zu organisieren. In der Stichwahl gegen Abdullah Abdullah galt Ghani als Karzais Favorit. Dazu mag auch beigetragen haben, dass Ghani angekündigt hat, im Falle seines Wahlsiegs einen herausgehobenen Beraterposten als „Nationaler Anführer“ für Karzai zu schaffen.
Ghani tritt sanft auf, an Selbstbewusstsein mangelt es ihm aber nicht. „Ich habe zehn Jahre an manchen der drängendsten Probleme der Welt gearbeitet“, sagte er über seine Zeit bei der Weltbank. Ghani gehörte zu den wenigen Kandidaten, die tatsächlich mit konkreten politischen Ideen in den Wahlkampf zogen.
Ratschläge von Ehefrau
Als Präsident will Ghani seinen Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Entwicklung des bitterarmen Landes legen. Er hat auch angekündigt, Sicherheitsabkommen mit den USA und der NATO zu unterzeichnen, die Voraussetzung für einen internationalen Militäreinsatz nach dem Jahreswechsel sind. Bisher hängt der Einsatz in der Schwebe.
Erwartet wird auch, dass Ghani im Dialog mit dem Westen sanftere Töne anschlägt, als es Karzai in den vergangenen Jahren tat. Mit oft kruden Vorwürfen stieß Karzai zahlreiche Verbündete vor den Kopf. „In meiner Regierung wird es keine Megafon-Diplomatie geben“, sagte Ghani. Rat für seine Präsidentschaft will sich Ghani unter anderem von seiner Ehefrau Rula holen. „Sie ist viel schlauer, als ich es bin“, sagte Ghani vor der Wahl. „Hoffentlich wird sie mich beraten, wie sie es in 38 Jahren Ehe getan hat.“
Can Merey, dpa