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Über Ergebnis erfreut

Das Nein zur Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien ist in Europa positiv aufgenommen worden. Das Ergebnis des schottischen Referendums sei „gut für das vereinte, offene und gestärkte Europa“, so der scheidende EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso am Freitag in Brüssel. „Ich begrüße die Entscheidung des schottischen Volkes, die Einheit des Vereinigten Königreiches zu wahren.“

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Barroso hob das europäische Engagement der Schotten und ihrer Regierung hervor. Die Kommission werde mit der Regierung in Edinburgh bei den Themen Arbeitsplätze und Wachstum, Energie, Klimawandel und Umweltschutz zusammenarbeiten.

Auch der scheidende EU-Ratspräsident Herman van Rompuy zeigte sich erfreut über die Nicht-Abspaltung Schottlands von Großbritannien. „Ich respektiere und begrüße die Wahl der Schotten.“ Es sei auch erfreulich, dass Großbritannien vereint bleibe. „Großbritannien ist und wird ein wichtiges Mitglied der EU bleiben, zum Nutzen aller Bürger und der gesamten Europäischen Union“, meinte Van Rompuy. Auch US-Präsident Barack Obama begrüßte das Ergebnis. Die USA hätten „keinen engeren Verbündeten als das Vereinigte Königreich“.

„Ansteckungsgefahr“ in Spanien gebannt?

Die EU-Kommission hatte schon vor der Volksabstimmung deutlich gemacht, dass sie die Abtrennung von Landesteilen in Mitgliedsstaaten skeptisch sieht, da die Spaltung einen komplizierten Beitritt neuer Staaten in die EU nach sich ziehen würde. Ein „Ansteckungseffekt“ wurde befürchtet.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy zeigte sich daher am Freitag auch als „sehr glücklich“ über den Ausgang des Referendums. Das Ergebnis des Referendums sei eine „gute Nachricht für uns alle, die seit Jahrzehnten am Aufbau Europas teilnehmen“, sagte der für die EU zuständige Staatssekretär Inigo Mendez de Vigo am Freitag in Madrid. Die EU stehe zurzeit vor vielen Herausforderungen, und ein Zerfall sei das Letzte, was sie brauche.

Mas: Prozess in Katalonien gestärkt

Die spanische Regierung will verhindern, dass die Führung der Region Katalonien das für den 9. November angekündigte Unabhängigkeitsreferendum tatsächlich abhält. Die Abstimmung sei verfassungswidrig und werde auf keinen Fall abgehalten, hatte Rajoy mehrfach mitgeteilt. Dessen ungeachtet nahm das Parlament in Katalonien ein Gesetz zur Anberaumung des geplanten Unabhängigkeitsreferendums am Freitagnachmittag an. Für das sogenannte Befragungsgesetz stimmten in Barcelona die 106 Abgeordneten von insgesamt fünf Parteien oder Bündnissen.

Lediglich die 28 Vertreter der konservativen Volkspartei (PP), die in Madrid die spanische Zentralregierung stellt, sowie der antinationalistischen Bewegung Ciutadans votierten dagegen. Trotz der Niederlage der schottischen Unabhängigkeitsbefürworter sah sich Kataloniens Regierungschef Artur Mas durch die schottische Volksabstimmung in seiner Forderung nach einer eigenen Abstimmung bestätigt. „Der Prozess in Katalonien wurde gestärkt, weil wir gesehen haben, dass ein EU-Land eine solche Abstimmung erlauben kann“, sagte Mas im Anschluss an die Parlamentssitzung in Barcelona.

Italien begrüßt Ergebnis

Die italienische Regierung, die in diesem Halbjahr den EU-Vorsitz innehat, begrüßte das Ergebnis des schottischen Referendums. Die EU werde bestimmt von einem verstärkten Engagement Großbritanniens im Rahmen des Vereinten Europas profitieren, hieß es in einer Presseaussendung der Regierung Renzi.

„Die Verwertung der Vielfältigkeit und des Reichtums unserer Gebiete und nicht die Fragmentierung ist die Antwort, die das schottische Volk, das mit Recht auf seine Geschichte und Tradition stolz ist, uns allen gibt“, hieß es in der Presseaussendung.

Südtirol: Hoffen auf verstärkte Regionalität

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) bedauert das mehrheitliche Nein der Schotten zur Unabhängigkeit nicht. Er hätte einem „Ja allerdings etwas abgewinnen können“, so Kompatscher am Freitag im Gespräch mit der APA. Er hoffe, dass die EU verstehe, dass es starke regionale Bewegungen mit dem Wunsch nach Eigenständigkeit gebe. Der Weg der verstärkten Regionalität innerhalb der EU sei auch jener, der ihm für Südtirol vorschwebe, sagte der Landeshauptmann.

Eine klare Absage erteilte Kompatscher einem Vorhaben der Süd-Tiroler Freiheit, im Landtag einen Beschlussantrag einzubringen, in dem gefordert werden soll, mit Rom Verhandlungen mit dem Ziel eines bindenden Referendums zur Selbstbestimmung aufzunehmen. Dabei handle es sich um eine „völlige Verkennung der Situation“. Schottland sei nicht Südtirol, Italien habe im Gegensatz zu Großbritannien eine Verfassung, in der die Einheit des Staates eines der Grundprinzipien sei. Die Südtiroler Situation sei ähnlich jener der Katalanen in Spanien.

Für die Süd-Tiroler Freiheit war der Ausgang des Referendums zwar kein Grund, um in „Jubel auszubrechen“, aber immerhin ein Anlass „zur Freude“. Schottland habe nämlich mit „Hartnäckigkeit und Verhandlungsgeschick bewiesen“, dass Selbstbestimmung möglich sei, hieß es am Freitag.

Lega Nord enttäuscht

Denn besonders die Katalanen in Spanien, aber etwa auch Flamen in Belgien und Südtiroler in Italien fordern Unabhängigkeit. Eine Entscheidung der Schotten für eine Abspaltung von Großbritannien hätte ihnen enormen Rückenwind verliehen. Trotz der Niederlage in Schottland werden diese Autonomiebestrebungen weitergehen.

Italiens rechte Oppositionspartei Lega Nord zeigte sich wegen der Niederlage enttäuscht. „Der Sieg des Nein beim schottischen Referendum ist das Resultat des riesigen Drucks, den mächtige wirtschaftliche und politische Lobbys ausgeübt haben“, sagte der EU-Parlamentarier der Lega Nord, Mario Borghezio, am Freitag. In den Augen dieser Lobbys sei die Selbstbestimmung der Völker ein rotes Tuch.

„Wir sind dagegen Föderalisten und kämpfen für die Selbstbestimmung. Wir begrüßen die vielen schottischen Kavaliere, die auf ihre Identität stolz sind und in diesem wunderbarem Kampf ihren Mut und die beste Seite ihres Volkes gezeigt haben“, sagte Borghezio. Die schottische Unabhängigkeitsbewegung habe ihren Kampf mit Ehre verloren. „Besser ein Tag als Braveheart als hundert Jahre als Diener der Banken“, so Borghezio. Lega-Nord-Chef Matteo Salvini begrüßte das Referendum als Ausdruck der Volkssouveränität. „Wenn ein Volk entscheiden kann, ist es immer ein Erfolg“, twitterte Salvini.

Erleichterung bei NATO-Chef

NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen begrüßte den Ausgang des Referendums. „Ich begrüße das Statement von Premierminister Cameron, dass das Vereinigte Königreich als ein geeintes Land vorangehen wird“, so Rasmussen am Freitag in einem Statement.

„Das Vereinigte Königreich ist ein Gründungsmitglied der NATO, und ich bin zuversichtlich, dass das Vereinigte Königreich weiter eine führende Rolle spielen wird, um unsere Allianz stark zu halten“, sagte Rasmussen. „Ich respektiere voll und ganz die Wahl, welche die Menschen von Schottland in dem Referendum getroffen haben.“ Die USA und Großbritannien sind sehr enge Alliierte. Die USA pflegen mit Großbritannien eine Sonderbeziehung („Special Relationship“), die bei einer schottischen Unabhängigkeit ebenfalls erschüttert worden wäre.

Reaktionen aus Österreich

Österreichs Politik sieht durch das Nein Schottlands positive Auswirkungen auf Europa. Die Chance auf einen Verbleib Großbritanniens in der EU sei gewachsen, twitterte etwa ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas am Freitag. Die Grünen sehen Chancen auf eine Änderung der britischen Europapolitik, die FPÖ sprach von einem „Sieg für die direkte Demokratie“. Die EU-Abgeordnete von NEOS, Angelika Mlinar, sagte, es sei gut, dass sich die proeuropäischen Schotten für den Verbleib bei Großbritannien entschieden.

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