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„Kult“ um Unternehmensgründer Jack Ma

In den USA hat die Onlinehandelsplattform Alibaba am Freitag mit ihrem Börsengang alle Rekorde gebrochen. In den Wochen davor warb das chinesische Unternehmen - offensichtlich erfolgreich - mit einer „Roadshow“ mit vielen Zahlen und Fakten um Investoren. Laut Kennern ist Alibaba hinter den Kulissen aber eine eigene Welt.

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Der Gesamtwert des Unternehmens wird mittlerweile auf über 167 Mrd. Dollar (über 123 Mrd. Euro) geschätzt. Alibaba macht in China rund 80 Prozent der online abgewickelten Einzelhandelsumsätze aus. Über die Plattform werden mehr Waren verkauft als über eBay und Amazon zusammen. Großaktionäre sind die japanische Softbank und die Internetplattform Yahoo.

Die Unternehmenskultur beschreiben Kenner als mitunter bizarr. Der „Wahnsinn-im-Alibaba-Kult“ habe „Methode“, schrieb die „Financial Times“ („FT“) Anfang September. Der „Kult“ drehe sich vor allem um die „visionäre Führung“ von Unternehmensgründer Jack Ma, der gemeinsam mit 27 Vorstandsmitgliedern das Sagen in der Alibaba Group habe. Aktionäre des im chinesischen Hangzhou ansässigen Unternehmens müssten sich darauf einstellen, dass sie nicht viel mitzureden haben.

„Kernwerte“ sind alles

Alibaba sei keine Gruppe von „Gentlemen, die nach den üblichen Regeln spielen“, zitierte die „FT“ Li Zhihui, einen früheren Mitarbeiter und Autor eines Buches über Alibaba. „Sie sind rücksichtlos aus Ambition, sie sind radikal und aggressiv.“ In Besprechungen herrsche ein rauer Ton, es werde gebrüllt, bis die Köpfe rot sind.

Alibaba-Gründer Jack Ma

Reuters/Jason Lee

Jack Ma: „Visionär“ an der Spitze von 22.000 „Aliren“

„Die Unternehmenskultur ist immer noch chinesisch, das Bewertungssystem ist das eines chinesischen Unternehmens“, sagte Jasper Chan, von 2007 bis 2012 leitende Angestellte in der Unternehmenskommunikation bei Alibaba. Mitarbeiter („Aliren“) würden von Vorgesetzten laufend anhand von sechs Schlüsselkriterien beurteilt: Teamwork, Integrität, „der Kunde zuerst“, „Veränderungen annehmen“, Einsatz und Leidenschaft. Angestellte könnten „großartige Verkaufszahlen haben, die können eine Tonne an Einnahmen bringen, aber wenn sie in einem Kernwert nicht gut punkten, können sie immer noch ihren Job verlieren“. Vor Leistung stünden das Prinzip absoluter Loyalität zum Unternehmen und zu Ma sowie jenes einer „starken Identifikation mit Alibabas Werten“, ganz besonders in hohen Managementfunktionen.

Vergleiche mit Chinas KP

Li zog gegenüber der britischen Wirtschaftszeitung Parallelen zwischen dem Unternehmen und der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) in ihren frühen Jahren. „Die zwei sind einander auch darin ähnlich, dass es einen starken und gemeinsamen Glauben gibt. Ganz am Anfang haben die Kommunisten tatsächlich geglaubt, dass sie ein neues und besseres China aufbauen, es war wie eine Religion für sie. Bei Alibaba ist unser Glaube, dass wir einander dabei helfen können, etwas völlig Großartiges zu tun.“

Ma, der die Website Alibaba.com bzw. die Alibaba Group 1999 gründete, eilt ein schriller Ruf voraus. Auf dem alljährlichen Neujahrsfest des Unternehmens zeige sich seine Vorliebe für „ausgefallene Kostüme“ - einmal sei er dabei als Schneewittchen aufgetaucht. In einer internen Mitteilung habe er im Oktober dazu aufgerufen, die „Arktis zu erobern“ und „Pinguine zu töten“ - ein Pinguin ist das Logo des Konkurrenten Tencent. Bei einer anderen Gelegenheit hätten Hunderte Mitarbeiter mit nacktem Oberkörper quasi exerziert.

„Im Westen nicht konkurrenzfähig“

In einem Investorenbrief schrieb Ma laut „FT“: „Im letzten Jahrzehnt haben wir uns daran gemessen, wie sehr wir China verändert haben. In Zukunft wird man uns daran messen, wie viel Fortschritt wir der Welt bringen“ - und an dieser Frage scheiden sich die Geister. Bisher beschränkt sich das Erfolgsmodell jedenfalls auf China. Im Westen sei der rund 22.000 Mitarbeiter zählende „Konzern nicht konkurrenzfähig“, schrieb das deutsche „Handelsblatt“ am Montag.

Insbesondere die deutsche Website erinnere an die „Kindertage des Internets“. Niemand habe „die Seite offenbar vernünftig übersetzt oder gegengelesen“. Beispiele wie „neupreis heißer verkauf produkt haar creme für haarpflege 500ml“ bestätigen das. Der Kauf der Alibaba-Aktie, „bleibt eine Wette auf China“, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), auch wenn Ma „tönt, er wolle die Welt erobern“.

Außerdem müssten sich potenzielle Investoren darüber im Klaren sein, dass es China „nur im Paket“ gebe - „und das enthält auch politische Risiken und Intransparenz“. Der Kreis der Eigentümer rund um Gründer Ma kontrolliere „auch nach dem Börsengang den Konzern im Alleingang“. Von solchen Warnungen ließen sich die Investoren freilich nicht abhalten. Sie rissen dem Unternehmen die Aktien förmlich aus der Hand und machten damit eine ganze Reihe von Managern und Softwarefachleuten bei Alibaba zu Millionären. Allein Firmengründer Ma kassierte beim Börsengang fast 900 Mio. Dollar.

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