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Historischer Tag für Schottland

Egal, wie das Schottland-Referendum am Donnerstag ausgeht - es darf bereits jetzt als historische Wahl gelten. Allein die Wahlbeteiligung dürfte alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen: Experten prognostizieren eine Quote um die 90 Prozent. Das ließ britische Kommentatoren bereits im Vorfeld von einem „Sieg für die Demokratie“ sprechen.

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Bereits in der Früh hatten sich vor einigen der 2.608 Wahllokale die ersten Schlangen gebildet. Auch Mädchen und Burschen in Schuluniformen reihten sich ein, dürfen an der Abstimmung doch bereits Wähler ab 16 Jahren teilnehmen.

Wähler vor dem Absstimmungslokal

Reuters/Paul Hackett

In manchen Wahllokalen hieß es schon in der Früh: Bitte anstellen

„Das ist ein sehr besonderer Tag, einmalig im Leben“, sagte der Leiter der örtlichen Wahlkommission von Edinburgh, Peter Macvean. Seit 8.00 Uhr MESZ können die mehr als vier Millionen registrierten Stimmberechtigten für oder gegen eine Loslösung von Großbritannien votieren.

Unentschlossene als Zünglein an der Waage

„Darauf habe ich mein ganzes Leben gewartet“, sagte ein Geschäftsmann, der in seinem Wahllokal in Edinburgh als Erster die Stimme abgab. „Es ist Zeit, mit England zu brechen. Ja zur Unabhängigkeit!“ Unterbrochen wurde der Geschäftsmann von mehreren Arbeitern, die riefen: „Stimmt mit Nein!“

Wahlplakate für und gegen die Unabhängigkeit

AP/Matt Dunham

Ja oder nein: Viele wollten sich bis zum Schluss nicht festlegen

Bis zuletzt lieferten die beiden Kampagnen einander ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In den jüngsten Umfragen lagen die Gegner einer schottischen Unabhängigkeit erneut knapp vor dem Ja-Lager. Die Wahl entscheiden könnten allerdings jene zahlreichen Wähler, die sich bis zuletzt nicht festlegen wollten.

Letzte Mobilisierungsversuche

Am Mittwochabend hatten die beiden Lager ihre Anhänger deshalb nochmals auf die Abstimmung eingeschworen. Der nationalistische schottische Regierungschef Alex Salmond (SNP) wandte sich am Vorabend der Abstimmung in einem Brief erneut an seine Landsleute. „Lasst Euch nicht erzählen, wir könnten das nicht schaffen“, schrieb Salmond.

Schottische Wähler vor dem Wahllokal

Reuters/Russell Cheyne

Wofür die beiden Herren im Rock stimmten, ist wohl nicht schwer zu erraten

Es handle sich um eine einmalige Chance seiner Generation. Eine zweite Abstimmung werde es in absehbarer Zeit aus seiner Sicht nicht geben. „Es geht darum, die Zukunft Eures Landes in Eure Hände zu nehmen. Lasst Euch diese Möglichkeit nicht entgehen“, so Salmond.

Spätes Werben Londons

London hatte die Unabhängigkeitsbewegung lange unterschätzt und erst in den vergangenen Tagen in den Kampf um Stimmen eingegriffen. Aufgeschreckt durch eine Umfrage, die das Unabhängigkeitslager vorn sah, begannen die politischen Spitzen Großbritanniens dann allerdings intensiv um die Schotten zu werben.

Alex Salmond mit Schulkindern

APA/AP/Scott Heppell

Lange unterschätzte London Salmond und seine Unabhängigkeitskampagne

Premierminister David Cameron warnte vor einer „schmerzhaften Scheidung“, welche die Schotten teuer zu stehen kommen würde. Mit wortreichen Versprechen für mehr Selbstbestimmung versuchten die Parteichefs drei großen Parteien Großbritanniens, Torys, Labour und Liberaldemokraten, die Schotten im Boot zu halten.

Auch US-Präsident Barack Obama plädierte für die Einheit Großbritanniens. Das Vereinigte Königreich sei ein „außergewöhnlicher Partner“ der USA und eine zuverlässige Kraft in einer instabilen Welt, schrieb Obama am Mittwoch im offiziellen Profil des Weißen Hauses im Kurznachrichtendienst Twitter. „Ich hoffe, es bleibt stark, robust und vereint.“

„Dann gibt es keinen Weg zurück“

Bei einem Verbleib im Königreich werde der Wandel für Schottland „schneller und besser“, versprach Ex-Finanzminister und „Better Together“-Kampagnenleiter Alistair Darling zuletzt noch in der BBC. „Wir haben Großbritannien alle gemeinsam aufgebaut und von der Stärke profitiert. Es wäre eine Tragödie, wenn diese Beziehung zerbrochen würde“, so Darling. „Wenn wir uns am Donnerstag dafür entscheiden, das Vereinigte Königreich zu verlassen, dann gibt es keinen Weg zurück.“

Alistair Darling

APA/EPA/Stefan Rousseau

In den jüngsten Umfragen lag Darlings „No“-Kampagne knapp in Führung

In den vergangenen Wochen war die Wirtschaft im Mittelpunkt der Debatte gestanden. Zahlreiche Banken und Unternehmen hatten vor dramatischen Folgen gewarnt, sollte Schottland den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Offen ist etwa, ob Restbritannien eine Währungsunion mit dem neuen Nachbarn eingehen würde.

Karte zeigt Schottland

APA/ORF.at

Schottland - Vorbild für Wales und Nordirland?

Doch unabhängig davon, wie das Referendum ausgeht - massive Probleme für London tun sich jedenfalls auf: Seit Wochen mahnen Parlamentsabgeordnete aus anderen britischen Regionen wie Wales oder aus dem Norden Irlands, es dürften Schottland nicht weitere Zusagen gemacht werden, ohne dass auch diese Regionen mehr Mitsprache bekämen. Sollte also die „No“-Kampagne gewinnen, bliebe London wohl nichts anderes übrig als Zugeständnisse an Edinburgh.

Wahlergebnis zum Frühstück erwartet

Während des teils hitzig geführten Wahlkampfes hatten sich 97 Prozent der 4,4 Millionen Wahlberechtigten für die Abstimmung registrieren lassen. Damit können maximal 4,29 Millionen Menschen ihre Stimme abgeben. Um 23.00 Uhr MESZ schließen in ganz Schottland die Wahllokale. Die Stimmzettel werden dann für eine zweite Prüfung in die Hauptstadt Edinburgh gebracht - von entlegenen Inseln wie den Äußeren Hebriden und den Orkneys teils per Schiff, Flugzeug oder Hubschrauber.

Sobald einer der 32 Stimmbezirke ausgezählt ist, soll das Einzelergebnis bekanntgegeben werden. Hochrechnungen auf das Gesamtergebnis wird es allerdings nicht geben. Das Endergebnis will Wahlleiterin Mary Pitcaithly nach Auszählung aller Stimmbezirke in Edinburgh veröffentlichen. Sie rechnet damit zwischen 7.30 und 8.30 Uhr MESZ. Es könne sich aber auch bis in den späten Vormittag hinziehen, so Pitcaithly. Viele Pubs beantragten auf jeden Fall Ausnahmen, damit sie auch in der Nacht auf Freitag geöffnet bleiben können.

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