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„Wir haben alles unter Kontrolle“

Die Opferzahl beim Einsturz eines Kirchengebäudes in der nigerianischen Küstenmetropole Lagos ist deutlich gestiegen. Ohne jegliche Erklärung haben die Behörden des Staates fünf Tage nach dem Unglück ihre Angaben über Todesopfer von anfangs 17 und später 40 auf nun 62 hinaufgesetzt. Vertuschungsvorwürfe lassen sich nur schwer von der Hand weisen.

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Südafrikas Präsident Jacob Zuma sagte etwa am Dienstag, allein 67 Südafrikaner seien unter den Opfern des Unglücks vom Freitag. Dutzende weitere seien verletzt worden. Es wurde jedoch befürchtet, dass noch mehr Menschen unter den Trümmern des Gasthauses einer beliebten Megakirche begraben liegen. Die Opferzahlen könnten am Ende in die Hunderten gehen. In dem Gebäude waren einheimische und ausländische Gäste der Synagogue Church of All Nations (SCOAN) des populären Fernsehpredigers T. B. Joshua untergebracht.

„Wir haben alles unter Kontrolle“

Nach Angaben von Rettungskräften war das Gebäude wohl durch den Bau zusätzlicher Stockwerke überlastet. Die Behörden warfen Joshua vor, das Ausmaß des Unglücks vertuscht zu haben. Offenbar liefen zum Unglückszeitpunkt Bauarbeiten, bei denen das mutmaßlich statisch ohnehin unzuverlässige Gebäude mit zwei Stockwerken noch um weitere Etagen erweitert werden sollte, und das bei voller Belegung. SCOAN wollte zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen.

Fernsehprediger T. B. Joshua

AP/Carley Petesch

T. B. Joshua

Lediglich die US-Nachrichtenagentur AP konnte einer Sprecherin der Glaubensvereinigung ein Statement abringen: „Wir haben alles unter Kontrolle. Das ist alles, was sie wissen müssen.“ Laut Angaben der nigerianischen Rettungsdienste wurden 131 Menschen aus den Trümmern gerettet. Die Helfer selbst sprachen den Angaben der Staatsführung widersprechend von 63 geborgenen Toten. Rund 1.000 Helfer sind weiterhin im Einsatz, um die Überreste des in sich zusammengestürzten Gebäudes zu durchsuchen.

Viele Politiker unter Anhängern

Joshua, der nach eigenen Angaben wiederholt Wunder geübt hat, zählt eine Reihe von Regierungschefs und Präsidenten zu seinen Anhängern, was ihm erheblichen politischen Einfluss verleiht. Südafrikas Präsident Zuma sagte am Dienstag, in der jüngeren Geschichte des Landes seien niemals so viele Bürger auf einmal bei einem Unglück im Ausland ums Leben gekommen. „Die ganze Nation teilt den Schmerz der Mütter, Väter, Töchter und Söhne, die ihre Geliebten verloren haben“, so Zuma.

Der Prediger schrieb am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter: „Harte Zeiten prüfen mich, aber zerstören mich nicht.“ Nach dem Unglück hatte er gesagt, „die paar Leute“ im kollabierten Gebäude seien alle gerettet worden. Außerdem sagte er, ein Jet „im Tiefflug“ habe durch Erschütterungen den Zusammensturz ausgelöst, was als islamistisches Attentat zu verstehen sei. In den Tagen dazwischen würdigte er das Unglück trotz Dutzender Tweets und Einträge auf Facebook mit keinem Wort. Geht es nach den Reaktionen dort, schien das seine Anhänger nicht zu stören.

Nationalität der Opfer weiter unklar

Die Glaubensgemeinschaft tut offenbar alles, um die näheren Umstände des Unglücks zu verschleiern: Mitarbeiter der Rettungskräfte und Journalisten wurden wiederholt angegriffen, als sie sich der Unglücksstelle auf dem riesigen Kirchengelände im Viertel Ikotun nähern wollten. Angeblich waren vor allem „ausländische Gäste“ in dem Gebäude untergebracht. SCOAN hat auch in Österreich Anhänger. Im Jahr 2004 etwa machte der Fall einer Kärntnerin Schlagzeilen, die offenbar das Verbot ärztlicher Behandlung befolgte und an den Folgen von Malaria starb.

Dass man sich nicht von Ärzten behandeln lassen darf, ist eine der fatalen Thesen von SCOAN. Aids-Aktivisten messen der religiösen Vereinigung etwa eine gewichtige Rolle bei der Ausbreitung der Immunschwächekrankheit in Afrika bei. Heilung ist aus Sicht von Joshuas Jüngern vor allem von ihm zu erwarten beziehungsweise von dem innerhalb der Gruppe ausgegebenen „wundertätigen Weihwasser“. In dem nun zusammengestürzten Gebäude war auch eines der SCOAN-Einkaufszentren untergebracht.

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