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Iran befürchtet Machtverlust

Der Westen setzt im Kämpf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) auf eine breite Allianz. Doch der Iran lehnt eine Zusammenarbeit unter einer US-Führung ab. Zu tief ist das Misstrauen angesichts der laufenden Atomverhandlungen gegenüber dem Westen. Zudem dürfte der Iran vor allem in Syrien eine eigene Taktik verfolgen.

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Der Iran kämpft gegen die Dschihadisten im Irak auf seine Art - jedenfalls nicht Seite an Seite mit den USA. Das hat der Oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei am Montag nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus klargestellt. Der 75-Jährige, der gerade eine Prostataoperation überstanden hat, bezeichnete eine Allianz mit den USA als „nutzlos“.

Nur eines habe ihn während seines Spitalsaufenthalts amüsiert, spottete der Geistliche: die Reden der amerikanischen Politiker anzuhören. „Ich bin sehr froh darüber, dass die USA in dieser Sache mit uns nicht zufrieden sind. Wir wollen uns nicht mit einer unrechten Sache schmutzig machen“, erklärte Chamenei. Den USA unterstellte er, weniger am Kampf gegen IS interessiert zu sein, sondern vielmehr daran, ihre militärische Präsenz in der Region zu sichern.

Iranischer Topgeneral im Nordirak

Dabei hat der Iran durchaus Interesse an einem raschen Sieg gegen die sunnitische Terrororganisation, die mittlerweile fast vor der eigenen Haustüre angekommen ist. Zuletzt lieferte der Iran Waffen an die schiitischen Milizen und trainiert deren Kämpfer für den Kampf gegen die IS. Nach den US-Luftschlägen auf IS-Stellungen nahe der irakischen Stadt Amerli sollen vom Iran finanzierte Milizen die IS-Kämpfer vom Boden aus angegriffen haben. Unmittelbar nachdem die US-Bomber abgezogen waren, tauchten Bilder vom iranischen General Kassim Soleimani auf, die den Chef der Kuds-Einheiten, einer Taskforce für Auslandseinsätze der iranischen Revolutionsgarden, mitten im Kessel von Amerli zeigen.

Misstrauen gegen sunnitische Allianzpartner

Doch auch wenn im direkten Kampf die USA und der Iran anscheinend Hand in Hand vorgehen, zeichnet sich auf diplomatischer Ebene eine immer größere Kluft ab. Vor allem die Tatsache, dass bei der Konferenz in Paris, wo am Montag das gemeinsame Vorgehen gegen IS abgesegnet wurde, die arabischen Rivalen des Iran mit am Tisch saßen, stößt Teheran auf. Darunter sind Länder wie Saudi-Arabien, Bahrain, Kuwait, der Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, denen vorgeworfen wird, bis vor kurzem noch die Dschihadisten finanziert zu haben.

Während der Iran das Vorgehen gegen die IS-Milizen im Irak gutheißt, gilt ihre Hauptsorge der Situation in Syrien. Denn sollten die sunnitischen Verbündeten gemeinsam mit den USA den dortigen Machthaber Baschar al-Assad endgültig stürzen, verliert der Iran einen wichtigen strategischen Verbündeten. Denn mit Hilfe von Syrien konnte der Iran seinen Einfluss über die Hisbollah im Libanon bis zum Mittelmeer ausdehnen. Fällt Assad und eine neue, sunnitische Regierung kommt an die Macht, würde das das Gleichgewicht in der Region zugunsten der sunnitischen Länder verändern.

Verwirrung über Einladung

Dieser Konflikt trat am Montag vor der Konferenz der Anti-IS-Allianz deutlich zu Tage. „Wir wurden vom amerikanischen Botschafter im Irak kontaktiert und gefragt, ob auch wir an ihrer Koalition gegen IS teilnehmen wollen. Als ich über dieses Ansinnen informiert wurde, habe ich Nein gesagt“, erklärte Chamenei. US-Außenminister John Kerry erklärte jedoch, den Iran „angesichts seines Engagements in Syrien“ gar nicht eingeladen zu haben, schloss aber eine spätere Kooperation nicht aus.

Im Iran werden militärische Angelegenheiten vom Geistlichen Führer entschieden, nicht vom gewählten Präsidenten. Chameneis demonstrative Distanz zu den USA spiegelt das Misstrauen vieler Konservativer gegen den Westen wider. Dieses Misstrauen gilt damit auch den Bemühungen der Regierung des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani, den Konflikt um das iranische Atomprogramm zu lösen.

Konservative fürchten Zugeständnisse

Die Konfrontation mit dem Westen habe das System bisher zusammengehalten, analysiert der Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalaam im Gespräch mit ORF-Korrespondenten Christian Schüller. „Die Konservativen hielten die Atomfrage immer für die vorderste Front in ihrem Kampf gegen den Westen“, erklärt Zibakalaam. Dabei sei immer wieder zu hören gewesen, „wenn wir in der Atomfrage auch nur einen Schritt zurückgehen, dann kommt der Westen uns mit den Menschenrechten“. Auch die Unterstützung des Iran für die Hamas könnte dann Thema werden, so die Sorge. „Sie dachten also, wenn sie in einer Frage nachgeben, dann müssen sie auch in all diesen anderen Punkten nachgeben“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Zibakalaam ist Professor an der Universität von Teheran und fiel auch in der Vergangenheit immer wieder mit kritischen Äußerungen zu Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf. Mittlerweile wird er auch von der Justiz verfolgt. Im Jänner des Jahres verfasste er einen offenen Brief an Rouhani, in dem er unter anderem die Fortschritte beim iranischen Atomprogramm anzweifelte. Dafür wurde er wegen Herabwürdigung der Islamischen Republik angeklagt.

Doch auch Rouhani gerät innenpolitisch immer stärker unter Druck. Im Sommer wurde sein Bildungsminister vom Parlament nach einem Amtsenthebungsverfahren abgesetzt. Unter anderem weil er Studenten wieder an die Universitäten geholt hat, die nach den politischen Protesten vor fünf Jahren Studienverbot erhalten hatten. Um gegen die Bedrohung durch den IS stärker auftreten zu können, brauchte er einen raschen Abschluss der Atomverhandlungen. Doch dafür müsste er wohl zuvor den Westen vor den Kopf stoßen.

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