„Teil des Friedensprozesses“
Die Europäische Union will die geplante Umsetzung eines geplanten Freihandelsabkommens mit der Ukraine um 15 Monate verschieben. Der Vertrag solle erst Ende 2015 in Kraft treten, erklärte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Freitag nach Gesprächen mit ukrainischen und russischen Ministern.
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Die EU reagierte damit auf Russlands Kritik an dem Freihandelsabkommen. Nach Angaben von De Gucht soll die ukrainische Wirtschaft bis zur Umsetzung des Freihandelsabkommens von einer Ausweitung der Vorzugszölle auf ukrainische Güter profitieren.
Diese basieren auf dem Assoziierungsabkommen zwischen EU und Kiew, das nach Angaben des ukrainischen Staatschefs Petro Poroschenko am Dienstag ratifiziert werden soll. Eben jenes Assoziierungsabkommen wird von Moskau abgelehnt, weil sich Russland aus dem wichtigen ukrainischen Exportmarkt gedrängt sieht.
Entgegenkommen Brüssels
Mit dem Aufschub des Freihandelsabkommens will die EU auf Russland zugehen und die Zeit für weitere Verhandlungen nutzen. Die Dreiparteiengespräche über den Handel seien Teil eines „umfassenden Friedensprozesses in der Ukraine“, erklärte De Gucht. Die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland und der Aufstand von prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine begannen, nachdem der frühere Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt worden war und eine prowestliche Regierung in Kiew übernahm.
Bitte von Poroschenko?
Poroschenko hatte sich nach einem Bericht der Agentur Interfax bei der EU dafür eingesetzt, den geplanten Abbau von Zöllen auf EU-Waren zu verschieben. Alexei Uljukajew, der russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, sagte, dass Moskau keine Zölle auf ukrainische Waren erheben werde, solange die Ratifizierung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kiew verschoben werde. Die Ukraine wollte ein entsprechendes Abkommen ursprünglich bereits vor einigen Monaten unterzeichnen. Der damalige Präsident Janukowitsch stoppte das Vorhaben aber auf Druck der russischen Regierung. Die Kehrtwende Kiews löste einen Konflikt mit Russland aus.
Gasstreit im Hintergrund
Seitdem streitet Kiew mit Moskau auch über die Lieferung von russischem Gas, für das der russische Gaskonzern Gasprom mehr Geld verlangt. Seit Juni fließt gar kein russisches Gas mehr auf direktem Weg in die Ukraine. Energieminister Juri Prodan warnte vor Versorgungsengpässen in den kommenden Monaten. „Ich denke, wir werden den Herbst und Winter durchhalten, aber werden einige unpopuläre Maßnahmen zur Einschränkung des Energieverbrauchs treffen müssen“, sagte Prodan am Freitag. Er warf dem Kreml vor, das Gas „als politisches Werkzeug“ zu benutzen.
Kohleförderung wegen Krieges gestoppt
Verschärft wird die Energiekrise durch den Konflikt im Osten des Landes, der vor einer Woche durch eine Waffenruhe unterbrochen wurde. Nach Angaben des Chefs des ukrainischen Energiekonzerns DTEK, Maxim Timtschenko, wurde im umkämpften Kohlebergbaugebiet die Arbeit in den Minen eingestellt. Die Minen, die sonst einen Großteil des ukrainischen Kohlebedarfs abdecken, würden erst in etwa einem Monat wieder in Betrieb sein, sagte Timtschenko.
Kurz gegen Kiewer Mauerpläne
Die ukrainischen Pläne zum Bau einer 2.300 Kilometer langen Mauer entlang der russischen Grenze hält unterdessen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) für ein „absolut abzulehnendes Projekt“. Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko, dem am Freitag in Potsdam der M100 Media Award verliehen wurde, hatte zuvor die Pläne verteidigt.
Es sei nachvollziehbar, dass das Land angesichts des Konflikts ein großes Bedürfnis nach Sicherheit habe, sagte Kurz bei einem ZIB2-Interview aus Potsdam, wo er für Klitschko die Laudatio hielt. Aber neue Mauern brauche man in Europa „definitiv nicht“ - mehr dazu in tvthek.ORF.at.
Zweiter Russischer Hilfskonvoi
Ein zweiter russischer Hilfskonvoi passierte unterdessen Freitagabend offenbar teilweise die Grenze zur Ostukraine. Eine erste Kolonne von 35 Lkws sei nach der Abfertigung durch den Zoll und den Grenzschutz in das Nachbarland gefahren, sagte ein Sprecher der südrussischen Zollbehörde der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Moskau hatte Mitte August einen ersten Hilfskonvoi ohne umfassende Absprache mit Kiew in die von prorussischen Rebellen kontrollierten Gebiete geschickt, nachdem die Lastwagen tagelang an der Grenze festgesessen hatten. Die mehr als 200 Transporter hatten nach Darstellung Moskaus 1.800 Tonnen Hilfsgüter geladen, um die notleidende Bevölkerung im ostukrainischen Konfliktgebiet zu unterstützen. Die Ukraine und die Europäische Union verurteilten das eigenmächtige Vorgehen Russlands.
Eine Vereinbarung zwischen Kiew und den Separatisten vom vorvergangenen Freitag über eine Waffenruhe sieht humanitäre Hilfe für die Krisenregion vor. Moskau hatte nach dem Zustandekommmen der Vereinbarung angekündigt, einen neuen Hilfskonvoi in die Ostukraine zu schicken.
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