Themenüberblick

Lockere Visaregeln

Die radikalislamische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verfestigt in Teilen Syriens und des Irak durch ideologischen Radikalismus, Vertreibung, Terror, Ermordung zahlloser Zivilisten und Schauhinrichtungen westlicher Geiseln ihre Macht. Während nun langsam eine internationale Front gegen die Terrormiliz entsteht, erhält diese weiter regen Zulauf - insbesondere von Muslimen aus dem Westen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Türkei - ihre langgezogene, großteils unwirtliche Grenzregion ist die Hauptroute für diese Dschihadisten - kämpft damit, IS die Nachschubwege abzuschneiden. Die türkischen Sicherheitskräfte verstärkten zuletzt ihre Bemühungen, und Patrouillen, Festnahmen und Verhöre nahmen laut einem Bericht des „Wall Street Journal“ („WSJ“) seit Jahresbeginn deutlich zu.

Die Türkei wurde wegen der bisher vergleichsweise lockeren Visaregeln das Hauptdurchzugsland für ausländische Dischahdisten, die im syrischen Bürgerkrieg und im Irak für IS und andere dschihadistische Gruppen kämpfen wollen. Laut „WSJ“ sprechen Beobachter bereits von einem „Dschihadisten-Highway“.

Geiseln als Faustpfand des IS

Die Türkei hatte sich kurz nach Ausbruch des Aufstands gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad von Damaskus abgewandt und ganz offen den Gegnern des Regimes Unterschlupf auf der türkischen Seite des Grenzgebietes geboten und - gemeinsam mit dem Westen - auch militärische Hilfe. Davon profitierten auch dschihadistische Milizen wie IS.

Türkischer Grenzübergang nach Syrien

APA/EPA/Tolga Bozoglu

Eine syrische Familie auf der türkischen Seite des Grenzübergangs Cilvegozu in der Provinz Hatay

Einer der Gründe sind die Ambitionen des früheren Regierungschefs und nunmehrigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Türkei als Führungsmacht in der islamischen Welt zu etablieren. Doch in den letzten Monaten änderte Ankara seine Position - nicht nur auf Drängen von NATO-Partnern wie den USA, sondern vor allem auch, weil sich IS zusehends zu einer Gefahr für die eigene nationale Sicherheit entwickelte. Am augenfälligsten wurde das durch den Angriff von IS-Kämpfern auf das türkische Konsulat in der irakischen Stadt Mossul, bei dem 49 türkische Diplomaten und deren Familienangehörige als Geiseln genommen wurden. Diese befinden sich immer noch in den Händen der Terrormiliz.

Die 49 Geiseln verhindern auch ein härteres Vorgehen Ankaras gegen IS, wie das „WSJ“ unter Berufung auf US-amerikanische und türkische Diplomaten berichtete. Wiederholt gab es Gerüchte über einen Deal zur Freilassung, doch Ankara dementierte. Türkischen Medien ist die Berichterstattung über die Geiseln überhaupt untersagt.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Westliche Diplomaten beklagen, Ankara sei bereits 2012 gedrängt worden, seine Grenzen stärker zu kontrollieren und klarer zu unterscheiden, welche syrischen Rebellengruppen Unterstützung bekommen. Die türkische Seite beklagte dagegen, von den westlichen Geheimdiensten zu wenige Informationen über die IS-Angehörigen erhalten zu haben. Zudem verwies Ankara darauf, dass ausländische Islamisten bereits in ihren Heimatländern an der Ausreise gehindert werden müssten. Dazu kommt, dass auch der Westen nach Beginn des Aufstands gegen Assad lange jede innersyrische Kraft willkommen hieß, die einen Sturz Assads wahrscheinlicher machte.

IS-Kämpfer

Reuters/Yaser Al-Khodor

IS-Kämpfer bei einer Parade nahe der türkischen Grenze

„Militärische Kontrolle“ allein reicht nicht

„Die Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze wurden verstärkt, aber die Grenze kann nicht allein durch militärische und politische Mittel kontrolliert werden“, betonte der Bürgermeister der südtürkischen Großstadt Antakya, Lutfu Savas, gegenüber dem „WSJ“. Nicht nur IS, sondern viele andere militante Gruppen hielten sich im Grenzgebiet der Provinz Hatay auf. Diese würden die Grenze mittlerweile besser kennen als die Sicherheitskräfte, so Savas.

Auf dem Flughafen von Hatay werden nun insbesondere Männer aus Saudi-Arabien bei ihrer Ankunft von den Grenzbehörden genau befragt. Die Türkei verlangt für Kurzbesuche von Touristen etwa aus der EU zwar ein Visum, dies kann derzeit aber auch noch bei der Einreise ausgefüllt werden. Auch an den Grenzübergängen wurden die Kontrollen deutlich verschärft.

USA stärken Türkei Rücken

Das Pentagon bescheinigte der Türkei erst am Dienstag, dass diese nun zunehmend gegen internationale Extremisten vorgehe, die über das Land nach Syrien reisen wollen. „Wir glauben, dass die Türkei (...) ihre Bemühungen verstärkt“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby in Washington. „Die türkische Regierung ist besorgt über ausländische Kämpfer.“ US-Verteidigungsminister Chuck Hagel reist vom NATO-Gipfel weiter in die Türkei und will das Thema ansprechen. US-Präsident Barack Obama hatte zuvor ein entschlosseneres Vorgehen gegen IS angekündigt und betont, man werde die Terrorgruppe zu einem „überschaubaren Problem“ machen.

Links: