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Was ging schief bei der Kachelstrategie?

Mit Windows 10 hat Microsoft auch einen Schlussstrich unter Windows 8 gezogen. Bereits vor seiner Veröffentlichung im Oktober 2012 war das Betriebssystem heftig kritisiert worden. Dabei sollte Windows 8 Microsofts Antwort auf den rasant wachsenden Markt mit mobilen Geräten werden.

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Zu diesem Zeitpunkt konnten Tablet-Marktführer Apple mit seinem iPad sowie Google mit dem Betriebssystem Android bereits auf ein reichhaltiges Angebot an Apps zurückgreifen. Windows Phone, Microsofts bisheriges mobiles Betriebssystem, war hingegen gar nicht erst für den Einsatz auf Tablets vorgesehen und konnte auch auf dem Smartphone-Markt nicht richtig Fuß fassen.

Person bedient einen Laptop mit Windows 8

ORF.at/Christian Öser

Die Oberfläche von Windows 8 war für Touchscreens optimiert

Mit Windows 8 musste Microsoft also in erster Linie aufholen: Um auf dem Tablet-Markt mithalten zu können, setzte Windows von nun an auf seine vorhandene Dominanz auf Desktop-PCs. Der damalige CEO Steve Ballmer verkündete schon Anfang 2011 auf der Consumer Electronics Show, dass die neue Version des Betriebssystems in Zukunft „überall, auf jedem Gerät und ohne Kompromisse“ laufen werde. Kernstück war die hochgelobte Oberfläche des sonst erfolglosen Windows Phone. Sie sollte die Bedienung von Tablets und PC vereinheitlichen.

„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“

Doch die Reaktionen auf das neue Design in Kacheloptik, das jetzt auch auf herkömmlichen PCs zum Standard werden sollte, fielen schon vor der Veröffentlichung gemischt aus. Die neue Benutzeroberfläche bedeutete den ersten radikalen Einschnitt im Design des Betriebssystems seit 1995 - damals wurde unter vergleichbarem Aufruhr der ikonische Startknopf eingeführt. Ausgerechnet dieser verschwand mit der Einführung von Windows 8 zumindest zwischenzeitlich wieder von den Bildschirmen.

Der neue, Touchscreen-optimierte Auftritt von Windows sorgte nicht nur für Unmut bei den Anwendern, auch die Medien stellten Microsofts Vorgehen infrage. In einem Testbericht der vorab erschienenen „Consumer Preview“-Version bemängelte das Technologieportal ZDNet die Entscheidung, den Anwendern eine „touch-basierte Oberfläche aufzuzwingen“, die „keinerlei Vorteile für diejenigen aufweist, die kein solches Gerät verwenden“.

Während das IT-Nachrichtenportal Heise online Microsofts Vorgehen als „mutig“ bezeichnete und betonte, dass man „manchmal mit dem Gewohnten brechen“ müsse, ging der dänische Usability-Experte Jakob Nielsen mit der Oberfläche von Windows 8 hart ins Gericht. Er beschrieb sie zusammenfassend als „Enttäuschung“ - die Kacheln würden die Bedienbarkeit „begraben“. Die Tatsache, dass sich hinter der neuen Oberfläche auch noch der klassische Desktop versteckte, verglich Nielsen gar mit „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“.

Vereinheitlichung von Tablet und Desktop

Dabei war die Benutzeroberfläche nur ein Teil eines grundlegenden Kurswechsels bei Microsoft, dessen Betriebssystem fortan auch auf eigens entwickelten Tablets zum Einsatz kommen sollte. Unter dem Namen Surface wurden mehrere „Vorzeigegeräte“ - analog zu Googles Nexus-Reihe - gleichzeitig mit Windows 8 veröffentlicht. Sie sollten die Vereinheitlichung des Betriebssystems auf Tablets und PCs demonstrieren.

Screenshot zeigt Windows 8 und den Windows Explorer

Screenshot Windows

Gespaltener Auftritt: Kacheln und Desktop können sich den Platz auch teilen

Tatsächlich war diese Einheit aber nur bei den teureren Surface-Pro-Modellen gegeben, die über herkömmliche PC-Hardware unter dem Touchscreen verfügten. Während diese auf das bestehende Softwareangebot der Windows-Plattform und einen vollwertigen Desktop zurückgreifen konnten, waren die günstigeren Modelle mit der speziellen „RT“-Variante des Betriebssystems auf Apps aus dem neu eingeführten Windows Store beschränkt.

Windows Store als Bedrohung für den PC

Microsofts App-Marktplatz stand nicht nur wegen des anfangs kleinen Angebots in der Kritik, viele Entwickler vermuteten auch eine allmähliche Abschottung der bisher offenen PC-Plattform. Die Befürchtung, dass der Windows Store in Zukunft verpflichtend und somit die einzige Bezugsquelle für Software werden könnte, sorgte für zusätzlichen Unmut.

Gabe Newell, Ex-Microsoft-Mitarbeiter und Gründer der Spieleplattform Steam, bezeichnete Windows 8 deshalb etwa als „Katastrophe für jeden im PC-Umfeld“. Minecraft-Erfinder Markus „Notch“ Persson, dessen Firma Mitte September von Microsoft gekauft wurde, äußerte sich damals noch deutlich kritischer und verlautbarte auf seinem Twitter-Account, dass es ihm lieber wäre, wenn Minecraft „gar nicht auf Windows 8“ liefe, statt es für die Verwendung im App-Store zertifizieren zu lassen.

Der Startknopf feiert ein spätes Comeback

Dass auch konzernintern Kritik am neuen Betriebssystem geübt wurde, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Microsoft seit der Veröffentlichung von Windows 8 große personelle Änderungen verzeichnen musste. Neben Steve Ballmer, der sich nach dem ausbleibenden Erfolg der Surface-Tablets zurückzog, wurde auch die Stelle von Steve Sinofsky, dem Leiter von Microsofts Windows-Sparte, noch 2012 umbesetzt.

Als späte Reaktion sollten nachgereichte Updates Windows 8 vor allem auf Desktop-PCs zugänglicher machen. Doch auch mit der im Oktober 2013 erschienenen Aktualisierung auf Version 8.1 und einem weiteren Update konnte - trotz des zurückgekehrten Startknopfs - der Ruf von Windows 8 nicht gerettet werden. Das Betriebssystem erlitt das gleiche Schicksal wie das 2007 veröffentlichte Windows Vista, das nach gespaltener Resonanz ebenfalls nur zwei Jahre später vom weitaus erfolgreicheren Windows 7 verdrängt wurde.

Florian Bock, ORF.at

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