Themenüberblick

Widerstände offenbar rasch ausgeräumt

Nach dem Rücktritt von Michael Spindelegger als ÖVP-Chef, Vizekanzler und Finanzminister am Dienstag steht nun auch seine Nachfolge im Finanzressort fest: Die ÖVP-Führung einigte sich am Sonntagnachmittag bei ihrem Bundesparteivorstand in Linz offiziell auf den bereits seit Tagen als praktisch fix gehandelten Kandidaten Hans Jörg Schelling. Auch bei der SPÖ gibt es noch eine Rochade.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der gebürtige Vorarlberger Schelling, der schon nach der letzten Nationalratswahl als möglicher Finanzminister im Gespräch gewesen war, ist seit 2009 Chef des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger und außerdem seit 2004 Vizepräsident der Wirtschaftskammer (WKÖ). Zuvor war er in der Privatwirtschaft tätig, saß aber auch im Nationalrat.

Der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner bezeichnete die Personalentscheidungen der Partei als Neustart und „eine Ansage in Richtung einer bestimmten Erneuerung“. Schelling habe alles zu bieten, was ein Finanzminister braucht. Harald Mahrer, der bisher Präsident der ÖVP-nahen Julius Raab Stiftung war und nun Staatssekretär im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium wird, sei „ein Querdenker, ein Vordenker“.

Mitterlehners vier Kriterien

Schelling habe als Hauptverbandspräsident ein „ganz schwieriges Thema“, nämlich die Gesundheitsreform, mit den Ländern umgesetzt und die Gebietskranken ins Plus gebracht. Als „ausschlaggebend“ für seine Entscheidung für Schelling nannte Mitterlehner vier Kriterien: Finanzerfahrung „in Betrieben und/oder Institutionen“, EU-Know-how, „Sprachkompetenz“ (Mitterlehner: „Dass der Experte nicht lacht, und dass der Laie ihn versteht“) sowie Erfahrung, wie sie Schelling im Gesundheitsbereich vorweisen könne.

Mahrer wiederum wurde von Mitterlehner als „symbolisch für die Wissensgesellschaft von heute“ präsentiert. Gerade im Bereich der Universitäten sei er somit „das richtige Signal“ und insgesamt eine „gute Antwort auf die Herausforderung der Zukunft“.

Demonstrativ geschlossen

Demonstrativ traten nach dem Parteivorstand das gesamte ÖVP-Regierungsteam sowie ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel vor die Kameras. Mitterlehner versprühte ebenso demonstrativ Aufbruchsstimmung. Man könne in der neuen Zusammensetzung, mit der richtigen Mischung aus Kontinuität und Erneuerung mit „Kompetenz und Durchsetzungsvermögen“ nun so richtig „durchstarten“ - mehr dazu in ooe.ORF.at.

Schelling zeigte sich in seiner ersten Stellungnahme nach dem ÖVP-Vorstand selbstbewusst. „Die Probleme sind lösbar“, sagte er mit Blick auf die vor ihm liegende Aufgabe. Mitterlehner bat die Medien allerdings, mit inhaltlichen Fragen bis nach der Angelobung des neuen Ministers und des neuen Staatssekretärs am Montag zu warten. Schelling meinte in seiner kurzen Stellungnahme nach seiner Vorstellung durch den Parteichef nur, dass er bewiesen habe, auch heiße Eisen anzufassen. In der Regierung werde er versuchen, „auch dann, wenn wir ab und zu in eine Sackgasse kommen, durch neue Lösungswege diese wieder zu verlassen“.

Ja von Pröll und Mikl-Leitner

Kolportierte Widerstände gegen Mitterlehners Personalpläne waren offenbar schon zu Beginn des Parteivorstands ausgeräumt. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) beantwortete die Frage, ob er das Personalpaket mittrage, mit Ja. Die Chefin des Arbeitnehmerbundes (ÖAAB), Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, bezeichnete Schelling als „Experten und Politiker zugleich", der die „Kraft und notwendige Erfahrung“ für das Finanzressort mitbringe.

Mitterlehner, der die ÖVP-Führung am Dienstag quasi fliegend von Spindelegger übernommen hatte, soll sich schon am Freitag auf Schelling festgelegt haben, hatte es in Medienberichten geheißen. Er selbst hatte relativ rasch klar gemacht, dass er das Finanzressort nicht übernehmen und lieber Wirtschafts- und Wissenschaftsminister bleiben wolle. Mitterlehner übernimmt nach der Angelobung durch Bundespräsident Heinz Fischer am Montag offiziell auch die Agenden als Vizekanzler.

Karriere in Politik und Privatwirtschaft

Gemeinsam mit Schelling war anfangs auch noch der Wirtschaftswissenschaftler Gottfried Haber als möglicher Kandidat gehandelt worden. Der sei der Wunschkandidat des ÖAAB gewesen, hatte es geheißen. Im Gespräch war auch der steirische Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann. Allerdings wurde Schelling klar als Mitterlehners Favorit gehandelt.

Schelling wurde außerdem zugute gehalten, dass er zwei Voraussetzungen - politische Vernetzung und Kompetenz in Finanzfragen - erfülle: Er hat seine politische Karriere 2001 als ÖVP-Gemeinderat in seiner Wahlheimat St. Pölten begonnen. Außerdem ist er wie Mitterlehner fest in der Wirtschaftskammer verankert, als deren Vizepräsident er dort Reformen vorantrieb. Knapp zwei Jahre (2007/2008) saß er für die ÖVP im Nationalrat und war dort in zahlreichen Ausschüssen vertreten.

Außerdem kann Schelling Erfahrungen in der Privatwirtschaft vorweisen, beginnend im Management der Einrichtungsfirma Kika/Leiner. Schon dort zeigte sich die Konfliktfreudigkeit Schellings: Er schied im Streit und wechselte zum Konkurrenten XXXLutz. Daneben hielt Schelling mehrere Aufsichtsratsposten (Palmers, Österreichische Post AG, Telekom Austria) und betrieb eine eigene Unternehmensberatungsfirma. Als Chef der Sozialversicherungen scheute er auch vor öffentlich ausgetragenen Querelen mit Parteifreunden nicht zurück. 2012 wurde der gelernte Betriebswirt zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Österreichische Volksbanken-Aktiengesellschaft (ÖVAG) gewählt.

Steßl wechselt ins BKA, und Danninger geht

Bei der SPÖ gibt es nach zwei Rochaden - Alois Stöger übernimmt das Infrastrukturministerium von Doris Bures, die Nationalratspräsidentin werden soll, und Sabine Oberhauser folgt Stöger im Gesundheitsministerium nach - eine weitere: Sonja Steßl, bisher Staatssekretärin im Finanzministerium, wechselt in das Bundeskanzleramt (BKA).

Der Verzicht auf eine „Aufpasserin“ im Finanzministerium war schon im Vorfeld der offiziellen Entscheidung als roter Vertrauensbeweis für den schwarzen Neo-Minister Schelling interpretiert worden. Als rotes Gegenüber bei Finanzthemen wird die 33-jährige Juristin dem Minister aber erhalten bleiben. Konkret übernimmt sie das Amt der Staatssekretärin für Verwaltung und öffentlichen Dienst im BKA. Unter anderem wird sie mit der Koordination der Finanzmarktstabilität aufseiten des Bundeskanzleramts, dem Wirkungscontrolling des Bundes, der Steuerung von Verwaltungsinnovationen, dem öffentlichen Dienst, der Finanzkontrolle der EU-Regionalförderungen, der Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie der IKT-Strategie des Bundes und dem Bereich E-Government betraut - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Finanzstaatssekretär Jochen Danninger (ÖVP) scheidet aus seiner Funktion aus. „Nach über 13 Jahren Tätigkeit in den verschiedensten Bereichen und Ebenen der Politik“, gehe für ihn „eine spannende Zeit zu Ende. Nun beginnt ein neuer Abschnitt, auf den ich mich sehr freue“, ließ er in einer Aussendung wissen. „Ich wünsche dem neuen Parteiobmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und dem gesamten Team der ÖVP für die anstehenden Herausforderungen viel Kraft und Erfolg.“

Links: