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13 Jahre im Amt

Am 1. Oktober des Vorjahrs ist er 60 Jahre alte geworden - viel Grund zum Feiern hat es für Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit aber nicht gegeben. Seine Sozialdemokraten hatten gut eine Woche davor bei der deutschen Bundestagswahl mäßig abgeschnitten - und auch Wowereit hatte schon viel bessere Zeiten erlebt.

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Der mit mehr als 13 Amtsjahren dienstälteste Regierungschef eines deutschen Bundeslandes habe den Zenit seiner Macht und Strahlkraft überschritten, urteilten bereits vor einigen Monaten nicht nur politische Gegner. Vor allem das Desaster beim Hauptstadtflughafen kostete Wowereit viele Sympathien.

Viele Facetten

Der uneheliche Sohn einer Putzfrau hatte sich aus einfachsten Verhältnissen hochgearbeitet. Wowereit studierte als einziges der fünf Geschwister - Jus. Den unbedingten Willen zum sozialen Aufstieg, seine politische Antriebskraft beim Thema soziale Gerechtigkeit, habe ihm seine Mutter mitgegeben, wie er in seiner 2007 veröffentlichten Autobiografie schreibt.

Er profilierte sich als Politiker mit vielen Facetten und damit als einer, der deswegen oft polarisierte. Von einem Tabubrecher ist die Rede, der gleich zu Beginn eine Koalition mit der SED-Nachfolgepartei PDS wagte, vom „Regierenden Partymeister“, vom profunden Kenner der Budgetzahlen, vom strengen bis cholerischen Senatschef, vom „Sonnenkönig“ (O-Ton Opposition), vom Homosexuellen, der als erster deutscher Spitzenpolitiker den Mut hatte, sich vor seiner Wahl 2001 zu outen. Mit diesem Mix schaffte er es 2005 auch auf das Titelbild des US-Magazins „Time“.

Mit Koalitionsbruch an die Spitze

Seinem Aufstieg in der Berliner SPD ging ein eiskalt kalkulierter Koalitionsbruch voraus. Nach der CDU-Parteispenden- und -Bankenaffäre drängte der damalige SPD-Fraktionschef Wowereit seine Partei, nach zehn Jahren die für die SPD verheerende Große Koalition mit der CDU platzen zu lassen. Die SPD als Juniorpartner war in der Zeit von 30,4 Prozent auf ihr historisches Tief von 22,4 Prozent abgestürzt. Bei der vorgezogenen Wahl kam er auf fast 30 Prozent - die SPD wurde erstmals seit 1975 wieder stärkste Fraktion.

Koalition als Tabubruch

Die PDS mit ins Regierungsboot zu holen brachte Wowereit damals schärfste Kritik der Union ein. Vom „Steigbügelhalter für die Kommunisten“ war die Rede. Doch 2006 konnte die SPD unter Wowereit ihr Wahlergebnis noch verbessern. Die PDS, mittlerweile zur Linkspartei geworden, verzeichnete zwar starke Verluste, die Koalition wurde aber fortgesetzt - auch wenn eine Zusammenarbeit mit den Grünen möglich gewesen wäre.

Auch seine Kritiker aus der Opposition bescheinigten Wowereit später, dass er durch seine offene Art, sein entschiedenes Eintreten gegen jegliche Diskriminierung, sein Talent, mit Menschen jeden Alters und jeder Herkunft zu reden, Berlin zu einer der weltweit beliebtesten Metropolen gemacht hat.

Rückzug auf Raten

Berlin holte dann auch wirtschaftlich auf. 150.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden seit 2005. Mit einem strikten Sparkurs verhinderte der Senat unter Wowereits Führung, dass der eklatante Schuldenberg Berlins so schnell wuchs wie zuvor.

2011 verlor die SPD dann leicht, ebenso die Linkspartei - das Bündnis hatte damit keine gemeinsame Mehrheit mehr. Sondierungsgespräche mit den Grünen scheiterten, die SPD ging danach eine Koalition mit der CDU ein. Bereits im Vorjahr hatte Wowereit einen Teilrückzug begonnen: Beim SPD-Parteitag in Leipzig im November räumte er nach vier Jahren seinen Posten als stellvertretender Bundesvorsitzender.

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