„Hoch motiviert, perfekt aufgestellt“
Die von den USA ausgebildete irakische Armee konnte der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bisher nicht die Stirn bieten. Sie brach unter dem Ansturm der Dschihadisten praktisch zusammen. Die Hoffnungen liegen auf der kurdischen Peschmerga-Armee, die mit Unterstützung der USA im Norden des Landes den Vormarsch von IS einzudämmen versucht.
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Die Peschmerga („Jene, die dem Tod ins Auge schauen“) gelten als wesentlich besser ausgerüstet und trainiert als die irakische Armee. Unterstellt ist die kurdische Armee der Autonomieregierung im Nordirak. Der US-Thinktank Washington Institute beziffert die Größe der Kampftruppe mit 130.000 Mann, andere Schätzungen reichen bis zu 200.000. Der Thinktank beschreibt die Armee als „idealen Verbündeten“ im Kampf gegen IS - „hoch motiviert, ziemlich gut ausgerüstet und perfekt aufgestellt, um ISIS auf breiter Front zu bekämpfen“.
IS dringt weiter vor
Seit Wochen sind die kurdischen Kämpfer im Nordirak an den Gefechten gegen IS beteiligt. Nach ihrem Vormarsch ist IS zuletzt näher an die Autonomiegebiete und deren Hauptstadt Erbil herangerückt. IS-Extremisten vertrieben kurdische Einheiten nördlich und westlich der Stadt Mossul. Die betroffenen Gebiete gehören zwar nicht zur kurdischen Autonomieregion, werden aber von den Kurden beansprucht. Als die irakischen Truppen nach Beginn des IS-Vormarsches Anfang Juni flohen, übernahmen dort zunächst die kurdischen Peschmerga die Kontrolle.

AP/Khalid Mohammed
Peschmerga-Kämpfer im Nordirak
Die Kurden wollen die verlorenen Gebiete zurückerobern und erhalten dafür Waffen von den USA. Unterstützt werden sie auch von Kämpfern der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in der Türkei und deren syrischem Ableger. Die Peschmerga waren zuletzt auch an der Rettung Zehntausender Jesiden aus dem Sindschar-Gebirge im Nordirak beteiligt.
Wurzeln reichen bis ins 19. Jahrhundert
Die Geschichte der Peschmerga ist eng verknüpft mit jener der kurdischen Autonomieregion im Nordirak, reicht aber deutlich weiter zurück. Die Kurden hoffen schon lange auf ihre Unabhängigkeit - oder zumindest auf einen föderalen Irak nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein. Ihre historischen Wurzeln hat die Armee in losen Stammesverbänden im späten 19. Jahrhundert. Als organisierte Kampftruppe der Kurden traten sie nach dem Fall des Osmanischen Reichs im Jahr 1922 auf, nach dem die Einheiten die britische Kolonialmacht bekämpften.
Die Unabhängigkeitsbestrebungen der kurdischen Bevölkerung erstarkten in dieser Zeit. Bis zum ersten Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak in den 1980ern wuchsen sie zu einer effizienten Guerilla an, viele der Kämpfer waren Deserteure aus der irakischen Armee.
Bei Irak-Einmarsch auf US-Seite
In ihrem Kampf gegen die Baath-Diktatur von Hussein stellte sich die Kampftruppe beim Einmarsch der US-Truppen 2003 auf die Seite der USA. Die US-Armee setzte ihre Zusammenarbeit mit der kurdischen Armee auch nach dem Irak-Krieg fort, bildete Kämpfer aus und führte gemeinsame Operationen mit ihnen durch. Die Peschmerga operieren nur im Kurdengebiet im Norden des Irak und unterstehen der kurdischen Autonomieregierung. Unter der Bedingung, dass die Kurdenregion sich nicht vom Irak abspaltet, werden die Peschmerga von der Führung in Bagdad nicht aufgelöst oder entwaffnet.
Starke Frauenbrigade
Im Kampf gegen Hussein wurde 1996 auch eine eigene Peschmerga-Frauenbrigade gegründet. Aufgeteilt auf vier Bataillone gehören ihr ausschließlich freiwillige Kämpferinnen an. Aktuell ist laut der arabischen Nachrichtenwebsite al-Monitor die weibliche Brigade in den Städten Kirkuk, Dakuk, Dschalaula und Chanakin an den Kämpfen gegen IS an vorderster Front beteiligt.
Eigentliche Armee deutlich kleiner?
Auch wenn die kurdische Armee gegenüber der irakischen als überlegen gilt, mit einigen Schwächen hat sie dennoch zu kämpfen. Laut dem Washington Institute besteht die eigentliche Armee aus lediglich 33.000 Mann, 30.000 weitere bewaffnete Kräfte unterstehen dem kurdischen Innenministerium und sind mit Polizeikräften zu vergleichen, berichtete der „Spiegel“.
Außerdem verfügen die Peschmerga über vorwiegend leichtes Kriegsgerät. Die Munition stammt hauptsächlich von der irakischen Zentralregierung. Was an schweren Waffen verfügbar ist, ist offenbar veraltet und noch aus Beutezügen in der Ära Saddam Hussein. Laut dem Washington Institute mangelt es vor allem an einer Luftwaffen - bis auf wenige Helikopter sei die Armee damit nicht ausgerüstet.
Militärische Unterstützung aus dem Westen
Hier kommt die Unterstützung der USA zu tragen, die seit wenigen Tagen Luftschläge gegen IS fliegen. Auch Waffen werden an die Kurden geliefert, der genaue Umfang ist jedoch nicht bekannt. Andere westliche Länder denken über militärische Unterstützung nach. Die EU hat keine gemeinsame Haltung zu Waffenlieferungen an die Kurden, stellt es den Mitgliedsländern aber frei, diese Waffen in enger Abstimmung mit der irakischen Regierung zu liefern.
Den Peschmerga stellen sich im Kampf gegen IS auch geländetechnische Herausforderungen: Die Front zwischen den IS-Terroristen und den Kurden ist mehrere hundert Kilometer lang. In großen Teilen ist das Gelände flach und schlecht zu sichern. Geschwächt ist die Kampftruppe auch durch politische Rivalitäten zwischen den beiden größten Parteien, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK).
15 bis 20 Prozent der Iraker sind Kurden
Während die Sicherheitslage im restlichen Teil des Landes seit Jahren äußerst schwierig ist, galten die kurdischen Autonomiegebiete bisher als Insel der Stabilität. Die kurdische Hauptstadt Erbil erlebt seit Jahren einen Bauboom. Viele ausländische Firmen nutzen Erbil, um Geschäfte im Irak zu machen.
Von den fast 33 Millionen Einwohnern des Irak sind rund 15 bis 20 Prozent Kurden. Sie stellen neben den arabischen Schiiten und Sunniten die dritte große Volksgruppe im Land. Die meisten Kurden leben im Norden des Landes, wo sie in ihrer Autonomieregion mit einer eigenen Regierung große Unabhängigkeit genießen.
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