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Hilfskonvoi angeblich auf dem Weg

Russland hat nach Informationen der NATO Donnerstagabend die Grenze zur Ukraine überschritten. NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen bestätigte am Freitag entsprechende Medienberichte, ohne jedoch Details zu der Zahl und der Art der Fahrzeuge zu nennen.

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„In der vergangenen Nacht haben wir einen russischen Einfall erlebt, eine Überschreitung der ukrainischen Grenze“, sagte Rasmussen nach NATO-Angaben in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen vor Journalisten. „Das bestätigt nur die Tatsache, dass wir einen dauernden Fluss von Waffen und Kämpfern aus Russland in die Ostukraine sehen“, erklärte Rasmussen.

„Und es ist eine deutliche Demonstration der anhaltenden russischen Beteiligung an der Destabilisierung der Ostukraine.“ Rasmussen rief Moskau auf, die Separatisten im Nachbarland nicht weiter zu unterstützen und in den Dialog mit der Regierung in Kiew zu treten.

Teile des russischen Konvois angeblich zerstört

Kurz darauf wurde bekannt, dass ukrainische Truppen nach Militärangaben die russische Fahrzeugkolonne auf ukrainischem Boden angegriffen haben. Teile des Konvois mit gepanzerten Fahrzeugen seien zerstört worden, sagte ein Sprecher der ukrainischen Armee am Freitag.

Angeblich 23 gepanzerte Fahrzeuge

Die britischen Zeitungen „The Guardian“ und „The Daily Telegraph“ hatten in der Nacht berichtet, am Donnerstagabend seien 23 Fahrzeuge mit russischen Armeekennzeichen, darunter gepanzerte Truppentransporter und Tanklastwagen, nahe dem russischen Grenzort Donezk auf ukrainisches Territorium vorgedrungen. Der Konvoi habe den Einbruch der Dunkelheit abgewartet, dann einen Feldweg genutzt und sei durch eine Lücke im Grenzzaun in ukrainisches Gebiet eingedrungen. Die Separatistenhochburg Lugansk liegt lediglich Dutzende Kilometer entfernt.

Nach Worten des schwedischen Außenministers Carl Bildt gibt es Fotobeweise. „Es ist ein grober Verstoß“, sagte Bildt. Die EU müsse zuerst ihre Einschätzung der Lage diskutieren, „dann müssen wir sehr klar sein in unserer politischen Botschaft“, sagte Bildt. Der für den Grenzschutz zuständige russische Inlandsgeheimdienst FSB wies die Berichte umgehend zurück: „Die Grenzverwaltung für das Gebiet Rostow bestätigt diese Informationen nicht“, sagte Sprecher Nikolai Sinizyn am Freitag der Staatsagentur Ria Nowosti.

Kiew bestätigt Vorfall

Kiew bestätigte den Grenzübertritt: Die Fahrzeuge hätten die Grenze am Posten Iswarine überquert, sagte ein ukrainischer Militärsprecher am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe jedoch noch keine bestätigten Informationen über die Zahl der Fahrzeuge, die tatsächlich in die von Separatisten kontrollierte ostukrainische Region eingedrungen seien. Davor hatte Außenminister Pawel Klimkin eine genaue Prüfung des Vorfalls angekündigt.

„Haben gehört, dass sich Hilfskonvoi bewegt“

Im Streit um Hilfslieferungen für das schwer umkämpfte Lugansk erzielten Russland und die Ukraine nach Angaben aus Kiew eine Einigung. Dank der internationalen Unterstützung sei es gelungen, eine Eskalation zu vermeiden, teilte Präsident Petro Poroschenko am Freitag mit.

Auch das finnische Staatsoberhaupt Sauli Niinistö bestätigte nach einem Treffen mit Kreml-Chef Wladimir Putin, dass es eine Einigung zwischen Kiew, Moskau und dem Roten Kreuz gebe. „Wir haben gehört, dass sich der russische Hilfskonvoi bewegt“, sagte er in Sotschi. Die etwa 280 russischen Lastwagen mit 2.000 Tonnen Hilfsgütern an Bord waren an der Grenze wegen Unstimmigkeiten über die Abfertigung zum Stehen gekommen.

Russische Soldaten mit Panzerfahrzeugen

APA/EPA/Yuri Kochetkov

Russische Truppen an der ukrainischen Grenze schüren Angst vor Invasion

Die ukrainische Regierung und Vertreter westlicher Staaten hatten sich besorgt gezeigt, dass Russland die Hilfslieferungen als Vorwand für eine Invasion nutzen könnte. Die Regierung in Moskau hat das als absurd zurückgewiesen. Nach vier Monaten der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Separatisten in der Ostukraine werden in den Städten Donezk und Lugansk Wasser und Nahrungsmittel knapp.

Zivilisten bei Gefechten getötet

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben Lugansk von den Versorgungswegen der Aufständischen abgeschnitten. Die Kämpfe nahmen erneut an Härte zu. Beobachter sprachen von einem der verlustreichsten Tage seit Beginn der „Anti-Terror-Operation“ der ukrainischen Regierung gegen die Separatisten Mitte April.

Separatistenführer Igor Strelkow

APA/EPA/Photomig

Igor Strelkow gilt als Schlüsselfigur in den Kämpfen gegen die ukrainische Armee

Bei Kämpfen in Donezk wurden nach Angaben der Stadtverwaltung seit Donnerstag elf Zivilisten getötet worden. Acht weitere Bewohner seien verletzt worden, hieß es in einer Erklärung des Rathauses. Die US-Regierung rief die ukrainischen Streitkräfte auf, im Kampf gegen die Separatisten Rücksicht auf Zivilisten zu nehmen. Es sei wichtig, „Zurückhaltung zu üben, um zivile Verluste möglichst gering zu halten“, sagte die stellvertretende Außenamtssprecherin Marie Harf.

Separatistenführer zurückgetreten

Unterdessen zog sich der Separatistenführer Igor Strelkow aus der Führung der Aufständischen zurück. Der gebürtige Russe war „Verteidigungsminister“ der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“. Er gilt als Schlüsselfigur in den Kämpfen. Nur Stunden zuvor war in Lugansk Separatistenanführer Waleri Bolotow zurückgetreten. Er könne wegen einer Verletzung nicht mehr weitermachen, sagte Bolotow. Nachfolger sei der bisherige „Verteidigungsminister“ der von Rebellen ausgerufenen „Volksrepublik Lugansk“, Igor Plotnizki.

EU kündigt Erdgasgipfel an

Eine der Folgen des Ukraine-Konflikts ist ein schwerer Handelsstreit zwischen dem Westen und Russland. Die beiden Seiten haben einander gegenseitig mit Strafmaßnahmen belegt. Nach Angaben der EU-Kommission planen die Präsidenten Russlands und der Ukraine weitere Gespräche mit der Kommission. Dabei solle es unter anderem um Fragen um die Versorgung mit russischem Gas via die Ukraine und eine Stabilisierung der politischen Situation gehen, teilte die Kommission mit. Ein Datum nannte die EU-Kommission nicht.

Kiew beschließt Sanktionen

Das ukrainische Parlament hatte zuvor ein Sanktionspaket gegen Russland in zweiter Lesung verabschiedet. Unklar war zunächst, ob davon auch die Durchleitung russischen Erdgases nach Westeuropa betroffen ist. Die Ukraine erließ zudem ein Überflugverbot gegen die russischen Gesellschaften Aeroflot und Transaero. Die Entscheidung Kiews ist eine Reaktion auf Sanktionen Moskaus. Der Schritt hat aber nichts zu tun mit den vom Parlament beschlossenen Strafmaßnahmen.

Der russische Präsident Putin forderte bei einem Treffen mit Ministern und Abgeordneten auf der von der Ukraine annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim ein Ende des Tötens in der Ostukraine. Die Lage in der Ukraine sei eine humanitäre Katastrophe. „Russland wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die Kämpfe so schnell wie möglich zu beenden“, sagte Putin.

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