Themenüberblick

Nervosität bei Konzernen hat ein Ende

Die Formel 1 hat wieder einen Vollzeitchef. Nach gut drei Monaten Pendelverkehr zwischen Gerichtssaal und Fahrerlager kann Bernie Ecclestone seine ganze Kraft wieder dem Ausbau seines PS-Imperiums widmen. Die Einstellung des Schmiergeldprozesses in München erspart der Rennserie eine hektische Suche nach einem Nachfolger für den als unersetzlich empfundenen Vollgas-Zampano.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Zugleich dürfen die in der Königsklasse engagierten Konzerne wie Daimler nun auf ein Ende der Fragen nach ihrer Geschäftsbeziehung zu einem Angeklagten in einem Bestechungsfall hoffen. Durchaus nervös hatten die Unternehmen, die viel Geld für einen Platz in Ecclestones Wanderzirkus investieren, das Verfahren verfolgt und teilweise sogar Prozessbeobachter in den Gerichtssaal geschickt.

Lauda: Wäre Katastrophe für Formel 1 gewesen

Im Falle einer Verurteilung hätten sich Daimler und Co. gemäß ihrer Compliance-Richtlinien für saubere Unternehmensführung gegen den Alleinherrscher der Motorsportkönigsklasse stellen müssen. Für so manchen ein Horrorszenario. „Hätte Bernie aufhören müssen, dann wäre das eine Katastrophe für die Formel 1 gewesen“, sagte Niki Lauda, immerhin im Daimler-Auftrag Aufsichtsratschef beim Mercedes-Team.

Peinlich genau hatten Konzerne, Rennställe und Fahrer in den vergangenen Monaten jede öffentliche Kritik an Ecclestone und seiner 44-Millionen-Dollar-Zahlung an einen früheren BayernLB-Vorstand vermieden. Die Gunst des 83-Jährigen, der seit vier Jahrzehnten die Geschicke des Grand-Prix-Sports lenkt, will niemand verlieren. Ecclestone allein kennt jeden Deal und regiert eisern und gewieft nach dem Prinzip: „Teile und herrsche.“

Pläne für Piratenserie gesprengt

Mit Geld konnte der Arbeitersohn aus dem Londoner Vorort Bexleyheath noch jedes Problem aus der Welt schaffen. Mit einem 100-Millionen-Dollar-Bonus für Ferrari sprengte er einst auch Pläne für eine Piratenserie, die sein Lebenswerk in Gefahr gebracht hätte. Vom Gebrauchtwagenhändler und Hobbyrennfahrer zum Steuermann eines Milliardengeschäfts - einen wie Ecclestone findet die Formel 1 wohl so schnell nicht wieder. „Unterm Strich hat er es geschafft, die Formel 1 auf das Niveau zu bringen“, befand Vierfachweltmeister Sebastian Vettel unlängst.

Und Ecclestone ist noch lange nicht fertig. „Die Formel 1 braucht ihn in diesen schwierigen Zeiten mehr als jemals zuvor“, sagte Christian Horner, Vettels Teamchef bei Red Bull, zu Beginn des Prozesses. Die finanzielle Schieflage vieler Rennställe, der Streit über das neue Motorenreglement, der Ärger über die fragwürdigen Rennen in Russland und Aserbaidschan, der mögliche Börsengang - Baustellen gibt es für Ecclestone genug.

Wieder voll im Geschäft

In den Prozesswochen hatte der Brite einen Teil des Tagesgeschäfts seiner Hausjuristin Sacha Woodward-Hill überlassen. Seinen Direktorenposten im Vorstand der Formel-1-Holding ließ er ruhen, wichtige Verträge mussten andere unterschreiben. Jetzt darf Ecclestone wieder die volle Kontrolle übernehmen. Von einem Abschied spricht er nur selten - und dann eher ironisch.

Angebliche Nachfolgekandidaten wie Horner und die Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn haben auf Nachfrage stets abgewinkt. Der Mehrheitseigner CVC hat angeblich Headhunter mit der Suche beauftragt - mit unbekanntem Ergebnis. „Nach Ecclestone wird es, vermute ich, ein Managementteam mit unterschiedlichen Kompetenzen geben. Das wird ein ganz normales Managementboard sein wie in jedem anderen Großunternehmen“, sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff kurz vor dem Prozessauftakt. Diese Zukunft aber ist vorerst vertagt.

Christian Hollmann, dpa

Link: