„Diskriminierung von EU-Bürgern“
Wie seit Anfang Juli bekannt ist, will Deutschland eine Vignettenpflicht nicht nur auf Autobahnen, sondern auf allen deutschen Straßen einführen. Die Einnahmen sollen dabei aber nur von ausländischen Fahrern kommen. Inländische Autobesitzer sollen voll über die Kfz-Steuer entlastet werden.
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Die Pläne des deutschen Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) für eine solche Pkw-Maut zulasten ausländischer Autofahrer verstoßen nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages gegen EU-Recht. Dobrindts Konzept führe gleich mehrfach zu einer „mittelbaren Diskriminierung von Unionsbürgern“, heißt es in einer Anfang August veröffentlichten 23-seitigen Rechtsstudie. Das deutsche Verkehrsministerium warf dem Verfasser des Gutachtens seinerseits Fehler vor - der Gesetzesentwurf werde eindeutig europarechtskonform ausgestaltet sein.

APA/Martin Hirsch; ORF.at
Preisgestaltung ebenfalls diskriminierend
Zwar solle die Steuererleichterung für deutsche Autobesitzer formal getrennt beschlossen werden, doch „müssen beide Maßnahmen zusammen betrachtet“ werden, heißt es in dem Bundestagsgutachten, das der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner in Auftrag gegeben hatte.
Der Verfasser sieht in der Koppelung eine Diskriminierung anderer EU-Bürger. Auch die geplante Struktur der Vignettenpreise würde der Untersuchung zufolge gegen EU-Recht verstoßen. So sollen die Preise für Jahresvignetten für inländische Autos nach Umweltfreundlichkeit, Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt sein, für ausländische aber nicht. Das führe dazu, dass ein ausländischer Fahrer eines Benzinfahrzeugs einheitlich 103,04 Euro zu zahlen habe, der Halter beispielsweise eines in Deutschland zugelassenen VW Polo 1.2 TSI aber nur 24 Euro - um die dann auch noch die Kfz-Steuer sinke.
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„Das Vorenthalten einer nach bestimmten Kriterien gestaffelten Beitragshöhe führt zu einer ungleichen Behandlung von inländischen und ausländischen Kfz-Haltern und damit zu einer mittelbaren Diskriminierung“, heißt es in der Rechtsstudie. Der Verfasser legt dabei allerdings den Pauschalpreis zugrunde, den ausländische Pkw-Fahrer für eine Jahresvignette an einer Tankstelle zahlen müssten. Bestellen sie über das Internet, sollen hingegen gestaffelte Tarife wie bei den Inländern gelten - abhängig von den Eigenschaften des Wagens.
Verkehrsministerium: „Gutachten fehlerhaft“
Das deutsche Verkehrsministerium nahm unter anderem das zum Anlass, die Rechtsstudie als fehlerhaft zu kritisieren. „Die Ausführungen des Wissenschaftlichen Diensts weisen offensichtlich fachliche und inhaltliche Fehler auf. Die Schlussfolgerungen sind deswegen absolut unzutreffend“, erklärte ein Sprecher.
Ferner bemängelt das Bundestagsgutachten aber auch, dass mit Dobrindts Pkw-Maut-Konzept ausländische Verkehrsunternehmen wie zum Beispiel Kurierdienste finanziell stärker belastet würden als inländische. Er wertet das als Verstoß gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der EU und gegen ein entsprechendes Verbot des Europäischen Gerichtshofs.
Verfassungsrechtler zerpflücken Pläne
Auch deutsche Staats- und Verfassungsrechtler hegen massive Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Mautpläne, die nur Ausländer belasten würden. Schon im Koalitionsvertrag sei das Vorhaben so formuliert worden, dass es mit dem Europarecht unvereinbar sei, wurde der Jurist Joachim Wieland im „Handelsblatt“ vor wenigen Tagen zitiert: „Ein Vorhaben, mit dem nur Ausländer belastet werden sollen, trägt die Diskriminierung schon in sich“, so Wieland.
Als Doris Bures (SPÖ) noch Verkehrsministerin in Österreich war, trat sie vehement gegen die deutschen Mautpläne auf. Als Nationalratspräsidentin hält sie an ihrer Meinung fest: „Ich habe recht einsam begonnen.“ Mittlerweile gebe es aber breite Zustimmung. Denn bei den Plänen handle es sich um Diskriminierung. Sie rechnet langfristig mit einheitlichen Regelungen in Europa.
EU: Einseitige Belastung „niemals zu akzeptieren“
EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sagte der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ zufolge, es sei „absolut nicht richtig“, wenn in Berlin behauptet werde, die EU-Kommission habe die Vorschläge des deutschen Verkehrsministers bereits gebilligt. „Wir werden sehr aufmerksam verfolgen, ob es im deutschen System Diskriminierungen gibt“, unterstrich der EU-Kommissar. Eine einseitige Belastung von Ausländern auf deutschen Straßen, „das werden wir niemals akzeptieren“, kündigte er an.
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