Größeres Expertenteam im Einsatz
Zwei Wochen nach dem mutmaßlichen Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs MH17 in der Ostukraine sind noch immer nicht alle Opfer geborgen. Am Donnerstag gelangten Experten der internationalen Untersuchungskommission erstmals zur Absturzstelle. Fachleute aus den Niederlanden und aus Australien untersuchten Wrackteile auf dem Trümmerfeld.
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Nach australischen Angaben konnten die Experten dabei weitere Leichenteile bergen. Das Team aus Niederländern und Australiern sei wohlbehalten zurückgekehrt, sagte der australische Ministerpräsident Tony Abbott am Freitag vor Reportern in Sydney.
Am Freitag nahm ein weit größeres Team - etwa 70 Experten - seine Arbeit am Absturzort auf. Die niederländischen und australischen Spezialisten seien am Vormittag an der Absturzstelle eingetroffen und würden nun die Suche nach den noch vermissten Leichen beginnen, teilte das niederländische Justizministerium mit. Die Niederlande haben die Führung bei dem Einsatz, da 193 der 298 Insassen der Boeing Niederländer waren. Mit 28 Toten kam die zweitgrößte Opfergruppe aus Australien.
Kiew legt Pause der Offensive ein
Die Experten sollen dauerhaft ungehinderten Zugang zur Absturzstelle erhalten. Vertreter Russlands, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) und der Regierung in Kiew verständigten sich bei Gesprächen im weißrussischen Minsk auf die Schaffung eines „sicheren Korridors“ für die Untersuchungsteams.
„Die Kontaktgruppe verständigte sich darauf, dass der Korridor durch eine Pause jeglicher militärischer Operationen der Rebellen auf der Route unterstützt wird“, sagte der ukrainische Vizeregierungschef Wolodimir Groisman nach dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am Donnerstag. Zuvor hatte die ukrainische Regierung eine Pause der Offensive gegen die Separatisten verkündet.
Gefangenenaustausch vereinbart
Kiew und Separatisten haben in Minsk zudem einen gegenseitigen Austausch von 20 Gefangenen vereinbart. „Die Männer werden in Kürze freigelassen“, sagte der ukrainische Ex-Präsident Leonid Kutschma, der an den Verhandlungen in der weißrussischen Hauptstadt als Vermittler teilgenommen hatte, am Freitag in Kiew. Die Freilassung dieser Personen sei ein wichtiges Element, um einen beiderseitigen und stabilen Waffenstillstand zu erreichen, so die OSZE.
298 Menschen starben
Die Boeing 777 der Malaysia Airlines war am 17. Juli auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgestürzt. Alle 298 Insassen, davon 196 aus den Niederlanden und 43 aus Malaysia, kamen ums Leben. Drei Menschen hatten eine andere Nationalität, teilte der niederländische Krisenstab mit. Die Übergangsregierung in Kiew und die Rebellen werfen einander vor, die Maschine abgeschossen zu haben.
Noch nicht alle Opfer geborgen
Sowohl der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte als auch sein malaysischer Amtskollege Najib Razak bekräftigten am Donnerstag nach einem Gespräch in Den Haag, dass die Bergung der restlichen Opfer der Unglücksmaschine absolute Priorität habe. „Wir werden jeden Tag unser Bestes tun“, sagte Rutte. Malaysia schickte nach Angaben von Premier Razak 68 Polizisten zur Unterstützung nach Kiew.
Nach tagelangen vergeblichen Versuchen erreichten die niederländischen und australischen Experten den Absturzort der malaysischen Passagiermaschine. Sie sollten das Gebiet zunächst nur erkunden und waren aus Donezk über einen großen Umweg durch ukrainisch kontrolliertes Gebiet gefahren.

APA/EPA/Everet-Jan Daniels
Straßenblockade der Separatisten in der Nähe von Donezk
Kämpfe in der Nähe der Absturzstelle
Bei Kämpfen in der Nähe der Absturzstelle sind in der Nacht auf Freitag nach Armeeangaben 14 Menschen getötet worden. Unter den Toten der Kämpfe in der Stadt Schachtarsk seien mindestens zehn Regierungssoldaten, teilte ein Sprecher der Streitkräfte am Morgen mit. Vier Leichen seien noch nicht identifiziert, bei ihnen könne es sich „um ukrainische Soldaten“ handeln oder „Terroristen“, wie die Separatisten von Kiew bezeichnet werden.
Kiew führt Kriegssteuer ein
Das ukrainische Parlament billigte unterdessen die Entsendung von bis zu 950 bewaffneten Soldaten und Ermittlern aus den Niederlanden und Australien an den Absturzort. Das teilte Parlamentspräsident Alexander Turtschinow mit. Beschlossen wurden auch neue Steuergesetze zur Finanzierung des Bürgerkriegs. Teil dessen ist auch eine Kriegsabgabe von 1,5 Prozent, die bis zum 1. Jänner 2015 gelten soll. Betroffen sind alle steuerpflichtigen Einkommen.
Noch vor einer Woche hatten die Abgeordneten neue Steuergesetze abgelehnt. Deshalb hatte auch Ministerpräsident Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt erklärt. Dieser Schritt wurde ebenfalls vom Parlament rückgängig gemacht - eine große Mehrheit lehnte den Rücktritt ab, lediglich 16 Abgeordnete stimmten für seinen Rücktritt. Damit scheint die Regierungskrise mitten in der Offensive gegen die prorussischen Rebellen im Osten abgewendet zu sein.
Präsident Petro Poroschenko zeigte sich nach der Abstimmung erleichtert angesichts der neuen Finanzierung für den Bürgerkrieg, der das Land aktuell umgerechnet täglich rund 4,5 Millionen Euro kostet. „Es gibt in der Weltwirtschaft heute zwei wichtige Nachrichten. Die erste ist, dass Argentinien den Staatsbankrott erklärt hat, die zweite ist, dass die Ukraine keine Pleite erklärt hat und auch nie erklären wird“, sagte Jazenjuk am Donnerstag.
Russland begann Militärübung
Unterdessen hat Russland nach eigenen Angaben am Donnerstag in der südlichen Region Astrachan mit einer zweitägigen Militärübung begonnen. Wie ein Sprecher des zentralen Militärdistrikts sagte, nehmen an dem Manöver Einheiten mit S-300-Boden-Luft-Raketen, SU-24-Kampfflugzeuge sowie MiG-31-Abfangjäger teil. Die Übungen seien seit längerem geplant und hätten nichts mit den Spannungen in der Ukraine zu tun.
Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, mit dem Manöver solle geübt werden, wie ein „massiver Raketenangriff“ zurückzuschlagen sei. Die ukrainische Regierung verlangte von der russischen Seite Erklärungen zu „militärischen Aktivitäten nahe der Grenze“. Diese hätten bereits am Dienstag begonnen, hieß es. Das Außenministerium in Kiew zeigte sich besonders beunruhigt über „groß angelegte“, dreitägige Manöver der russischen Armee nahe den Grenzregionen Rostow und Stawropol.
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