Argentinien in Zwickmühle
Die Frist im Schuldenstreit zwischen Argentinien und den Gläubigern ist Donnerstagfrüh (6.00 Uhr MESZ) abgelaufen. „Unglücklicherweise konnte keine Einigung erzielt werden, und die Republik Argentinien steht vor dem Zahlungsausfall“, sagte der gerichtlich bestellte Schlichter Daniel Pollack.
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Damit steht das südamerikanische Land zum zweiten Mal innerhalb von 13 Jahren vor der Pleite. Buenos Aires hatte bis Mittwoch um Mitternacht (Ortszeit) Zeit, 539 Mio. Dollar (402 Mio. Euro) an Staatsschulden bei internationalen Gläubigern zu tilgen. Diese Summe wurde zwar bei einer US-Bank hinterlegt, US-Bundesrichter Thomas Griesa ordnete aber an, dass Argentinien zunächst zwei Hedgefonds ausbezahlen muss, bevor die Forderungen anderer Gläubiger bedient werden dürfen.
Hilfsangebot von Banken scheiterte
Schon in der Nacht hatte der argentinische Wirtschaftsminister Axel Kicillof das Scheitern der Gespräche mit den Hedgefonds erklärt. Die Fonds hätten das Angebot der argentinischen Regierung abgelehnt. Argentinien habe ein Offert vorgelegt, das einen Profit von 300 Prozent bedeutet hätte, erklärt Kicillof: „Es wurde nicht angenommen, weil sie mehr wollten.“ Ein geplantes Hilfsangebot eines Konsortiums aus Finanzhäusern scheiterte ebenfalls. Die Banken hatten sich einem Insider zufolge zunächst bereit erklärt, die Schulden Argentiniens bei den Hedgefonds zu übernehmen.
Staatschefin Cristina Fernandez de Kirchner hat nun unmittelbar vor dem drohenden technischen Zahlungsausfall erneut die volle Bereitschaft erklärt, die Forderungen aller Gläubiger zu bedienen. Allerdings seien dafür „gerechte, ausgeglichene, legale und nachhaltige“ Bedingungen nötig, betonte sie am Dienstag (Ortszeit) beim Gipfel des südamerikanischen Wirtschaftsblocks MERCOSUR in Caracas.
„Geld ist da“
Der Streit mit den US-Fonds ist ein „Erbe“ der Bankrotterklärung Argentiniens vor 13 Jahren. Die Hedgefonds NML Capital und Aurelius hatten argentinische Schulden nach der Staatspleite Ende 2001 billig aufgekauft. Nun machen sie aber den Nennwert geltend. Mit dieser Strategie bekommen die Fonds hohe Renditen. Argentinien weigert sich aber, diese Zahlung zu leisten.
Eine Zahlungsunfähigkeit Argentiniens wies der Wirtschaftsminister aber zurück: „Das Geld ist da. Wenn es einen Zahlungsausfall gäbe, wäre das Geld offenkundig nicht da.“ Es lägen ja bereits die eingefrorenen Millionen auf dem US-Konto. Der Politiker machte US-Richter Griesa mitverantwortlich. Argentinien werde weiter seine Schulden zahlen, betonte Kicillof. Aber sein Land werde keine Verpflichtungen eingehen, die die Zukunft des Landes sowie dessen Bürger gefährdeten.
Umschuldung nicht akzeptiert
Schon 2005 und 2010 hatte sich Argentinien mit mehr als 90 Prozent seiner Gläubiger auf eine Umschuldung geeinigt. Einige wenige Investoren, darunter NML Capital und Aurelius, machten bei der Umschuldung nicht mit. Sie erstritten vor einem US-Bundesgericht eine Summe von 1,3 Milliarden Dollar. Der Oberste Gerichtshof in Washington wies die Beschwerde von Argentinien gegen das Urteil im Juni ab.
Das Land steckt damit in einer Zwickmühle. Gibt es den Hedgefonds nach, könnten die Vereinbarungen über den Schuldenschnitt mit anderen Gläubigern nachträglich platzen. Denn Argentinien hatte sich im Rahmen der Umschuldung verpflichtet, den nicht beteiligten Gläubigern bis Ende 2014 kein besseres Angebot vorzulegen. Gibt Buenos Aires in diesem Streit nach und begleicht es die Forderungen in voller Höhe, müsste Argentinien der großen Mehrheit der Gläubiger dieselben Konditionen einräumen. Damit würden bis zu dreistellige Milliardenbeträge fällig und die Vereinbarungen für den Schuldenschnitt aus den Jahren 2005 und 2010 faktisch hinfällig. „Das kann nicht sein“, betonte Kicillof. „Das wäre ein Horror für die Argentinier.“
Reaktion von Ratingagentur
Die Ratingagentur Standard & Poor’s preschte schon Mittwochabend voran und erklärte den „teilweisen Zahlungsausfall“ Argentiniens. Diese Bewertung wird verwendet, wenn ein Schuldner eine Anleihe oder Kreditrate nicht fristgerecht zurückzahlt, aber andere Verpflichtungen weiter erfüllt. Die Agenturen Fitch und Moody’s werden diesem Schritt aller Wahrscheinlichkeit nach folgen. Zwar handelt es sich dabei um eine technische Einstufung, doch dürfte der Zugang Argentiniens zu den Kapitalmärkten dadurch weiterhin erschwert werden.
Von den Kapitalmärkten bekommt Buenos Aires schon seit der Staatspleite 2001 kein Geld mehr. Gerade wegen dieser weitgehenden Isolation von den internationalen Finanzmärkten dürften die weltweiten Folgen überschaubar bleiben. Die wirtschaftliche Krise Argentiniens verbunden mit der Inflation und der Abwertung der Landeswährung Peso dürfte sich aber weiter verschärfen. Die gescheiterten Verhandlungen machten sich am Donnerstag schon auf dem Devisenmarkt insbesondere bei südamerikanischen Währungen bemerkbar. Vor allem der brasilianische Real und der kolumbianische und chilenische Pesos standen unter Druck. Der argentinische Pesos gab bisher nur leicht nach.
Argentinien-Krise und Staatsbankrott 2001
Begonnen hatten die Turbulenzen mit den Staatsfinanzen vor mittlerweile mehr als 15 Jahren. Zwischen 1998 und 2002 steckte das Land in einer schweren Wirtschaftskrise („Argentinien-Krise“), 2001 kam es zum kompletten Kollaps des Finanzsystems. Buenos Aires musste schließlich den Staatsbankrott erklären.
Der Schuldenberg hatte sich seit den 1990er Jahren kontinuierlich auf über 100 Mrd. Dollar (rund 74,5 Mrd. Euro) angehäuft. Während der Krise brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um mehr als ein Fünftel ein, die Arbeitslosenrate erreichte Werte jenseits der 20-Prozent-Marke, wie heute in Griechenland oder Spanien. In der Hauptstadt Buenos Aires kam es mehrfach zu schweren Unruhen.
Einige gute Jahre nach Schuldenschnitt
Nach der Staatspleite folgte ein Schuldenschnitt, ein „Hair Cut“ wiederum ähnlich wie 2012 in Griechenland. Da wie dort spielten allerdings nicht alle Gläubiger mit. Im Fall Argentiniens waren es rund sieben Prozent, die den Nennwert ihrer Anleihen zurückhaben wollten - und das, obwohl sie diese teils weit darunter gekauft hatten. Die große Mehrheit verzichtete allerdings auf einen beträchtlichen Teil - mitunter auf bis zu 70 Prozent - ihrer Forderungen.
Wirtschaftlich kam das Land mit über 40 Millionen Einwohnern ab 2002 vorerst wieder auf die Beine. Bis 2007 lag das BIP-Wachstum jährlich über acht Prozent, 2005 sogar über neun. Nach einem starken Einbruch 2009 erreichte der Wert 2010 und 2011 erneut ein ähnliches Niveau.
Währungsabwertung und andere Probleme
Seit 2012 zeigt sich allerdings eine deutliche Abschwächung um mehr als die Hälfte. Vor allem wegen der stark steigenden Staatsausgaben wertete die Landeswährung Peso zu Jahresbeginn um über 20 Prozent ab, die Industrieproduktion ist rückläufig, die Inflationsrate lag im ersten Halbjahr bei 15 Prozent. Im schlimmsten Fall könnte die drittgrößte Volkswirtschaft Südamerikas 2014 in eine Rezession abrutschen - zum ersten Mal seit der Krise vor über 15 Jahren.
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