„Überraschend friedvolle“ Exekution
117 Minuten nach Beginn der Hinrichtung ist der Doppelmörder Joseph Wood in der Nacht auf Donnerstag im US-Bundesstaat Arizona für tot erklärt worden. Die Exekution dauerte so lange, dass Woods Anwälte noch währenddessen eine Gerichtseingabe machen konnten, in der sie den Abbruch forderten: „Er stöhnt und schnaubt schon seit einer Stunde. Er ist noch immer am Leben.“
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Die Hinrichtung hätte nicht mehr als zehn Minuten dauern sollen, betonten Woods Verteidiger. Dennoch verweigerte das Höchstgericht von Arizona, entsprechend der Spruchpraxis des US Supreme Court, einen Abbruch der Hinrichtung. Vor allem aber halten die US-Behörden mit richterlichem Schutz weiterhin geheim, wie genau sich der Giftcocktail zusammensetzt, der bei heuer schon drei aus dem Ruder gelaufenen Hinrichtungen verwendet wurde.

AP/Gefängnisverwaltung Arizona
Wood war 1991 für die Tötung seiner Ex-Freundin und ihres Vaters zum Tode verurteilt worden
Giftmischung als Geheimsache
Die Frage nach Details zu den verwendeten Substanzen hatten diesmal auch Woods Anwälte in seinem Namen gestellt. Er habe ein Recht, zu wissen, wie er getötet werden soll, argumentierten sie. Gegner der Todesstrafe konzentrieren sich in letzter Zeit vor Gericht immer mehr auf die Frage nach dem verwendeten Gift, nachdem die US-Gerichte die Injektionen an sich nicht als „grausame Bestrafung“ einstufen wollten. Die Einstufung als „grausam“ hätte das absolute Aus für die Hinrichtungen bedeutet.
Bürgerrechtler und Juristen haben sich offenbar vorerst damit abgefunden, dass sie auf direktem Weg derzeit nichts gegen die Todesstrafe ausrichten können. Umso intensiver versuchen sie nun, die Offenlegung der Details zu der Hinrichtungspraxis zu erzwingen. Seit Europa die Lieferung der Substanzen verweigert, sind die USA auf einen Giftcocktail aus eigener Produktion angewiesen. Keine der US-Pharmafirmen will aber öffentlich als Giftlieferant genannt werden.
Alles andere als ein Einzelfall
Der in Arizona verwendete Mix aus dem Schmerzmittel Hydromorphon und dem Beruhigungsmittel Midazolam war in den USA erstmals im Jänner eingesetzt worden. Bei der Hinrichtung im Staat Ohio röchelte ein Todeskandidat und starb erst nach rund 25 Minuten. Erst im Mai war eine Hinrichtung in Oklahoma zum 43-minütigen Todeskampf eines Verurteilten ausgeartet, der schließlich an einem Herzinfarkt starb. Nach Zählungen des Death Penalty Information Center gab es seit 1976 bei mindestens 44 Hinrichtungen ernsthafte Probleme.
Insgesamt sehen 32 der 50 US-Bundesstaaten die Möglichkeit vor, Menschen zum Tode zu verurteilen und hinzurichten. Die Giftspritze ist die am häufigsten verwendete Methode. Daneben sind in einigen Staaten auch Hinrichtungen auf dem elektrischen Stuhl, in Gaskammern (Arizona, Missouri, Wyoming) oder durch Erhängen (Delaware, New Hampshire, Westküstenstaat Washington) erlaubt. Die 18 Staaten, in denen die Todesstrafe abgeschafft wurde, liegen vor allem im Norden und Nordosten der USA.
Jede Panne erhöht den Druck
US-Juristen zeigen sich überzeugt, dass die Geheimhaltung der Hinrichtungsprozedur nicht durchzuhalten ist. Jede einzelne Panne erhöhe den Druck, ist etwa Uniprofessorin Deborah Denno überzeugt. Dieser werde „einen Punkt erreichen, an dem die Öffentlichkeit den Wert dieser Hinrichtungsprozeduren generell hinterfragt und vielleicht auch die Todesstrafe an sich“. Am Mittwoch hatte ein Richter Wood schon das Recht auf Informationen über die Exekution zugestanden, wurde aber im letzten Moment von Arizonas Höchstgericht wieder zurückgepfiffen.
Die Argumente jener, die die Hinrichtungspraxis rechtfertigen müssen, sind indessen anscheinend eher aus der Not geboren. Woods Hinrichtung sei komplett reibungslos verlaufen, insistierte etwa die Anklagevertreterin Stephanie Grisham: „Er ist eingeschlafen, und es sah so aus, als habe er geschnarcht.“ Es habe „absolut kein Stöhnen und Schnauben“ gegeben. „Es war meine erste Hinrichtung, und ich war überrascht, wie friedvoll sie war.“
„Sie wissen ja nicht, was qualvoll ist“
Michael Kiefer, ein Reporter für „The Arizona Republic“ sagte, der Verurteilte habe Hunderte Male nach Luft geschnappt. Troy Hayden von Fox News sagte, es sei „sehr verstörend“ gewesen, die Hinrichtung mitanzusehen. „Irgendwann habe ich mich gefragt, ob er überhaupt jemals sterben würde.“ Man könne sicher sein, dass „der Häftling im Koma war und zu keinem Zeitpunkt unter Schmerzen oder Qualen litt“, insistierte hingegen Strafvollzugsdirektor Charles Ryan.
„Sie wissen ja nicht, was qualvoll ist“, sagte Jeanne Brown, eine Angehörige der beiden Mordopfer, vor Journalisten. „Es ist qualvoll, den eigenen Vater und die eigene Schwester in einer Blutlache liegen zu sehen.“ Wood habe den Tod verdient, und sie glaube nicht, dass er gelitten habe. Arizonas Gouverneurin Jan Brewer verfügte allerdings nach der 117-minütigen Hinrichtung Woods eine Evaluierung der Hinrichtungsprozeduren in gesamten US-Bundesstaat. Sie zeigte sich „besorgt“ über die Dauer der Hinrichtung.
EU ruft zu Exekutionsstopp auf
Die Europäische Union (EU) kritisierte die qualvolle Hinrichtung und forderte den Bundesstaat Arizona zu einem Exekutionsstopp auf. „Wir sind sehr besorgt über die Bedingungen der Hinrichtung von Joseph Wood“, sagte ein Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Donnerstag in Brüssel.
Wenn die Todesstrafe vollstreckt werde, dann dürfe das nur bei möglichst geringem Leid für die Hingerichteten geschehen, sagte der Sprecher. „Die EU ist der Ansicht, dass das ein internationaler Mindeststandard ist, den Staaten respektieren müssen, die an der Todesstrafe festhalten.“ Die EU fordere die Behörden von Arizona auf, in einem ersten Schritt hin zur Abschaffung der Todesstrafe alle Hinrichtungen auszusetzen.
Erste Ergebnisse von Untersuchung
Allzu große Hoffnungen, dass Arizona Hinrichtungen aussetzt, braucht man sich jedoch nicht zu machen. Die von Gouverneurin Brewer angeordnete Untersuchung habe schon jetzt den Beweis erbracht, dass Woods während der Exekution „komatös“ gewesen sei und nicht gelitten habe, erklärte Ryan am Donnerstagabend (Ortszeit). Es gebe bisher „keine medizinischen oder forensischen Beweise“, dass die Hinrichtung verpfuscht worden sei.
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