Abschuss verurteilt
Der mutmaßliche Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH17 mit 298 Menschen an Bord im Osten der Ukraine hat am Montag auch den UNO-Sicherheitsrat beschäftigt. Am Ende der kurzfristig einberufenen Sitzung stand die einstimmige Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung.
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Die 15 derzeitigen Mitglieder des Gremiums der Vereinten Nationen (UNO) verurteilen in ihrer Resolution den Abschuss „aufs Schärfste“ und verlangen einen freien Zugang zum Absturzort. In dem ursprünglich von Australien eingebrachten Resolutionstext werden die prorussischen Separatisten aufgefordert, die „Integrität“ der Absturzstelle zu bewahren und eine Feuerpause in der Region einzuhalten.
Die Resolution fordert „alle Staaten und Akteure der Region“ auf, umfassend bei einer „vollständigen, eingehenden und unabhängigen internationalen Untersuchung“ zusammenzuarbeiten. In der Gegend um die Absturzstelle seien umgehend alle militärischen Aktivitäten einzustellen, heißt es weiter. „Wir schulden es den Opfern und ihren Familien, herauszufinden, was passiert ist und wer verantwortlich war“, sagte die australische Außenministerin Julie Bishop. Sie war ebenso wie ihr niederländischer Kollege Frans Timmermanns vor der Abstimmung nach New York gereist. Bei dem Absturz waren 193 Niederländer und 27 Australier ums Leben gekommen.
Zustimmung Russlands bis zuletzt nicht sicher
Bis zum Schluss war fraglich, ob auch Russland dem von Australien eingebrachten Entwurf zustimmen würde, das in der Nacht auf Montag noch einen eigenen Vorschlag vorgelegt hatte. Dieser orientierte sich zwar an dem Entwurf Australiens. Unterschiede gab es jedoch bei der Rolle der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO).
Dem australischen Resolutionsentwurf nach sollte die ICAO zwar helfen und alle Dokumente auswerten, die Leitung der Ermittlungen sollten aber - wie bei Abstürzen üblich - die nationalen Behörden innehaben. Die Russen wollten hingegen nicht, dass die ukrainischen Behörden die Verantwortung haben, sondern die ICAO. Am Ende konnte Russland vor allem kleinere sprachliche Änderungen durchsetzen.
Bergung der Opfer abgeschlossen
Unterdessen konnten ukrainische Helfer im Laufe des Montags die Bergungsarbeiten am Wrack des vermutlich abgeschossenen Passagierflugzeugs MH17 im Osten des Landes beenden. 282 Leichen und 87 Leichenteile der übrigen 16 Todesopfer seien gefunden worden, sagte Vizeregierungschef Wladimir Groisman in Kiew.

APA/EPA/Robert Ghement
Die Leichen werden in Kühlwaggons gelagert
Die Fläche war zuletzt von 35 auf 50 Quadratkilometer erweitert worden. Rund 200 Helfer und etwa 800 Freiwillige aus der früheren Sowjetrepublik waren im Einsatz. Die sterblichen Überreste der Opfer seien in Eisenbahnkühlwaggons gebracht worden, sagte Groisman. Der Zug in der Ortschaft Tores startete Montagabend - es wird erwartet, dass er in die rund 300 Kilometer entfernte Stadt Charkiw fährt. Dort warte bereits eine internationale Gruppe von 31 Experten unter anderem aus den Niederlanden und Deutschland, sagte der Vizeregierungschef.
Geht es nach den Niederlanden, sollen die Leichen nach einer vorläufigen Untersuchung in Charkiw zur Identifikation in die Niederlande gebracht werden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko habe ihm gesagt, der Zug werde zehn bis zwölf Stunden bis nach Charkiw brauchen, sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte. Auf dem Weg müsse er die von den Separatisten kontrollierte Großstadt Donezk passieren, die heftig umkämpft ist. In der Millionenstadt wurden am Montag bei Artilleriebeschuss im Viertel um den Bahnhof fünf Menschen getötet. Poroschenko ordnete daraufhin eine Waffenruhe für einen 40-Kilometer-Umkreis um den Absturzort an.
Malaysischer Premier: Rebellen übergeben Blackbox
Am Montagabend erklärte der malaysissche Premierminister Najib Razak, dass die prorussischen Separatisten zugestimmt hätten, die beiden Blackboxes der abgestürzten Maschine an malaysische Ermittler zu übergeben. Die Flugschreiber sollen noch am Montag ausgehändigt werden. Darüber hinaus habe der Rebellenführer Alexander Borodai zugesichert, dass den internationalen Ermittlern ein „sicherer Zugang“ zur Unglücksstelle ermöglicht werde, so Razak.
Bisher konnten ausländische Luftfahrtexperten den Absturz nur via Ferndiagnose untersuchen. 14 Experten wurden am Montag mit einem Flugzeug des ukrainischen Präsidenten Poroschenko in die Großstadt Charkiw geflogen, wie dessen Pressedienst in Kiew mitteilte. Zunächst verschafften sie sich von Charkiw aus anhand von Fotos der 300 Kilometer entfernten Unglücksstelle bei Grabowo einen Überblick. Dann gaben sie Fachleuten an der Absturzstelle die Order, weitere Panoramabilder zu erstellen. Auch Teile des Rumpfes und des Cockpits wurden genauer fotografiert.
Obama nimmt Putin in die Pflicht
Dass den Experten der Zugang zur Unfallstelle bisher derart erschwert wurde, kritisierte am Montag US-Präsident Barack Obama in einer Rede scharf. Er forderte eine schnelle und umfassende Untersuchung. „Wir müssen sicherstellen, dass die Wahrheit herauskommt“, sagte Obama in Washington. Die Experten müssten ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können, doch die von Russland unterstützten Separatisten würden Beweise von der Absturzstelle entfernen. „Was genau wollen sie verbergen?“, fragte Obama. Die zum Teil sorglose Entfernung von Leichen sei eine Beleidigung der Angehörigen.
Russlands Präsidenten Wladimir Putin rief er dazu auf, die Separatisten davon abzuhalten, die Untersuchung zu behindern. Putin habe einen „direkten Einfluss“ auf die Separatisten, die von russischer Seite trainiert und bewaffnet worden seien. „Die Bürde liegt bei Russland“, sagte Obama. „Die Separatisten und die russischen Sponsoren sind verantwortlich für die Sicherheit der Ermittler.“
Moskau weist Schuld von sich
Kreml-Chef Putin wies am Montag in einer Videobotschaft eine Verantwortung Russlands zurück und warnte vor einem „Missbrauch“ der Katastrophe. „Russland unternimmt alles, damit der Konflikt zu Gesprächen mit friedlichen und ausschließlich diplomatischen Mitteln übergeht“, sagte Putin. Niemand dürfe die Tragödie für eigennützige politische Ziele ausnutzen. „Solche Ereignisse sollten Menschen nicht trennen, sondern zusammenführen“, unterstrich der russische Präsident.
Moskau warf aber seinerseits der Ukraine vor, dass vor dem Absturz der Maschine ein ukrainischer Kampfjet in der Nähe gewesen sein soll. Der Abfangjäger vom Typ Suchoi-25 sei auf die Boeing 777 zugeflogen, sagte Generalleutnant Andrej Kartopolow vom russischen Generalstab in Moskau. „Die Entfernung der Su-25 zur Boeing lag zwischen drei und fünf Kilometern.“ Das ergebe sich aus Aufzeichnungen der russischen Flugüberwachung. So ein Kampfjet sei mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet, der auf diese Entfernung ein Ziel hundertprozentig zerstören könne. Die Ukraine solle Auskunft über dieses Flugzeug geben, forderte er. Tatsächlich liegt die Dienstgipfelhöhe der Su-25 bei 7.000 Metern.
Kämpfe und eingeschränkte Infrastruktur in Donezk
Die ukrainische Armee und prorussische Separatisten lieferten sich unterdessen weiter schwere Gefechte. Dabei schienen Kiew-treue Kräfte am Montag Geländegewinne zu machen. Für eine Zone von 40 Kilometern im Umkreis um die Absturzstelle bei dem Ort Grabowo verkündete der ukrainische Präsident aber eine Feuerpause.
Besonders heftig tobten nach übereinstimmenden Berichten die Gefechte in der Großstadt Donezk. Nach intensivem Artilleriebeschuss stand schwarzer Rauch über dem Bahnhof. Auch auf dem stillgelegten internationalen Flughafen kam es zu Schusswechseln. „Rund um Donezk gibt es Kämpfe. Die Situation ist sehr schwierig“, sagte Andrej Purgin, der Vizeregierungschef der nicht anerkannten Volksrepublik Donezk, in russischen Medien. Er sprach von Dutzenden Toten unter der Zivilbevölkerung. Dafür gab es allerdings keine Bestätigung.

APA/AP/Dmitry Lovetsky
Ein Separatist hält das Stofftier eines Opfers hoch
Die Wasserversorgung der Stadt wurde wegen Leitungsschäden auf drei Stunden am Tag beschränkt. Selbst damit reiche der Trinkwasservorrat nur noch für fünf Tage, teilte der städtische Versorger mit.
Westen erhöht Druck auf Putin
Um eine bedingungslose Kooperation der Separatisten zu erzwingen, verstärkt die internationale Gemeinschaft den Druck auf Russland. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande und der britische Premierminister David Cameron drohten Moskau mit einer Ausweitung der EU-Sanktionen. Putin müsse umgehend auf die Moskau-treuen Rebellen einwirken, um den ungehinderten Zugang der Ermittler zum Absturzgebiet zu gewährleisten, hieß es in Paris und London.
Am Dienstag wollen die Außenminister der 28 EU-Staaten unter anderem über schärfere Sanktionen gegen Russland beraten. Die Minister wollen darüber hinaus grundsätzlich über die Beziehungen zwischen der EU und Russland sprechen. Sie werden die Forderung nach einer unabhängigen und internationalen Untersuchung des Absturzes des Flugzeugs bekräftigen. Zugleich wollen die Minister Russland erneut auffordern, die Unterstützung der Separatisten in der Ukraine zu beenden und Waffenlieferungen an diese zu verhindern.
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