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Putin verspricht Kooperation

Nach massiven Klagen über Behinderungen am Absturzort der malaysischen Boeing reisen Luftfahrtexperten in das von Rebellen kontrollierte Gebiet bei Donezk. Die ersten niederländischen Experten trafen am Montag in der Stadt Donezk ein.

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Ein Sprecher der Separatisten sagte, sie würden den Niederländern helfen, den Absturzort zu besichtigen und die in Kühlwaggons gelagerten Leichen zu inspizieren. Die Rebellen würden auch den Rat der Experten hören, wohin die Toten gebracht werden sollten. Neben den Niederländern wird auch ein Expertenteam aus Malaysia am Montag in der Ostukraine erwartet. Derzeit sind schon Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in dem Gebiet. Sie waren die ersten Ausländer, die zeitweise Zugang zum Absturzort erhalten hatten.

Separatisten: Kämpfe in Zentrum von Donezk

Gleichzeitig sind Montagfrüh neue Kämpfe ausgebrochen: Ukrainische Soldaten versuchen offenbar, in die von prorussischen Separatisten kontrollierte Stadt Donezk einzudringen. Ein Anführer der Separatisten sagte am Montagvormittag, es gebe Kämpfe in der Innenstadt in der Nähe eines Bahnhofs. Ein Sprecher der ukrainischen Armee sagt, die Militäroperation in der Ostukraine sei in einer „aktiven Phase“, wollte aber nicht zu Berichten über Kämpfe in der Stadt Donezk Stellung nehmen.

Niederlande koordinieren Identifizierung

Die Niederlande werden die internationale Identifizierung der Opfer in der Ostukraine koordinieren, gab der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte am Sonntagabend in Den Haag bekannt. Im ostukrainischen Charkow sollen die Niederlande ein Koordinationszentrum für die Identifizierung der 298 Opfer einrichten. Die Leichen von etwa 200 Opfern sollen in Kühlwagen in einem Zug bei Tores in der Ostukraine liegen. Bei dem Absturz von Flug MH17 kamen 193 Niederländer ums Leben. Die USA haben den Verdacht geäußert, dass die Aufständischen die Boeing mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen haben. Etwa 250 Opfer wurden bisher geborgen.

Putin warnt vor politischem „Missbrauch“

Kreml-Chef Wladimir Putin wies am Montag in einer Videobotschaft eine Verantwortung Russlands zurück und warnte vor einem „Missbrauch“ der Katastrophe. „Russland unternimmt alles, damit der Konflikt zu Gesprächen mit friedlichen und ausschließlich diplomatischen Mitteln übergeht“, sagte Putin. Niemand dürfe die Tragödie für eigennützige politische Ziele ausnutzen. „Solche Ereignisse sollten Menschen nicht trennen, sondern zusammenführen“, unterstrich der russische Präsident.

Pro-russische Rebellen stehen an der Absturzstelle, einer von ihnen hält ein Plüschtier hoch

APA/AP/Dmitry Lovetsky

Ein Separatist hält das Stofftier eines Opfers hoch

UNO-Resolution am Montag?

Der UNO-Sicherheitsrat könnte noch am Montag über eine Resolution zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine mit 298 Menschen an Bord in der Ostukraine abstimmen. Die australische UNO-Mission setzte nach Angaben westlicher Diplomaten am Sonntagnachmittag (Ortszeit) ihren Resolutionsentwurf „in Blau“. Damit ist das Papier abstimmungsreif und könnte nach der üblichen Frist von 24 Stunden zur Entscheidung kommen. Weil die Russen die Resolution mit ihrem Veto verhindern können, ist der Ausgang allerdings völlig offen.

Der australische Entwurf fordert von allen Beteiligten, insbesondere den prorussischen bewaffneten Separatisten, in deren Machtbereich die Absturzstelle liegt, eine uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den internationalen Behörden. Gleichzeitig soll das Papier jede Manipulation an der Absturzstelle untersagen. Es fordert zudem, dass die Flugschreiber und andere Beweisstücke sofort ausgehändigt werden.

Westen erhöht Druck auf Putin

Um eine bedingungslose Kooperation der Separatisten zu erzwingen, verstärkt die internationale Gemeinschaft den Druck auf Russland. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande und der britische Premierminister David Cameron drohten Moskau mit einer Ausweitung der EU-Sanktionen. Putin müsse umgehend auf die moskautreuen Rebellen einwirken, um den ungehinderten Zugang der Ermittler zum Absturzgebiet zu gewährleisten, hieß es in Paris und London.

„Das ist der Augenblick der Wahrheit für Putin“, sagte US-Außenminister John Kerry am Sonntag im US-Sender CNN. Es gebe eine enorme Menge an Fakten, die die russische Verbindung zu den Separatisten belegten. Dazu gehörten die Ausbildung und die Versorgung der Rebellen mit Waffen, fügte er im Sender ABC hinzu. Kerry rief die Europäer in mehreren TV-Talkshows auf, dem Beispiel Washingtons zu folgen und ihre Sanktionen zu verschärfen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die Regierung in Kiew und die prorussischen Separatisten bezichtigen sich gegenseitig, die Maschine abgeschossen zu haben. Seit Tagen fordern Politiker aus aller Welt eine rasche, umfassende und vor allem unabhängige Untersuchung der Absturzursache.

Sollte Russland dazu nicht „unverzüglich die nötigen Maßnahmen ergreifen“, werde das beim EU-Außenministerrat am Dienstag Konsequenzen haben, hieß es in Paris weiter. Bisher hat die EU Sanktionen gegen Einzelpersonen und Unternehmen verhängt, aber nicht gegen ganze russische Wirtschaftszweige.

Trümmerteile der abgestürzten Boeing

Reuters/Maxim Zmeyev

Die Trümmer sind kilometerweit verteilt

Massive Behinderungen

Bewaffnete Separatisten und chaotische Zustände behinderten am Wochenende am Absturzort eine Untersuchung der Wrackteile massiv. Bis zu 900 Aufständische würden die Rettungskräfte nahe der Ortschaft Grabowo ständig überwachen und erheblich einschränken, klagte der ukrainische Vizeregierungschef Wladimir Groisman am Sonntag. Die Suche nach Leichen und Trümmern wurde auf eine Fläche von 34 Quadratkilometern ausgeweitet.

Leichen in Kühlwaggons zwischengelagert

Die Waggons mit den Leichen sollen bis zum Eintreffen internationaler Experten in Tores bleiben. Zuvor hatte die russische Staatsagentur Ria Nowosti gemeldet, dass der Zug über Ilowaisk nach Donezk fahren werde. Dem widersprach aber Separatistenanführer Alexander Borodaj. „Wir haben nicht vor, die Körper vor der Ankunft der Experten irgendwohin zu bringen. Die Regierung verzögert aber dieses Eintreffen“, sagte er.

Borodaj sagte weiter: „Die Flugschreiber sind in Donezk, und wir übergeben sie nur internationalen Organisationen. Die ukrainische Regierung wird die Daten sonst fälschen.“ Die Führung in Kiew wirft dagegen den militanten Gruppen das Vernichten von Beweisen vor.

Moskau weist jede Verantwortung von sich

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko lehnte direkte Verhandlungen mit den Separatisten ab. Die Aufständischen hätten mit dem Abschuss der Maschine einen „Terrorakt“ begangen, betonte der prowestliche Staatschef. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wies jegliche Verantwortung von sich und kritisierte Berichte über einen angeblichen Abschuss der Maschine als „voreilig“.

USA geben Russland Mitschuld

Die US-Regierung hatte Russland am Sonntag eine Mitverantwortung am Absturz des malaysischen Verkehrsflugzeugs mit 298 Insassen in der Ostukraine zugewiesen. Es sei „ziemlich klar“, dass das gegen Flug MH17 eingesetzte Abschusssystem „von Russland in die Hände der Separatisten gelangte“, sagte US-Außenminister Kerry.

„Wir haben Bilder vom Raketenabschuss, wir wissen über die Flugbahn Bescheid“, sagte Kerry dem Sender NBC. Ferner gebe es Aufnahmen von „prahlenden“ Separatisten nach dem „Abschuss“. Das vom ukrainischen Geheimdienst veröffentlichte Protokoll eines abgehörten Gesprächs zum mutmaßlichen Abschuss von Malaysia-Airlines-Flug MH17 ist nach US-Angaben echt.

Das Verhalten der prorussischen Rebellen am Absturzort der Boeing nannte Kerry „grotesk“. Sie behinderten die Arbeit der Ermittler. „Betrunkene Separatisten“ würden „ohne jede Zeremonie“ Leichen aufeinanderstapeln und „Spuren verwischen“.

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