Merkel: Recht auf Selbstverteidigung
Die Weltöffentlichkeit reagiert nach dem Beginn einer neuerlichen Bodenoffensive Israels im Gazastreifen gespalten. Am weitesten hinausgelehnt haben sich dabei einerseits die Türkei mit Attacken auf Israel und andererseits erstaunlich deutlich Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Verweis auf Israels nötige Selbstverteidigung gegen den Terror der radikalislamischen Hamas.
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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wurde am Freitag in Istanbul empfangen. Er traf dort mit Staatspräsident Abdullah Gül und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zusammen. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sprach davor von „inhumanen Morden“ durch Israel und reagierte damit sogar schärfer als Abbas selbst, der sich „besorgt“ über die Entwicklung zeigte und meinte, die Bodenoffensive werde die Bemühungen um eine Waffenruhe weiter erschweren.
Ägypten zürnt Ankaras Scharfmachern
Die Türkei forderte zudem eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats. Er habe dazu mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gesprochen, teilte Davutoglu auf Twitter mit. In einem weiteren Telefonat mit US-Außenminister John Kerry habe er die türkische Forderung nach einem „sofortigen Ende der israelischen Angriffe“ bekräftigt. Zudem rief die Türkei zu einem Dringlichkeitstreffen des UNO-Menschenrechtsrats und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) auf, teilte Davutoglu weiter mit.
Abbas begrüßte nach seinem Gespräch mit Gül die Vermittlungsbemühungen der Türkei. Davutoglu teilte mit, die Regierung in Ankara wolle weiterhin auch den Kontakt zur Hamas aufrechterhalten. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri hatte zuvor in Richtung Türkei gemeint, die ägyptischen Friedensbemühungen würden von Ankara torpediert. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten ist angespannt, seit das Militär dort vor einem Jahr die Regierung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi gestürzt hatte.
Neuer Vermittlungsversuch
Ägypten erneuerte auch seinen Vorschlag für eine Waffenruhe. Schukri sagte am Freitag in Kairo, seine Regierung stehe wieder in Kontakt mit beiden Konfliktparteien, um ein Rahmenabkommen für ein Ende der aktuellen Gewalteskalation auszuarbeiten. Einem früheren ägyptischen Plan für eine dauerhafte Waffenruhe hatte Israel zugestimmt, die Hamas jedoch nicht.
Schukri erneuerte seine Kritik an der Verweigerungshaltung der Hamas: Hätte sie dem ägyptischen Vorschlag zugestimmt, wäre eine Bodenoffensive Israels ausgeblieben und „palästinensisches Blut nicht vergossen worden“, sagte er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius.
Israels Botschaft in Türkei attackiert
Israel zog unterdessen wegen Ausschreitungen vor seinen diplomatischen Vertretungen in der Türkei Botschaftspersonal ab. Die Vertretungen würden nur noch mit dem absolut notwendigen Personal besetzt, erklärte Israel. Demonstranten hatten gegen die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen protestiert und das Konsulat in Istanbul und die Botschaft in Ankara mit Steinen angegriffen. Das ohnehin schon angespannte diplomatische Verhältnis zwischen den beiden Staaten steuert damit endgültig auf eine Eiszeit zu.
Abbas sieht Genfer Konvention verletzt
Abbas bat zudem seinerseits die Schweiz als Hüterin der Genfer Konvention, wegen des Konflikts eine dringliche Sitzung der Konventionsstaaten einzuberufen. Ein diesbezügliches Ansuchen der Palästinenser sei schon am 9. Juli eingetroffen, bestätigte der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter am Freitag. Der Wunsch nach einer Konferenz sei jedoch „sehr schwierig“ zu erfüllen, so Burkhalter. Dazu müssten die Signatarstaaten selbst mehrheitlich dafür sein.
Scheitern dürfte der Wunsch nach einer Konferenz allerdings allein schon deshalb, weil Burkhalter als Bedingung dafür formulierte, dass die Hamas das Existenzrecht Israels anerkennen müsse. Die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle schützen Personen, die sich nicht an Kämpfen beteiligen - darunter Zivilisten und medizinisches Personal. Unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts stehen auch Verwundete, Kranke und Kriegsgefangene, also Personen, die nicht mehr an Kämpfen teilnehmen.
Hamas und Iran in Hassparolen geeint
Ein Hamas-Sprecher drohte, der Gazastreifen werde sich in einen Friedhof für israelische Soldaten verwandeln, sollten die Truppen weiter ins Innere des Küstenstreifens vordringen. Auch der Iran verurteilte das Vorgehen seines Erzfeindes Israel dagegen scharf. „Das ist ein neues Kapitel der unmenschlichen Verbrechen des zionistischen Regimes“, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham. Die Bodenoffensive grenze an ein Kriegsverbrechen.
Angesichts der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen haben auch der russische Präsident Wladimir Putin und sein iranischer Kollege Hassan Rouhani bei einem Telefongespräch ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen gefordert. „Die beiden Seiten haben die Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung des bewaffneten Konflikts und die Wiederaufnahme des israelisch-palästinensischen Dialogs gefordert“, erklärte der Kreml am Freitag.
Obama bietet Kerry als Vermittler an
US-Präsident Barack Obama sagte am Freitag, die USA und ihre Verbündeten seien beunruhigt, weil die Lage im Gaza-Konflikt eskalieren könnte. Er hoffe, dass Israel weiter so vorgehe, dass die Zahl ziviler Opfer minimiert werde. Er habe mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gesprochen und dabei auch bekräftigt, dass die USA das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützten. Zudem wies Obama nach eigenen Worten Netanjahu darauf hin, dass US-Außenminister John Kerry zu einer Reise in die Region bereit sei.
Ban reist in den nahen Osten
UNO-Generalsekretär Ban forderte von beiden Seiten den Schutz von Zivilisten. Die Hamas müsse sofort den Beschuss Israels stoppen, forderte er. Israel müsse dafür sorgen, dass bei der Offensive keine Zivilisten zu Schaden kämen.
Ban reiste am Samstag in den Nahen Osten. Er werde sich dort mit Vertretern Israels und der Palästinenser treffen, sagte der für politische Fragen zuständige stellvertretende UNO-Generalsekretär Jeffrey Feltman am Freitag nach einer Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats. Ban wolle durch seinen Besuch in der Krisenregion seine Solidarität mit beiden Seiten zum Ausdruck bringen.
Merkel pocht auf Recht auf Selbstverteidigung
Die EU verurteilte die Tötung von vier palästinensischen Kindern bei den Kämpfen. Solche Vorfälle seien „inakzeptabel und müssen untersucht werden“, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag in Brüssel.
Überraschend deutlich stellte sich umgekehrt Merkel auf die Seite Israels. Sie erklärte sich besorgt angesichts der neuen Dimension der Bewaffnung der Hamas und betonte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Dieses müsse zwar „angemessen“ ausgeübt werden, außer Streit stehe aber: „Jedes Land muss sich, wenn es so angegriffen wird, wehren.“ Deutschland stehe in dieser Frage an der Seite Israels. Sie erklärte, sie hoffe auf die ägyptischen Vermittlungsbemühungen zwischen Palästinensern und Israelis.
Papst telefoniert mit Peres und Abbas
Papst Franziskus hat in persönlichen Telefonaten mit Israels Präsident Schimon Peres und Abbas ein Ende der Gewalt im Gazastreifen gefordert. Der Papst beklagte ein „Klima der wachsenden Feindlichkeit, des Hasses und Leids für die beiden Völker“, wie es in einer Mitteilung des Vatikans vom Freitag heißt. Erst Anfang Juni waren Abbas und Peres auf Einladung des Papstes gemeinsam im Vatikan zu Gast - mehr dazu in religion.ORF.at.
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