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Wunderkind mit Vielfachbegabung

Der US-Stardirigent Lorin Maazel ist tot. Der 84-Jährige starb in seinem Haus im US-Bundesstaat Virginia an den Komplikationen einer Lungenentzündung, teilten die Veranstalter des Castleton Festival mit. Maazel war unter anderem Direktor der Wiener Staatsoper und leitete viele Jahre das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

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Erst im Juni hatte Maazel, der als einer der brillantesten Dirigenten und Komponisten seiner Zeit galt, sein Amt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker wegen gesundheitlicher Probleme aufgegeben. Er war aber weiterhin aktiv: In den USA bereitete er sich laut Angaben des von ihm gegründeten Castelton Festival für das nächste Festival vor. 2013 hatte er noch mehr als hundert Konzerte geleitet.

Langjähriger Begleiter der Wiener Philharmoniker

Der 1930 nahe Paris geborene Maazel war vielfach preisgekrönt und dirigierte zahlreiche große Orchester der Welt. Insgesamt dirigierte er in seiner mehr als 70 Jahre andauernden Karriere rund 150 Orchester bei mehr als 5.000 Opern und Konzerten. Dazu nahm er rund 300 Alben mit klassischer Musik auf. Zudem komponierte er Dutzende Stücke und auch ganze Opern.

Lorin Maazel mit den Wiener Philharmonikern beim Neujahrskonzert

APA/Robert Newald

Maazel beim Neujahrskonzert 2005

Als designierter Leiter der Staatsoper (1982 bis 1984) übernahm er die Leitung des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker 1980, die er durchgehend bis 1986 innehatte und dann wieder 1994, 1996, 1999 und 2005. Er war zudem unter anderem künstlerischer Direktor der Deutschen Oper Berlin (1965-1971) und Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker (2002-2009).

Musikunterricht schon in jungen Jahren

Maazel galt als Wunderkind und hatte schon in jungen Jahren Klavier- und Violinunterricht. Schon mit fünf Jahren bekam er Geigenunterricht, im Alter von neun Jahren dirigierte er bei der New Yorker Weltausstellung zum ersten Mal ein großes Orchester. Mit zwölf Jahren ging er auf US-Tournee, als 15-Jähriger gab er sein Debüt als Violinist. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann Maazel mit einem Philosophie-, Mathematik- und Sprachenstudium in Pittsburgh, das er 1950 abschloss.

Lorin Maazel bei den New Yorker Philharmonikern

AP/New York Philharmonic/Chris Lee

Lorin Maazel dirigiert die New Yorker Philharmoniker

Daneben setzte er seine musikalische Ausbildung fort und kam über ein Fulbright-Stipendium wieder nach Europa, wo er bald häufig dirigierte. „Er ist eindeutig ein brillanter Mann“, schrieb die „New York Times“ 1979. Maazel galt aber auch als von sich selbst überzeugt, stur und manchmal arrogant.

Disput wegen Abwesenheit von Staatsoper

1955 stand er erstmals am Pult der Wiener Symphoniker, 1964 debütierte er mit „Fidelio“ an der Wiener Staatsoper. 1982 trat er seinen Vierjahresvertrag an und führte ein „Blocksystem“ ein, konnte seine Pläne aber nicht konfliktfrei durchsetzen. Er legte sich mit der österreichischen Bürokratie an und überwarf sich mit dem damaligen Unterrichtsminister Helmut Zilk, der Maazels häufige Abwesenheit von Wien kritisierte. Als sogar auf Flugblättern „Musik statt Maazel“ gefordert wurde, kündigte er 1984 seinen Vertrag.

Seinem Nachfolger Claus Helmut Drese soll er unter anderem Folgendes mitgegeben haben: „Hüten Sie sich vor den Politikern, vor der Presse. Vertrauen Sie niemandem. Die Stadt ist tödlich.“ Erst 1998 kehrte er mit Mahlers achter Symphonie an die Staatsoper zurück. Das erste Mal die Wiener Philharmoniker dirigierte Maazel 1962, als er für Herbert von Karajan einsprang. 2002 wurde er zum Ehrenmitglied des Orchesters ernannt. Auch mit den Salzburger Festspielen war Maazel eng verbunden.

Auftritt auch in Nordkorea

Als Dirigent schrieb Maazel Musikgeschichte: 1960 war er der erste Amerikaner, der auf dem Grünen Hügel in Bayreuth ans Pult treten durfte. Zwei Jahre später gab er seine erste Vorstellung an der New Yorker Metropolitan Opera. 2008 trat er mit den New Yorker Philharmonikern - als erstem Spitzenorchester aus dem Westen - im abgeschotteten Nordkorea auf. 2005 kam seine Oper „1984“ nach dem Roman von George Orwell in London zur Uraufführung. Maazel war in dritter Ehe verheiratet und hinterlässt sieben Kinder und vier Enkel.

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