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Heldensuche auf Burg Kreuzenstein

Während Fans der HBO-Fantasyserie „Game of Thrones“ hoffen, dass der Winter bald wieder naht, will der amerikanische Fernsehsender ABC die Lücke mit einem neuen Format füllen: Mit „The Quest“ startet Ende Juli in den USA eine Show, in der Reality-Kandidaten in einem österreichischen Mittelalter-Fantasy-Universum gegeneinander antreten - auf der Suche nach „dem einzig wahren Helden“.

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„Scripted fantasy world with unscripted reality contestants“ nennen die Produzenten (darunter etwa auch Mark Ordesky, Executive Producer von „Herr der Ringe“) ihr Format, und kündigen „etwas noch nie Dagewesenes“ an. Professionelle Schauspieler bevölkern die Welt, in der die zwölf Kandidaten, genannt Paladine, in einer Reihe von Mutproben und Action-Challenges um den Sieg kämpfen. Dem Gewinner winkt neben dem Titel „Der wahre Held“ auch, wie bei Realityformaten so üblich, zumindest vorübergehend die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit.

Wie das Format funktioniert

Aber wie darf man sich das Endergebnis vorstellen? Die spärlichen Informationen, die ABC vorab veröffentlicht hat, geben Rätsel auf. Jan Hutter, in Wien lebender Schweizer Schauspieler mit französischen Wurzeln, ist neben einigen österreichischen Darstellern wie Susanne Gschwendtner, Marcello de Nardo, Stephanie Buddenbrock und Peter Windhofer Teil der internationalen Besetzung und erzählt im exklusiven Gespräch mit ORF.at, wie das Format funktioniert.

Schauspieler Jan Hutter

Maximilian Selim

Schauspieler Jan Hutter

Jan Hutter ist freischaffender Film- und Theaterschauspieler. Der Schweizer mit französischen Wurzeln absolvierte seine Ausbildung am Konservatorium in Wien. In Österreich ist er das nächste Mal im August bei den Gmundner Festwochen und ab November im Hundsturm vom Wiener Volkstheater zu sehen.

Die Ähnlichkeiten zu bekannten Fantasy-Welten lassen sich nur schwer leugnen und sind auch durchaus gewollt - auch die (so weit trotz Geheimniskrämerei bereits bekannte) Rahmenhandlung ist für den durchschnittlich informierten Kinogänger nicht ganz neu. Everalm heißt das Universum, in dem „zwölf Königreiche jahrhundertelang in Harmonie nebeneinander existierten“, wie es im offiziellen Vorspann heißt, bevor dunkle Kräfte die Macht übernahmen. An den zwölf Paladinen ist es nun, die Welt zu retten und dabei selbst zum Helden zu werden.

Hutter spielt Crio, einen einfachen Diener und gleichzeitig engen Vertrauten der Königin von Everalm. Als „Dreamer“ hat er Visionen von einer anderen (der echten) Welt und fungiert als Bindeglied zwischen Realität und Fiktion. „Crio ist nicht gerade der klassische Held, er ist weder stark noch sonderlich mutig. Manchmal ist er sogar ziemlich tollpatschig. Er hat aber ein großes Herz und glaubt unbeirrt, dass das Gute am Ende über die Dunkelheit triumphieren wird“, beschreibt Hutter seine Figur, die die Reality-Kandidaten über alle zehn Episoden hinweg durch das fremde Universum führt. 

Korneuburg wird zu Everalm

Als Location für den Dreh haben die Produzenten neben anderen Orten in Österreich die niederösterreichische Burg Kreuzenstein im Bezirk Korneuburg ausgewählt. Für die Show hätten die Produzenten Hunderte Burgen auf der ganzen Welt in Erwägung gezogen, so Hutter. In Kreuzenstein hätten alle Faktoren gepasst - denn schließlich ist es nicht nur die Burg selbst, in der gedreht wurde, sondern auch im umgebenden Wald, der mit einem großen Aufgebot an aufwendiger Technik in eine unheimliche Abenteuerwelt verwandelt wurde.

Die Schauspieler wurden in ganz Europa gecastet - „sie wollten dezidiert keine in Amerika bereits bekannten Gesichter“, so Hutter. Beim Vorsprechen sei sehr viel Wert auf Improvisation gelegt worden, weil man als Schauspieler in diesem Format ja einerseits den gescripteten Text aus dem Drehbuch hat, gleichzeitig aber mit Nichtschauspielern interagiert, die nicht wissen, wo sie sind und was als Nächstes passiert. Und das Ganze natürlich auch noch auf Englisch. „Man darf unter keinen Umständen aus der Rolle aussteigen, das war das oberste Gebot am Set“, so Hutter, auch wenn etwas Unvorhergesehenes passiert oder man zwischendurch Anweisungen über den Knopf im Ohr empfängt.

Darsteller von "The Quest" laufen auf Burg Kreuzenstein zu

ABC/Rick Rowell

Die Burg Kreuzenstein in Niederösterreich wird zur Kulisse einer actionreichen Suche nach „dem einzig wahren Helden“

Als Schauspieler zwischen zwei Welten

Für Hutter und seine Schauspielkollegen endete der Ausflug ins „The Quest“-Universum jeweils mit Ende des Drehtages, während die Paladine (sprich Reality-Kandidaten) auch nach Drehschluss völlig von der echten Welt abgeschottet wurden und abseits der Kameras weiter in der Serienwelt lebten - ohne elektronische Geräte wie Handys und anderen Luxus.

Burg Kreuzenstein

Die Burg Kreuzenstein diente immer wieder als historische Filmkulisse, z. B. für Ken Follets „Tore der Welt“. Dabei ist das Gebäude eigentlich gar nicht so alt, wie man vermuten würde: Die „mittelalterliche“ Kulisse wurde erst 1906 fertiggestellt - mehr dazu in noe.ORF.at.

Backstage-Bereiche seien für die Paladine so gut wie unsichtbar gewesen, für sie habe nur die vom Sender geschaffene Pseudorealität existiert. Verglichen mit Formaten wie „Big Brother“ oder dem „Dschungelcamp“ sei es aber nie darum gegangen, die Teilnehmer vorzuführen, etwa durch ekliges Essen oder permanente Beobachtung.

Die Teilnehmer - darunter etwa eine Lehrerin, ein Fitnesstrainer und ein Sozialarbeiter - wurden bei Castings in mehreren US-Bundesstaaten ausgewählt. Vor Beginn der Dreharbeiten wurden sie nur sehr rudimentär über die Show informiert - „sie wussten lediglich, dass sie an einer Reality-Competition-Show mit Fantasy-Thematik teilnehmen würden“, so Hutter. Erst 24 Stunden vor Abflug erfuhren sie, wohin die Reise gehen sollte.

In Österreich angekommen, wurden sie in die Burg geführt, wo sie völlig in die vordefinierte Spielhandlung eintauchen durften. Statt, wie bei Reality-Formaten sonst üblich, Anweisungen von Regie, Moderatoren und Filmcrew entgegenzunehmen, trafen sie dort nur auf die Schauspieler, die sie durch den Plot führten und die Wettkämpfe in die Geschichte einbanden. Nach und nach kristallisiert sich so heraus, wer am Ende als „der wahre Held“ Everealm vor dem Untergang bewahren kann.

„Man will einfach ein Teil dieser Welt sein“

Über die Details des Inhalts schweigen sich aber sowohl Produzenten als auch - vertragsbedingt - Teilnehmer aus. Dennoch, seit die Namen der Paladine veröffentlicht wurden, geistern Interviews mit den Kandidaten durch die amerikanischen Medien. Etwa mit Katie Smaluk, einer Barkeeperin aus Chicago, die von den Dreharbeiten auf Kreuzenstein schwärmt. „Die Welt, die für ‚The Quest‘ erschaffen wurde, war so real.“ Besonders begeistert zeigte sie sich im Interview mit dem Portal DNAinfo Chicago von der Rüstung, die sie während der Zeit in der Fantasywelt tragen durfte. „Man will dann einfach ein Teil dieser Welt sein, in der es Ritter gibt, Burgen und Königinnen. Ich habe tatsächlich immer damit gerechnet, Drachen zu sehen.“

Ausschnitt aus dem Trailer zu "The Quest"

Youtube

Offizielles Pressebildmaterial zur Show gibt es kaum. Im YouTube-Channel des Senders ABC werden aber nach und nach Trailer-Videos freigeschaltet.

Hutter gibt zu, selbst am Beginn skeptisch gewesen zu sein - „als Schauspieler weiß man, wie schwer es sein kann, die Kameras auszublenden“. Doch überraschend schnell durfte er feststellen, dass die Paladine innerhalb kürzester Zeit voll in ihrer Traumwelt aufgingen. „Es war schon schön zu merken, dass man den Teilnehmern tatsächlich einen Lebenstraum erfüllt. Sie haben sich so darauf eingelassen, das hat mich wirklich erstaunt. Aber ich glaube, das liegt auch an der hohen Produktionsqualität. Das war ja auch für mich als Schauspieler großartig - normalerweise wird bei so einem Projekt wohl viel mehr in der Post-Production hinzugefügt und querbeet durch ein Script gedreht - aber bei ‚The Quest‘ war so gut wie alles live vor Ort und in Echtzeit.“

Die Produktion sei für ihn bestimmt „etwas vom Verrücktesten“ gewesen, das er je gemacht habe, aber auch „sehr nahe an dem dran, warum ich schon früh Schauspieler werden wollte: In andere Welten tauchen und Abenteuer erleben. Auf eine gewisse Art und Weise hat ‚The Quest‘ also auch mir einen Kindheitstraum erfüllt. Und ganz nebenbei hat man auch noch die Chance, mit Hollywood-Größen zu arbeiten.“

Auf den Spuren von Frodo und Co.

Die Zielgruppe für die Show ist recht leicht zu erraten: Fans von „Game of Thrones“, „Herr der Ringe“ und den „Tributen von Panem“, Live-Rollenspieler und Comic-Geeks. Neu ist also die Verknüpfung mit der ebenfalls großen Fangemeinde von Reality-, Casting- und Competition-Shows. „Sieht man sich ‚Herr der Ringe‘ genauer an, erkennt man Ähnlichkeiten zu einer Reality-Show“, führt Produzent Rob Eric aus. „Da gibt es Elijah Wood’s Charakter Frodo, der den Ring nach Mordor bringen muss, und auf dem Weg dorthin trifft er viele unterschiedliche Wesen und muss Prüfungen überstehen. Dasselbe machen wir mit unseren Paladinen.“

Noch lässt sich aber nicht sagen, ob das Konzept aufgeht und wie die neue Serie angenommen wird. Das „Wall Street Journal“ („WSJ“) wählte „The Quest“ diese Woche jedenfalls schon vorab unter die Top-Fünf-TV-Ereignisse, die das US-Publikum diesen Sommer nicht versäumen sollte. Und auch die Produzenten rechnen anscheinend damit, dass das Format sein Publikum findet - und haben bereits mit dem Casting für die nächste Staffel begonnen.

Sophia Felbermair, ORF.at

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