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Rückschlag für politische Lösung

Die Aussicht auf eine baldige politische Stabilisierung der Lage im Irak schwindet immer mehr: Ministerpräsident Nuri al-Maliki kommt immer mehr unter Zugzwang. Sunniten fordern von ihm die Billigung einer autonomen Regionalregierung in den mehrheitlich von sunnitischen Muslimen bewohnten Provinzen. Sie drohen andernfalls, dort einen unabhängigen Staat auszurufen und das Land damit zu spalten.

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Auch auf Parlamentsebene erlitten die Bemühungen um eine politische Lösung einen Rückschlag: Das Parlament in Bagdad vertagte Anfang der Woche mangels eines Kompromisses eine geplante Sitzung zur Wahl einer neuen politischen Führung auf den 12. August. Damit wird das gefährliche Machtvakuum um Wochen verlängert.

„Drei Autonomieregierungen unter einer Flagge“

Der Sprecher der sunnitischen Protestbewegung gegen die von Schiiten dominierte irakische Führung, Scheich Mohammed Taha al-Hamdun, sagte im dpa-Interview: „Es gibt nur eine Lösung: drei Autonomieregierungen unter einer Flagge - eine der Kurden, eine der Schiiten und eine der Sunniten.“ Bagdad würde die gemeinsame Hauptstadt bleiben. Sollte Maliki auf diese Forderung jedoch nicht eingehen, „wird es eben drei Staaten geben“.

Zugleich räumte der islamische Geistliche ein, dass es massive Konflikte zwischen Kämpfern der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) und den irakischen Stämmen gebe. Diese Auseinandersetzungen seien jedoch auf die Zukunft vertagt worden. Denn der größte Feind heiße Maliki. „Wenn er gefallen ist, gibt es keinen Platz für ISIS mehr im Irak.“

Maliki wehrt sich gegen Einheitsregierung

Seit der Parlamentswahl im April, aus der Malikis Schiitenbündnis als stärkste Kraft hervorging, steckt der Irak in einem Machtvakuum. Das hat ISIS ausgenutzt und innerhalb weniger Wochen weite Teile im Norden und Westen des Landes erobert. Maliki strebt eine dritte Amtszeit an und weist alle Forderungen nach einer Einheitsregierung zum gemeinsamen Kampf gegen die ISIS-Terrormiliz zurück.

Das neu gewählte Parlament hat es bisher nicht geschafft, sich auf einen Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten zu einigen. Erst wenn dieser benannt ist, kann es zur Wahl eines Präsidenten und eines Ministerpräsidenten kommen. Die erste Sitzung vor einer Woche hatten kurdische und sunnitische Abgeordnete aus Protest verlassen. Beide Bevölkerungsgruppen fühlen sich von Maliki seit Jahren benachteiligt.

Konflikt mit Kurden

Und noch ein Konflikt droht Maliki. Die Kurden im Nordirak bereiten derzeit ein Referendum über die Unabhängigkeit ihrer Autonomiegebiete vor. Der Präsident der Autonomiegebiete, Massud Barsani, hat mehrfach gesagt, der Zerfall des Landes sei nicht mehr zu stoppen. Dafür machte er Maliki verantwortlich und forderte dessen Rücktritt. Der Schiit habe „das Land zerstört“, und wer das Land zerstört habe, könne es „nicht vor Krisen retten“, so Barsani.

Maliki hatte den Kurden vorgeworfen, der IS und anderen Aufständischen in ihren Gebieten Unterschlupf zu bieten, und drohte mit Vergeltung. Die Aufständischen würden besiegt werden, „ebenso wie ihre Gastgeber“, sagte Maliki in einer TV-Ansprache. Gleichzeitig braucht Maliki jedoch die Unterstützung der Kurden, um die Dschihadisten auch in anderen Teilen des Landes zurückzudrängen.

Stimmen gegen Maliki werden lauter

Maliki muss sich auch Kritik aus den Reihen prominenter Schiiten gefallen lassen: Der frühere Regierungschef Ijad Allawi sagte der Nachrichtenagentur Reuters in Istanbul: „Ich glaube, es ist für Herrn Maliki Zeit, die Bühne zu verlassen.“ Bei einer dritten Amtszeit Malikis werde es signifikante Probleme geben, der Irak werde zerfallen.

„Definitiv wird es mehr Gewalt geben, die Sicherheitslage wird sich verschlechtern“, sagte Allawi, der ebenso wie Maliki Schiit ist. Maliki beharrt indes auf einer dritten Amtszeit. „Ich werde meine Kandidatur für den Posten des Ministerpräsidenten niemals aufgeben“, sagte er am Freitag. „Ich werde ein Soldat bleiben und die Interessen des Irak und seines Volkes im Angesicht der Terroristen und ihrer Verbündeten verteidigen.“

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