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Vom Reformer zum harten Staatschef

Der letzte sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse ist im Alter von 86 Jahren in der georgischen Hauptstadt Tiflis gestorben. Der frühere georgische Präsident sei um 12.00 Uhr Ortszeit (10.00 Uhr MESZ) nach schwerer Krankheit gestorben, sagte sein Sprecher Soso Tkebutschawa am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

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In Europa bleibt Schewardnadse als einer der Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung unvergessen. Als sowjetischer Chefdiplomat spielte er eine zentrale Rolle bei der Auflösung des Warschauer Paktes. Zuvor waren wie bei einem Dominoeffekt die kommunistischen Systeme von Polen bis Bulgarien zusammengestürzt. Doch in seiner Heimat Georgien galt er als politischer Verlierer. Als Präsident der Kaukasus-Republik musste er in der Rosenrevolution von 2003 gegen sein korruptes Regime aus Familienclans zurücktreten.

Starker Mann Georgiens in Sowjetzeit

Am 25. Jänner 1928 in Mamati nahe der Schwarzmeer-Küste geboren, machte der Historiker Schewardnadse bereits zu Zeiten seines Landsmanns Josef Stalin von 1948 an Karriere in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Zu Sowjetzeiten war Georgiens früherer KP-Chef in seiner Heimatrepublik der starke Mann. Er regierte dabei mit harter Hand und war so in der Lage, die nationalistische Bewegung unter Kontrolle zu halten.

Vier Jahre lang war er zuvor georgischer Innenminister gewesen. Auf diesem Posten erwarb er sich vor allem einen Ruf als Kämpfer gegen die Korruption im KP-Apparat. Politisches Geschick bewies er zudem, als er den georgischen Nationalisten entgegenkam und der Zentrale in Moskau Konzessionen für Georgien abtrotzte. 1978 gelang es ihm so, das Georgische als offizielle Sprache in der Republiksverfassung zu verankern.

Ab 1985 Außenminister

Der letzte Sowjetpräsident Michail Gorbatschow holte ihn 1985 nach Moskau. Schewardnadse sorgte als Außenminister an der Seite des Vaters von Glasnost und Perestroika (Offenheit und Umgestaltung) nach vier Jahrzehnten des Kalten Krieges mit für politisches Tauwetter. Während seiner fünfjährigen Amtszeit als sowjetischer Außenminister zog er sich mit seiner auf Verständigung mit dem Westen orientierten Politik den Zorn dogmatischer KPdSU-Mitglieder zu.

Michail Gorbatschow und Eduard Schewardnadse im Juli 1989

AP/Dusan Vranic

Schewardnadse (r.) mit Gorbatschow

Gegen den Widerstand vieler Kommunisten und Armeegeneräle in Moskau war der Politiker einer der Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung. „Damals bestand sehr wohl die Gefahr eines Weltkonflikts“, stellte er rückblickend fest. Viele russische Nationalisten sehen in dem Georgier noch heute einen Totengräber des Sowjetimperiums.

Rückkehr nach Georgien

Im Dezember 1990 trat er unter Warnungen vor einer drohenden Diktatur zurück. Im August 1991 leitete der gegen Gorbatschow gerichtete Putsch den Zusammenbruch der Sowjetunion ein. Schewardnadse kritisierte Gorbatschow anschließend, weil der in der Krise Moskau verlassen hatte.

Für Schewardnadse bedeutete der Zerfall der Sowjetunion und des Ostblocks 1991 eine Rückkehr in seine Heimat - an die Staatsspitze in Tiflis. Im gerade unabhängig gewordenen Georgien herrschten Chaos und Armut. 1992 wurde Schewardnadse zum Vorsitzenden des georgischen Staatsrates gewählt und nutzte seine Macht zunächst, um die Milizenchefs, die ihn eigentlich als Marionette benutzen wollten, zu entmachten. 1995 wurde Schewardnadse zum Präsidenten Georgiens gewählt.

Wirtschaftliche Reformen gescheitert

Die Regionen Abchasien und Südossetien strebten nach Unabhängigkeit von Tiflis. In einem zweijährigen Gewaltkonflikt wurden mehr als 10.000 Menschen getötet. Schewardnadse gelang es, das Umschlagen in einen Bürgerkrieg zu verhindern. Doch er scheiterte damit, die Kaukasus-Republik zu stabilisieren, auf Reformkurs zu bringen und das Land aus seiner tiefen Wirtschaftskrise zu führen. In den elf Jahren seiner politischen Führung überlebte er drei Attentate. Dreimal bestätigten die Georgier ihn im Amt, jedes Mal stand der Vorwurf der Wahlfälschung im Raum.

„Samtene Revolution“

Er versuchte, das Land aus Russlands Schatten zu lösen und engere Beziehungen mit dem Westen zu schließen. Er dachte laut über eine NATO-Mitgliedschaft Georgiens nach und erreichte 1999 die Aufnahme seines Landes in den Europarat. Ähnlich wie bei Gorbatschow hatte Schewardnadse aufgrund seiner historischen Verdienste im Westen mehr Kredit als bei der eigenen Bevölkerung.

Auch nach seiner letzten Wiederwahl im Jahr 2000 nutzte Schewardnadse die Chance zu Reformen und zum Kampf gegen die Vetternwirtschaft nicht - und verprellte damit seinen politischen Ziehsohn und früheren Justizminister Michail Saakaschwili. Saakaschwili war es, der Schewardnadse aus dem Parlament drängte und die „samtene Revolution“ ausrief.

Widersprüchliche Persönlichkeit

Schewardnadse durfte auch nach dem erzwungenen Rücktritt seine Privilegien einer Residenz mit Leibwächtern behalten. Der Mann mit den weißen Haaren und dem Spitznamen „kaukasischer Fuchs“ wurde oft als politischer Überlebenskünstler beschrieben, nicht zuletzt, weil er mehrere Attentate überlebte. Als Persönlichkeit galt er als ebenso clever und großherzig wie unvorhersehbar und widersprüchlich. So war er einerseits ganz der prowestliche Reformer und scharte andererseits als Präsident Georgiens Vertreter der Sowjetära um sich. Zuletzt lebte Schewardnadse von Krankheiten gezeichnet zurückgezogen.

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