Belastungstest für Beziehungen zu USA
Nach der Festnahme eines mutmaßlichen Doppelagenten, der den Bundestag in Berlin im US-Auftrag ausspioniert haben soll, ist in Deutschland innenpolitisch ziemlich Feuer am Dach. Dass es sich bei dem Mann ausgerechnet um einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) handelt, macht die Empörung nicht kleiner. Die zieht sich quer durch alle politischen Lager.
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Besonders groß ist der Ärger in dem Bundestagsausschuss, der derzeit die Tätigkeit des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) in Deutschland samt möglicher Schattenbeziehungen zwischen deutschen und US-Nachrichtendiensten untersucht. Sollte sich der Verdacht gegen den 31-jährigen BND-Mann erhärten, wäre das ein „Skandal“ und „Angriff auf die parlamentarische Demokratie“, sagte der SPD-Obmann im Ausschuss, Christian Flisek, dem Bayerischen Rundfunk (BR).
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), sagte der „Bild“-Zeitung (Samstag-Ausgabe), sollte sich der Verdacht bewahrheiten, wäre das „ein riesiger Vertrauensbruch im transatlantischen Verhältnis". Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl ergänzte gegenüber der „Bild“, der „Austausch von Informationen zwischen befreundeten Nachrichtendiensten ist üblich. Er erfolgt aber auf kooperative und nicht auf kriminelle Art und Weise.“
Innenpolitisches Rumoren beginnt
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte dem „Handelsblatt“: „Die Verantwortung für die Aktivitäten des BND liegt im Bundeskanzleramt. Wir erwarten, dass die Aufklärung über diesen Vorgang schonungs- und rückhaltlos von höchster Stelle angeordnet wird.“ Auch die Linkspartei sieht das Kanzleramt in der Verantwortung.
„Alle Finger zeigen auf das Kanzleramt und dessen Chef“, sagte der Parteivorsitzende Bernd Riexinger der „Rheinischen Post“ (Samstag-Ausgabe). „Der BND ist auf dem atlantischen Auge blind“, erläuterte er. Die Bundesregierung müsse den Amerikanern jetzt „die Zähne zeigen“ und das Parlament parteiübergreifend „gegen diesen Angriff auf seine Freiheit Stellung beziehen“.
Früherer BND-Chef spricht von „Landesverrat“
Der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Samstag-Ausgabe), der Vorgang berühre die Zuverlässigkeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Die Bundesregierung sei „keine Vasallenregierung der USA oder eines anderen Staates“. Deshalb sei „ein solcher Vertrauensbruch Landesverrat“. Zunächst gelte für den Festgenommenen allerdings die Unschuldsvermutung.
Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, sagte den „Ruhr Nachrichten“, wenn sich der Verdacht bewahrheite, handle es sich um einen „ungeheuerlichen Vorgang“. „Es kann nicht hingenommen werden, wenn der NSA-Ausschuss, der die Ausforschung von Millionen Deutschen aufklären soll, selbst ausgeforscht wird.“ Ein solcher Vorgang müsste Konsequenzen haben. „Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, müsste es auch gegenüber den Amerikanern eine deutliche Reaktion geben. Die Ausforschung eines Bundestagsgremiums ist keine Lappalie.“
Angeblich Geheimdokumente für 25.000 Euro verkauft
Mehreren deutschen Medienberichten zufolge wird der BND-Mitarbieter verdächtigt, im Auftrag der USA den NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert zu haben. Die Bundesregierung in Berlin sprach von einem „sehr ernsthaften Vorgang“. Nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft sitzt der 31-Jährige wegen des dringenden Verdachts der Agententätigkeit für ausländische Geheimdienste in Untersuchungshaft.
Nach Informationen der „Bild“-Zeitung hat der Mann zwischen 2012 und 2014 insgesamt 218 BND-Geheimdokumente gestohlen und auf einem USB-Stick gespeichert. Mindestens drei Dokumente hätten einen Bezug zum NSA-Untersuchungsausschuss. Drehscheibe für den Informationstransfer in die USA soll Österreich gewesen sein. Bei drei konspirativen Treffen soll der Mann US-Geheimdienstmitarbeitern Hunderte Geheimdokumente für insgesamt 25.000 Euro verkauft haben.
Entgegen erster Annahmen soll der BND-Mann allerdings keine internen Papiere des Bundestagsgremiums ausgespäht haben. „Ich habe derzeit keine Erkenntnisse, dass Dokumente des Untersuchungsausschusses selber ausgespäht worden sind, sondern Dokumente, die dem Untersuchungsausschuss zugeleitet werden sollten - von Regierungsinstitutionen und Behörden“, sagte der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg am Samstag gegenüber dem Deutschlandfunk.
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