Nicht nachvollziehbar und intransparent
Bonitätsprüfungen - „Credit-Scoring“ - sind intransparent, haben aber oft schwerwiegende Folgen für Verbraucher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Akademie der Wissenschaften in den vergangenen Monaten im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt hat.
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Konsumenten ahnen bzw. wissen oft nicht, welche Daten gesammelt und wie sie bewertet werden. Bei den Bonitätschecks geht „es nicht nur um eine Analyse der Zahlungsfähigkeit“, sagte Gabriele Zgubic, Leiterin der AK-Konsumentenpolitik, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Vielmehr sei auch eine Auswertung der Lebensumstände gegeben.
Skurrile Fehler
Im Zuge der Recherche hätten die Studienautoren Extrembeispiele gefunden, die zeigten, dass diese Bonitätschecks automatisiert und dabei oft fehlerhaft arbeiten, sagte Jaro Sterbik-Lamina vom ITA. So sei bei einem großen heimischen Geldinstitut im Zuge eines Software-Updates der Überziehungsrahmen für Bezieher von Arbeitslosengeld auf null gestellt worden. Der Fehler lag darin, dass das System keinen Unterschied zwischen vom Arbeitsmarktservice (AMS) Betreuten und AMS-Angestellten machte, die ihre Konten ebenfalls nicht mehr überziehen durften.
„Branche nicht auskunftsfreudig“
„Das Problem ist, dass Bürger diesen Prozessen machtlos gegenüberstehen“, konstatierte Sterbik-Lamina. „Wenn das jemandem klar ist, wird er versuchen, Einblick zu bekommen.“ An sich sei das ein Recht, das in nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen verankert ist. „Doch es gibt einen Haken. Das funktioniert nicht, weil die Branche nicht sehr auskunftsfreudig ist“, so Sterbik-Lamina.
Auch die Verhältnismäßigkeit sei fragwürdig, sagte Sterbik-Lamina und brachte ein weiteres Extrembeispiel: Der Geschäftsführer eines Verlages und Besitzer zweier Häuser bekam keinen Paybox-Zugang. Die Auskunft habe gelautet, dass seine Bonität negativ bewertet worden sei. Eine Begründung gab es dafür nicht, so der Studienautor. Der Verlust für Paybox hätte maximal 18 Euro betragen.
Weiche Daten, große Stolpersteine
AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer ortete Machtgefälle zwischen dem „immer gläserner werdenden Konsumenten“ auf der einen Seite und seinem Nichtwissen auf der anderen. Verbraucher wüssten nicht, welche Daten von wem wie verwendet werden und wie sie gewichtet werden. Besonders die Sammlung und Verwendung weicher Daten sind der Verbraucherschützerin zufolge fragwürdig.
Zimmer nannte als Beispiel einen Universitätslektor mit sicherem Job und Besitzer eines Hauses, der von einem Kreditkartenunternehmen abgelehnt wurde. „Wir würden uns freuen, dass Sie sich bei positiven Veränderungen Ihrer Lebensumstände wieder bei uns melden würden“, hieß es in einem Begleitschreiben. Das Haus des akademischen Mitarbeiters lag am für die Überprüfer falschen Ort, nämlich in der Nähe der Rennbahnwegsiedlung in Wien-Donaustadt.
Denn auch die Adresse wird offenbar bei den Bonitätschecks als wichtig bewertet, statt einer genauen sachlichen Überprüfung wird pauschaliert und mit Vorurteilen gearbeitet. „Geo-Scoring“ nennt man das, den Studienautoren zufolge eine Methode, die genauso Verwendung findet wie eine Bewertung von Vornamen, die oft eine Diskriminierung von Personen mit Migrationshintergrund zur Folge hat.
Klarer rechtlicher Rahmen gefordert
Zimmer kritisierte die „ziemlich dürftige Regulierung“ beim Auskunftsrecht. „Wir brauchen einen klaren rechtlichen Rahmen beim Datenschutzgesetz“, forderte Zgubic. Betroffene müssten Klarheit haben, was in eine Bonitätsbewertung einfließe. Konsumenten müssen derzeit informiert werden, wenn ihre Daten verarbeitet werden.
Nach Vorstellung der AK sollte die Auskunft auch die Datenherkunft sowie allfällige Datenempfänger und die Logik des Bewertungsprozesses umfassen. Darüber hinaus sollte geregelt werden, welche Informationen einfließen dürfen und wie alt diese sind. Nicht zuletzt forderten die Konsumentenschützer unternehmensinterne Kontrollen. Sie wiesen auf die Verankerung einer Regelung im Regierungsübereinkommen hin. Das müsse rasch angegangen werden, forderte Zgubic.
Wie das T-Shirt teurer wurde
Pikantes Detail am Rande: „Credit-Scoring“ dient nicht immer nur dazu, jemandes Kreditwürdigkeit festzustellen. Zimmer zufolge verlangte ein Onlineversandhaus beim Verkauf eines T-Shirts abhängig von der Bewertung der Kunden unterschiedliche Preise - eine Praxis, die das Unternehmen erst nach massiven Protesten wieder eingestellt habe.
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